Whiskywelten: Kanada

Landkarte von Kanada mit kanadischer FlaggeIn Nordamerika gibt es nur 2 Länder, doch beide stellen Whisky her. Oder Whiskey. Der mit ‚e‘ wird in den USA gebrannt und gelagert, der mit der schottischen Schreibweise in Kanada. Das wäre dann der sogenannte Canadian Whisky. Doch Canadian Whisky bietet noch einiger mehr als nur ‚Canadian Club‘. Zu nennen ist hier zuerst eine 400-jährige Brenntradition. Danach der ungeplante Aufstieg des kanadischen Whisky vor knapp 100 Jahren. Und zuletzt die Tatsache, dass (fast) alle Whiskys aus Kanada Blends sind.

Da es von den USA nach Kanada nur ein Katzensprung ist (wie weit kann eine Katze eigentlich springen?), verliefen die Anfänge des Whiskybrennens in den beiden Ländern in etwa parallel. Im 17. Jahrhundert brachten Siedler aus dem alten Land ihren Durst und ihr Wissen mit in die neue Heimat und begannen ihre ersten Whiskys zunächst aus Roggen zu destillieren. Im Jahre 1769 wurde die erste offizielle Destillerie Kanadas eröffnet. Zu ihrer Blütezeit gab es in Kanada über 200 Destillerien.

Es dauerte jedoch noch ein Jahrhundert länger bis sich der Canadian Whisky aus dem Schatten des American Whiskey lösen konnte. Der erste, kleinere Aufstieg begann im Prinzip mit einem gewissen Hiram Walker, den es vor ca. 150 Jahren von Amerika aus nach Kanada zog. Dort baute er in Ontario direkt gegenüber der Stadt Detroit seine erste Destillerie. Er läutete mit dem Drucken seines Namens auf den von ihm produzierten Flaschen und Fässern eine kleine Marktführungsrevolution ein. Seine Whiskys bekamen einen Namen und damit ein Gesicht. Das kam beim Konsumenten gut an, besonders bei Gästen von Restaurants und Clubs in dieser Zeit. Um dem Tribut zu zollen, hängte Walker seinen Whiskys den Beinamen ‚Club‘ an. Als Walker 20 Jahre nach seinem Start als Brenner in den USA Fuß fassen wollte, hatte er dort nicht weniger Erfolg mit diesem Konzept. Die amerikanischen Whiskybrenner neideten ihm diesen natürlich und erwirkten, dass der ‚Club‘ Whisky nur noch mit dem Zusatz ‚Canadian‘ verkauft werden durfte. Der ‚Canadian Club‘ war geboren.

Als dann 1919 in den USA die Prohibition begann, hatte neben heimischen Schwarzbrennprodukten dort auch ausländische Schmuggelware Hochkonjunktur. Nicht nur Schottland erfuhr zu dieser Zeit Umsatzsteigerungen wie nie zuvor, auch Kanada’s Whiskyproduktion boomte um die Großen Seen herum und entlang des Detroit River, speziell wenn Detroit direkt am gegenüber liegenden Ufer lag. Auch wenn die Prohibition paradoxerweise für ein paar kanadische Brennereien das Aus bedeutete, ließ man den US-amerikanischen Absatz für Jahre hinter sich.

Einer der Nutznießer dieser Entwicklung war der kanadische Geschäftsmann Samuel Bronfman. Er kaufte 1920 eine kleiner Brennerei mit dem Namen ‚Seagram‘. In den folgenden Jahren erweiterte er nicht nur seine Produktpalette, sondern kaufte insbesondere Anteile an schottischen und amerikanischen Whisk(e)ybrennereien. Mit dieser guten Ausgangsposition und einem ungewöhnlich großen Lagerbestand verschiedenster Whiskys empfing er das Ende der Prohibition 1933 mit offenen Armen. Zusammen mit Hiram Walker wurde er einer der Big Player im Whiskybusiness. Diverse Teile des Seagram-Imperiums gehören heute allerdings zu Coca-Cola, Diageo und Pernod Ricard, wohingegen Canadian Club als Marke bei Beam Inc. aufgegangen ist, zu denen auch Jim Beam, Knob Creek oder Laphroaig gehören.

Der kanadische Whisky muss, ähnlich wie der Scotch, für 3 Jahre in neuen oder gebrauchten Whiskyfässern mit einer Maximalgröße von 700 Litern gelagert werden, wobei die Mehrzahl der Whiskys um die 6 Jahre alt ist. Nach der Lagerung muss der Whisky immer noch 40% Alkohol enthalten. Im Vergleich zu den sonst so ähnlichen Verwandten aus Schottland verwundert es hier eigentlich, dass kanadischem Whisky auch bis zu 2% Anteile von z.B. Sherry, Obstwein oder Fruchtsäften zugesetzt werden darf. Hierdurch soll die Lagerung in Sherryfässern unnötig gemacht werden.

Typisch für den nördlicheren der nordamerikanischen Whisk(e)ys ist sein leichter Körper, seine helle Farbe und die ungewöhnlich reine Qualität des Destillates. Er ähnelt in dieser Beziehung eher einigen seiner schottischen Vettern als vielen Destillaten aus dem Nachbarland USA. Hergestellt wird er aus Roggen, Mais, Weizen und/oder Gerste. Die Destillation erfolgt in kolbenartigen Brennapparaten, die dort auch ‚Beer Stills‘ genannt werden. Das Ergebnis ist ein hochprozentiges Destillat, das aber leider nicht mit viel Geschmack gesegnet ist.

Um dieses Manko auszugleichen, werden die meisten kanadischen Whiskys aus Destillaten verschiedener Brennerei und Getreidearten gemischt. Fast alle kanadischen Whiskys sind Blends; mir sind nur zwei Destillerien bekannt (Glenora und Still Waters Distillers), die kanadische Single Malts (Glen Breton und Stalk & Barrel) verkaufen. Ein kanadischer Blendmaster muss gute Arbeit leisten, damit er aus bis zu 20 verschiedenen Whiskys einen typischen Canadian Whisky machen kann. Insgesamt soll es heute um die 500 verschiedene Whiskysorten aus Kanada geben.

Heute wird auf Flaschen sehr häufig das Attribut ‚Rye Whisky‘ angegeben, das mittlerweile auch zu einer Art Qualitätsmerkmal geworden ist. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass diese Flaschen überwiegend Whisky enthalten, der auf Roggenbasis destilliert wurde. Hauptbrennquelle in Kanada ist der Mais, dem dann oft noch Roggenwhisky als wichtiger Geschmacksträger für Würze zugemischt wird – was aber gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben ist. Weitere Geschmackslieferanten sind der Mais mit seiner Süße und das Holz der Fässer, aus dem weicher Vanillegeschmack in den Whisky übergeht.

Aufgrund seines ‚anpassungsfähigen‘ Charakters ist kanadischer Whisky entsprechend häufig in Mixgetränken zu finden. Wenn man in einem Cocktailrezept der Oberbegriff ‚Whisky‘ liest, kann man dies getrost mit ‚Canadian Whisky‘ übersetzen. Aus eben diesen Gründen sind Whiskys aus Kanada aber auch bei Einsteigern sehr beliebt. Man kann hier einfach nicht viel falsche machen, wenn man noch kein Smokehead ist.

Update:
Hier der Link zum Podcast von WhiskyCast, den margaretemarie im Kommentar angesprochen hat – noch viel mehr interessante Infos in knapp 38 Minuten, u.a. über Whisky aus Kanada.

2 Gedanken zu “Whiskywelten: Kanada”

  1. Hallo Stefan,
    wieder einmal ein toller Artikel mit sehr hohem Informationsgehalt!
    Übrigens: Whisky-Cast berichtet in Folge 424 vom 12. Mai ausführlich über das Spirit of Toronto Festival und den Kanadischen Single Malt der Still Waters Distillery. Der Podcast ist eine nette Ergänzung zu deinem Artikel.
    Liebe Grüße,
    margaretemarie

    1. Hi margaretemarie,
      Danke für den Tipp. Hab‘ den Link zum Postcast von WhiskyCast im Artikel hinterlegt. Richtig gute Infos und richtig gute Interviews zum Thema.
      Gruß, Stefan

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