Paul John, Single Malt, Indien

Paul John Single Malt Whisky Single Cask 161Wenn man von gutem Single Malt Whisky aus Indien redet, also Whisky aus gemälzter Gerste und nicht viel anderem, redet man von Destillaten von Amrut. Andere Destillerien, die Whisky unter ähnlichen Voraussetzungen brauen, gibt es nicht als ernst zu nehmende Alternative. Oder vielleicht doch? Seit Herbst letzten Jahres versucht sich der indische Geschäftsmann Paul John, Inhaber von John Distilleries Pvt Ltd (JDL), mit einigen Abfüllungen seiner Single Malts auf dem britischen Markt. Schafft er es, das ‚Monopol‘ von Amrut zu durchbrechen? Und was treibt einen Inder, der im Heimatland schon viel Erfolg mit Blended Whisky (Original Choice) hatte, überhaupt dazu, Single Malt auf dem Markt zu bringen?

Paul John ist – wie bereits erwähnt – Besitzer der John Distilleries in Indien. Hier produziert und destilliert man seit 1995 alkoholische Getränke wie Brandy, Whisky und Wein. Unter dem Namen ‚National Distilleries‘ brannte man zwar seit 1992 schon Whisky und Brandy, jedoch folgte man zu sehr der Dynamik des indischen Marktes und wollte über niedrige Preise Marktanteile gewinnen. Als dies nicht gelang, wurde der Firmennamen geändert und man begann, die hauseigenen Produkte mehr über die Qualität zu vermarkten und ein entsprechendes Bewusstsein beim indischen Konsumenten zu wecken.

Im gleichen Jahr verließ dann auch der Blend mit dem Namen ‚Original Choice‘ die Lagerhäuser von John Distilleries und wurde zu einem großen Erfolg. Der Zugang zum vielversprechenden indischen Markt für Whisky war geschaffen. 10 Jahre später verkaufte man schon 4 Millionen Kisten vom Original Choice. Produziert wurde der Blend bis dahin noch in Bangalore, wo sich auch der Sitz von John Distilleries befindet. Mittlerweile liegt die Brennerei für die Single Malt von Paul John jedoch im Bundesstaat Goa an der Westküste Indiens.

Die Entscheidung auch Single Malt Whisky zu produzieren fiel im Jahr 2008. Man wollte das Image von indischem Whisky verbessern und natürlich auch das lukrative Ende des Whisky-Marktes erreichen. Und dessen Potential ist bei der zahlungskräftigen Mittelschicht Indiens nicht zu verachten. Zumal der indische Staat den Importmarkt für Single Malt Whiskys durch eine Zollabgabe von 150% mehr als erfolgreich gegen ausländische Erzeugnisse schützt. Marktführern wie Diageo oder Pernod Richard ist das selbstverständlich ein Dorn im Auge, aber der nationalen Produktion von Single Malts sollte es nicht schaden.

Für die erste Abfüllung vom Paul John Whisky wurde folgerichtig nur indische Gerste genutzt, um die Charakteristik des Herkunftslandes zu betonen. Der Single Cask Whisky mit der Nummer #P1-161 wurde dem europäischen Kunden also am 4. Oktober 2012 in London vorgestellt. Nur 150 Flaschen gibt/gab es hiervon. Im gleichen Jahr wurde noch ein zweite Abfüllung aus dem Cask 163 mit ebenfalls 57% Alkohol auf den Markt gebracht. Im Mai 2013 folgten dann noch zwei nicht kühlgefilterte No-Age-Statements – also Abfüllungen ohne Altersangabe – mit den Namen ‚Brilliance‘ (nicht getorft) und ‚Edited‘ (leicht getorft, 20-25 ppm).

Bei den letzten Abfüllungen ging man unter der Regie von Masterdistiller Michael John (nicht verwandt mit Paul John) dann auch dazu über, Torf aus Schottland – am liebsten von Islay – zu importieren, um den Geschmack ein wenig variieren zu können. Die Technik für das Brennen und das Reifen des Whiskys in Fässern ist aber nach wie vor traditionell. Gebrannt wird schon seit 2006 in kupfernen Pot Stills, die in Indien gefertigt wurden und vergleichsweise langhalsig sind. Bei zweifacher Destillation können heute bis zu 3000 Liter täglich herstellen werden. Gelagert wird in Eichenfässern, in denen zuvor amerikanischer Bourbon reifte. Davon liegen wiederum etwa 10.000 in klimatisierten unterirdischen Kellern. Die Klimatisierung ist insbesondere wegen des hohen Verdunstungsgrades des Alkohols im tropischen Klimas des indischen Südwestens keine schlechte Idee. Hier liegt der Angel’s Share mit 10% und mehr bei dem 3- bis 4-fachen der jährlichen Verluste in Schottland.

Obwohl die Abfüllung bei dem indischen Turbo-Reife-Klima nur 4 bis 5 Jahre Zeit in Eichenholzfässern bekommen, wurden sie von den Verkostungspäpsten schon sehr gelobt. Zwar fehlen nach so kurzer Lagerung noch Tiefe und Komplexität, doch das Potential für weitere Verfeinerung ist für künftigen Abfüllungen sicherlich gegeben. Cask 161 war als erster Versuch schon nicht schlecht, aber ob man die notwendige Konstanz an den Tag legen kann, wird sich zeigen.

In der Verkostung gehen die Single Malt Whiskys von Paul John in die mildere Richtung. Süße ist bei der Erstabfüllung das dominierende Aroma, das durch Malz, Getreide, Vanille und Noten von Heu und Gras unterstützt wird. Im Mund wirkt sie erst würzig, wird aber schnell wieder von malziger Süße und anderen weichen Aromen abgerundet. Ein wenig bittersüß mit Zimt und Orange ist dann auch der recht kurze Abgang. Mit ein wenig Wasser werden der scharfen Würze etwas die Zähne gezogen und es treten Getreide und Orange in den Vordergrund. Die Standardabfüllungen wirken durch den geringeren Alkoholgehalt noch ein wenig gezähmter, wobei der Rauch in der Edited-Version gänzlich anders wirkt als schottischer Rauch.

Entscheidend für den milden, leichten Geschmack scheint der geringe Alkoholgehalt zu sein, der durch die Mälzung und Gärung der indischen Gerste erreicht wird. So sind es vor der ersten Destillation gerade einmal 5%, die in die Pot Stills gelangen. Vergleich mit schottischen Verhältnissen von 7-8% ist das schon ziemlich wenig. Abgefüllt wird der Whisky dann mit ungewöhnlich geringen 55% Alkohol, doch durch die hohe Verdunstung von Wasser aus dem Fass steigt der Alkoholgehalt bis zur Flaschenabfüllung noch leicht an.

Hier zeigt sich aber auch das Problem der indischen Brenner. Die schnelle Reifung in Kombination mit den hohen Verlusten durch Verdunstung lassen kaum Platz für langjährige Experimente. Schon nach 3-4 Jahren lagern in einem Hogshead in Indien nur noch um die 150 Flaschen. Eine 10-jährige Reifung wäre geschmacklich sicherlich interessant, aber bei dem vermutlich verbleibenden Fassinhalt von ein paar Flaschen – die Verdunstungsrate ist stark progressiv bei abnehmendem Fassinhalt – ist dies ökonomisch kaum sinnvoll. Auch wenn der Reifeprozess in Indien etwa 3 Mal schneller verläuft als in Schottland, wird man also nie mit dem Alter von indischen Whiskys werben können.

Liest man sich ein wenig durch die Aussagen, die Paul John in diversen Interviews nach der Markteinführung seines Single Malts gemacht hat, wird auch hier sehr deutlich, dass er mehr Geschäftsmann als hingebungsvoller Whiskybrenner ist. Sätze wie ’no rocket science in single malt production‘ oder ‚I am here to do business‘ deuten in Zusammenhang mit der typischen Turbo-Reifung in Indien kaum in Richtung übertriebener Handwerkskunst, sondern eher auf Gewinnmaximierung. Der Fokus soll auf den Standardabfüllungen liegen, die gelegentlich durch Single Cask Abfüllungen und Special Releases ergänzt werden sollen.

Nun ja, wer soll es ihm verdenken. Am Ende entscheidet der Kunde über den Erfolg der Abfüllungen und der Marke. In Anbetracht der geschützten Konkurrenz auf dem indischen Markt kann Paul John ja noch einiges Potential ausschöpfen. Dennoch will er seinen Single Malt erst einmal in Europa (Großbritannien, Frankreich und Italien) sowie Kanada bekannt und beliebt machen, um dann mit diesen Vorschusslorbeeren auch in der Heimat einen guten Start hinlegen zu können. Er rechnet allerdings damit, dass es bis zu 25 Jahren dauern kann, bis Single Malt Whisky in Indien so populär wird wie es weiße Spirituosen heute zu werden scheinen.

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