Das perfekte Glas für Whisky

Perfekte WhiskygläserGibt es das perfekte Glas für den optimalen Genuss von Whisky überhaupt? Aber ja! Es ist das Glas, das den perfekten Whisky enthält und niemals leer wird. Realistisch betrachtet gestaltet sich die Suche nach diesem perfekten Glas aber eher schwierig. Jeder Whiskygenießer dürfte mindestens ein Glas in seinem Schrank stehen haben, dass ihn für eine oder mehrere Abfüllungen an sein Genussoptimum heranführt. Womit wir dann schon beim Kern der Antwort wären: es geht hier um den menschlichen Geschmack und über den kann man lange streiten. Und eines kann ich sofort verraten: es sind generell nicht alle Gläser gleich gut für den Genuss von Whisky geeignet.

Die Glasbläser dieser Welt werden das sicher ähnlich sehen, doch wird jeder auf Kommando seine Version des perfekten Whiskyglases präsentieren können. Gleiches gilt für die meisten Destillerien, die häufig auch eine bestimmte Glasform propagieren. Damit kämen wir an dieser Stelle schon auf zig verschiedene – aber immerhin perfekte – Glasdesigns. Natürlich kann man hier ein wenig von der Erfahrung anderer profitieren und ein paar Glastypen wie Altbierglas oder Sektschale von Vornherein ausschließen. Konzentrieren kann man sich dann auf typische Glasformen für Cognac, Wein, Grappa oder Sherry sowie auf Tumbler und Nosing-Gläser diverser Hersteller.

Schön wäre natürlich eine Genussformel, mit der man beispielsweise aus Glaswölbung, aus Neigungswinkel der Öffnung und aus der Oberflächenspannung am Glas den perfekten Genussfaktor abhängig von Alkoholgehalt des Whiskys bestimmen könnte. An einer entsprechend formulierten Doktorarbeit würde ich mich zwar gerne versuchen, aber ich glaube nicht, dass auch die härteste Forschung unter vollstem Einsatz von Hirn, Herz, Blutschweiß und Leber hier zum Erfolg führen würde.

Man kann allerdings bei der Wahl des perfekten Glases auf einige Daumenregeln zurückgreifen, die in erster Linie den Geruchssinn beeinflussen. Demnach sollte solch ein Glas bauchig sein und sich am oberen Rand verjüngen. Die Größe der Öffnung darf auch von Schotten ohne Gewissensbisse durch das Attribut ‚bescheiden‘ beschrieben werden können. Es ist aber nicht verboten, dass es sich ganz oben wieder ein klein wenig öffnen. Man beschreibt ein solches Glas dann als tulpenförmig. Diese ‚Tulpen‘ haben den Vorteil, dass der Whisky auf breiterer Front in den Mund strömen kann und so mehr Geschmackseindrücke preisgibt.

Hat das Glas keinen Stiel, an dem man es festhalten kann, sollte es wenigstens einen massiven Fuß und besitzen und aus etwas dickerem Glas bestehen. Das hat den einfachen Grund, dass der Whisky beim Halten des Glases durch die Wärme der Hand nicht übermäßig und zu schnell erwärmt wird. So bleiben die Aromastoffe länger im Whisky eingeschlossen und man kann intensiver, konzentrierter und länger genießen. Bei Bedarf kann ein zu kalter Whisky durch das Glas jedoch immer noch relativ kontrolliert mit der Hand erwärmt werden.

Eine gewisse Bauchigkeit des Glases macht schon Sinn, wenn es um die optische Erscheinung des Whiskys im Glas geht. Füllt man den Whisky in ein flaches Glas mit großer Bodenfläche, muss man schon einige Zentiliter (zu viel) einfüllen, damit der Whisky eine Höhe im Glas erreicht, die für eine Farbbestimmung ausreicht. Bei bauchigen Gläsern mit spitzer zulaufendem Boden ist eine ordentliche Farbbestimmung schon mit weitaus geringeren Whiskymengen möglich. Das macht sich gerade bei teureren Abfüllungen bezahlt.

Aus diesen inoffiziellen Regeln geht schon hervor, dass ein mehr als flachbauchiger Tumbler nicht als das perfekte Glas für den richtigen Whiskygenuss gelten kann. Ein Tumbler kann vorteilhaft sein, wenn man seinen Blended Whisky an einem warmen Sommertag mit ein wenig Eis etwas abkühlen möchte – Humphrey Bogart lässt grüßen. Doch für einen Single Malt mit seinen feinen und flüchtigen Aromen ziehen durch die breite Öffnung einfach zu viele Informationen ungenutzt an der Nase vorbei.

Ein Cognacglas hat hingegen den entgegengesetzten Effekt. Hier gibt es im Glas eine große Flüssigkeitsoberfläche, aus der sich viele Aromen entwickeln können. Da diese Aromabombe durch das sich verjüngende obere Ende des Glases nicht schnell genug an die frische Luft gelangen kann, explodiert sie förmlich in der Nase. Diese intensiven Aromen sind bei den allermeisten Whiskys für die allermeisten Nasen nicht sehr zu empfehlen. Jedoch kann man bei seichteren Abfüllungen die Intensivierung der Aromen als Vorteil empfinden.

Weingläser sind eine nicht sehr vorteilhafte Kombination aus Tumbler und Cognacglas. Ihr in vielen Fällen großer Querschnitt und ihre große Öffnung entlassen die interessanten Aromen viel zu schnell aus dem Glas. Nur bei Whiskys mit sehr aufdringlichen Aromen kann eine etwas größere Öffnung die Nase ein wenig entlasten.

Auch ein Grappaglas ist nicht unbedingt das Nonplusultra, da es typischerweise recht kleinbauchig ist und die Aromen sich hier erst gar nicht richtig entfalten können. Seine Öffnung ist zu sehr eingeschnürt, als dass die Nase die feineren der Aromen wahrnehmen könnte, da diese einfach nicht nah genug an die Aromaquelle herkommen kann.

Um einen Whisky richtig genießen zu können, sollte man also auf ein spezielles Nosing-Glas zurückgreifen, das einer Sherry-Tulpe sehr ähnlich ist. ‚Nosing‘ steht dabei für die Arbeit mit der Nase, vom englischen Wort ’nose‘ für ’schnuppern‘ abgeleitet. Bei diesen Gläsern stimmt das Verhältnis von Querschnitt zu Öffnung, was der Nase das Entdecken der Aromen ungemein erleichtert. Der einzige Nachteil ist die mitunter recht spontane Entleerung des Glasbauches beim Neigen des Glases während des Trinkens. Aber da man sein Glas bei einem Tasting nie übermäßig füllt, ist auch dieser ‚Output‘ begrenzt. Für manche Nosing-Gläser gibt es zudem noch einen gläsernen Deckel, der das Entweichen von Aromen in Trinkpausen verhindern soll.

Doch welche typischen Nosing-Gläser gibt es auf dem Markt? Da wäre das Classic-Malt-Glas als Ursprung vieler weiterer Variationen mit Stiel zu nennen, das sich am oberen Ende nicht mehr erweitert. Dann gibt es noch den Spiegelau Whisky Snifter, der als (hochwertiger) Standard für das Tulpenglas angesehen werden kann. Oder der kleine Bruder des Snifters mit längerem Stiel von Bugatti. Das beliebteste Glas in den schottischen Destillerien ist jedoch das sogenannte Glencairn-Glas, das ohne Stiel aber mit dickem Boden das Risiko des Umkippens nach ein paar Tastingrunden wesentlich reduziert. Zudem liegt das Glencairn-Glas durch seinen niedrigen Schwerpunkt gut in der Hand und weist sonst auch alle Vorteile eines speziellen Whiskyglases auf.

Größentechnisch kann man sich an den Prinzipien einer Rotweinverkostung orientieren: ein kräftiger Rotwein verlangt nach einem größeren Glas. Das gilt entsprechend auch für Whisky. Die beherrschbaren Aromen eines leichteren Single Malts aus den Lowlands können kein so großes Glas ausfüllen wie die eines kräftigen Whiskys von der Isle of Islay.

Materialtechnisch sollte man nicht unbedingt schottisch handeln, sondern hochwertigeres Kristallglas normalem Industrieglas vorziehen. Das kostet zwar oft 10 Euro mehr pro Glas, aber es bietet alleine durch seine Haltbarkeit große Vorteile. Vorausgesetzt man nutzt sein perfektes Whiskyglas auch ausgiebig, bleibt die sowieso schon glattere Oberfläche des Kristallglases auch nach vielen Waschgängen noch glatt und reflektiert weniger Licht als Glas mit rauerer und eventuell verkratzter Oberfläche. Denn wie sagt man so schön: das Auge trinkt mit.

PS: Ich hätte ja im Leben nicht gedacht, dass man so viel über das perfekte Whiskyglas schreiben kann 😉

3 Gedanken zu “Das perfekte Glas für Whisky”

  1. Ich bin auch immer wieder gegeistert, wieviel Du über ein Thema schreiben kannst. Da wartet man auch gerne mal ein paar Tage länger auf einen neuen Artikel.;-)
    Ich persönlich stehe total auf die Spiegelau Snifter (wie man ja in meinen Artikeln auch immer wieder sehen kann).
    Neben all den sensorischen Vorteilen (kann man das so sagen?) kommt der Malt auch farblich extrem gut zur Geltung. Das Glencairn Glas mag ich auch, brauche aber irgendwie einen längeren Stil, da fällt das Drehen des Glases leichter, ohne den Kelch zu berühren. Denn gegen das Kelch-berühren hab ich eine ausgesprochene Abneigung.

    Gruß Marcus

    1. Hi Marcus,

      und ich bin immer wieder begeistert, wie schnell du die langen Artikel liest 🙂
      Aber du hast Recht, diesmal habe ich mir wirklich ein wenig mehr Zeit gelassen / lassen müssen.

      Du nennst da allerdings einen interessanten Aspekt, den ich bei den Stiel-Gläser gar nicht genannt habe:
      Mit Stiel ist es ungleich leichter den Whisky im Glas zu schwenken und die Entwicklung der Legs zu beobachten.

      So, damit wäre das dann auch ergänzt 😉

      Gruß, Stefan

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