Whiskyreise – Teil 3: Tarbert, das Schiff

Schottlands Landkarte in NationalfarbenTag 3, Tarbert

Der Sonntag begann genauso wie der Samstag für uns. Ein gediegenes schottisches Frühstück zum Start und über das Mittagessen mussten wir uns an diesem Tag keine weiteren Gedanken machen. Nachdem wir alle alkoholtechnisch relevanten Sehenswürdigkeiten von Campbeltown schon am Vortag besucht hatten, war der Vormittag bis zur Busfahrt zum Schiff in Tarbert für einen kleinen Stadtrundgang reserviert. Vom B&B aus ging es zuerst den Low Askomill Walk raus in Richtung Davaar Island. Eine schöne, kurze Route für einen Spaziergang bei schönem Wetter, vorbei an sehenswerten Herrenhäusern und dem Craigard House, das wir uns gut als Hotel für unseren nächsten Besuch in Campbeltown vorstellen konnten. Zurück in Campbeltown ging es die Main Street rauf zum Sheriffs Office und über ein paar Seitenstraßen wieder runter zum Hafen. Nach einer kurzen entspannenden Pause auf einer Parkbank im Sonnenschein haben wir uns etwas Geld gekauft, um das B&B bezahlen zu können. Die freundliche Landlady hat uns noch viel Spaß beim Feis Ile gewünscht und wir machten uns auf zur Bushaltestelle.

Der weitere Plan des Tages sah vor, dass sich die segeltüchtige Reisegruppe an einem Pier in West Loch Tarbert treffen sollte, um das Schiff zu entern. Die meisten sollten mit dem Bus aus Glasgow um 15 Uhr dort ankommen. Wir hätten die Möglichkeit gehabt, mit dem 15-Uhr-Bus aus Campbeltown gegen 16 Uhr dort zu sein. Da wir nach unserem kurzen aber – entsprechend der Größe von Campbeltown – ausgiebigen Stadtrundgang noch jede Menge Zeitreserve im Gepäck hatten, haben wir uns gedacht, dass wir schon den Bus um 11.30 Uhr nehmen könnten, um dann auf jeden Fall gleichzeitig mit den anderen am Schiff zu sein. Die Wartezeit am Pier wollten wir dann ganz stressfrei genießen.

Der Bus kam pünktlich (wir warteten nur an der falschen Haltestelle), und wir machten uns planmäßig zu unserem eigentlichen Reiseziel auf. Unterwegs begann es allerdings ein wenig zu Regnen. Nein, nicht draußen sondern im Bus, sehr lokal über dem Fahrer und den nächsten Sitzreihen dahinter. Der (noch recht neu anmutende) Bus kam gerade aus der Waschanlage und hatte über den Auslass der Klimaanlage wohl unfreiwillig Waschwasser getankt, dass sich jetzt über die Gepäckablage den Weg nach unten ins Businnere suchte. Den nassen Busfahrer ließ das augenscheinlich ziemlich kalt. Der Hinweis eines Fahrtgastes wurde mit einem „jaja, kann passieren“ abgetan. Irgendwann stoppte er nur kurz, nahm sich etwas Küchenrolle und trocknete das Gepäckfach. Für einen deutschen Busfahrer wäre so eine gelassene Reaktion eher undenkbar. Oder war es gar keine Gelassenheit sondern ein Mischung aus Erfahrung und Resignation?

Schiffwracks am Steg in West Loch TarbertWie auch immer, um halb Eins kamen wir an unserer Haltestelle am Hotel am West Loch Tarbert an, schnappten uns unser Gepäck aus dem Bauch des Busses und machten uns auf den knappen Kilometer zu Pier und Schiff. Michael, unser Reiseveranstalter, hatte uns vorher schon zu verstehen gegeben, dass die Umgebung des Piers einen sehr speziellen Charme habe. Was er damit meinte, wussten wir nach der ersten Kurve. Dort lag im niedrigen Wasser ein altes Schiffswrack. Noch ein Kurve weiter konnten wir hinter einer Straßenkuppe dann schon die holländische Flagge sehen, die hoch oben am Mast der „Flying Dutchman“ wehte. Sollte uns dieser Charme Mut machen, speziell da auf dem Rest des Weges noch zwei weitere Wracks an Stegen und in Ufernähe lagen? Egal, die „Flying Dutchman“ hatte hier schon häufiger angelegt und wir waren guten Mutes, dass wir mit diesem Schiff das Loch havariefrei verlassen konnten.

Am Pier angekommen lag dort ein – für eine Landratte wie mich – recht imposanter Zweimaster vertäut. Ein tolles Bild bei schönstem Wetter. Unser freundliches „Ahoi“ und die Bitte an Bord kommen zu dürfen, wurde allerdings erstmal abgelehnt. Es wurde nach dem Verlassen der letzten Reisegruppe noch saubergemacht, und überhaupt war mit Michael doch ausgemacht, dass wir erst um 18 Uhr an Bord an kommen sollten. Oh, das war neu für uns! Egal, bloß kein Stress. Das Wetter war schön, wir hatten Urlaub und noch ein paar Drams und Knabbereien in unseren Rucksäcken. Auf’s Schiff sollten wir noch früh genug kommen.

Flying Dutchman am West Loch TarbertDie „Flying Dutchman“ ist ein 39 x 6,5 Meter großer hochseetüchtiger 2-Mast-Schoner mit 2,70 Meter Tiefgang. Die 13 Kabinen im Bauch bieten Platz für maximal 28 Reisegäste. Im Deckhaus ist ein gemütlicher Salon mit Bar und Zapfanlage eingerichtet, draußen gibt mehrere überdachte Bänke und Tische für den Aufenthalt an Deck. Das Schiff lief schon 1903 vom Stapel und wurde seinerzeit zur Heringsfischerei verwendet. Erst 2004 wurde es zu einem Passagierschiff umgebaut. Die knapp 500 Quadratmeter große Segelfläche (inkl. Großsegel und Schonersegel, zwei Rahsegeln und drei Vorsegeln) machte schon was her, auch wenn wir sie wegen ungünstiger (oder komplett fehlender) Winde nur einmal gesehen haben. Häufiger hörten wir den leise vor sich hin tuckernden Dieselmotor, der uns mit seinen 7 Knoten aber immer sicher ans Ziel brachte. Auch das gemütliche Klüvernetz blieb trotz durchweg schönen Wetters auf der ganzen Reise fast ungenutzt.

Wir machten es uns erstmal in der Sonne am Ende des Piers auf einem alten Baumstamm gemütlich, schossen ein paar Fotos, sahen der Schiffsbesatzung bei der Arbeit zu und genossen die Zeit. Mit dem zweiten Set der Tour-Drams von Springbank und Kilkerran zum Nachtasten („täisten“, nicht „tasten“), ein paar Salzkeksen und extra weichen Cookies verging die Zeit wie im Flug. Alle paar Minuten kam ein Auto oder ein Wohnmobil zum total abgelegenen Pier und fuhr direkt danach wieder weg. Offensichtlich waren das Passagiere der Kennacraig-Fähre, die eine Wegkreuzung zu früh abgebogen waren. Witzig zu sehen, diese GPS-resistenten Touristen.

Gegen zwei Uhr kam auf dem Schiff ein wenig Panik auf. Der Skipper versuchte immer wieder zu telefonieren, fluchte leise wie ein Rohrspatz und war mit der Welt sichtlich unzufrieden. Irgendwann fuhr ein Taxi vor und wir dachten schon, dass hier die ersten Mitreisenden ankämen. Das Auto holte aber nur den Kapitän sowie ein weibliches Besatzungsmitglied ab. Später kamen dann eine junge Frau und ein holländisch redender Schlacks mit Seesäcken im Schlepptau an. Ein Wachwechsel also, der scheinbar nicht so reibungslos lief wie geplant.

Fahrgäste der Flying Dutchman beim WartenErst um halb Vier kam ein Taxi mit den ersten 4-5 Segelurlaubern. Dabei auch Michael, der zusammen mit seinem Kumpel Lars die Reise organisiert hatte. Nach kurzer Rücksprache mit der zuvor angekommenen Frau, die sich als der neue Kapitän herausstellte (übrigens ist „Kapitänin“ die korrekte weibliche Form des Wortes Kapitän, nicht „Kapitöse“, Martin…), sollten wir wirklich erst um 18 Uhr an Bord gehen. Kurze Planänderung also: wir stellten nur unser Gepäck auf’s Deck und sollten uns mit den anderen Reisenden auf ein paar Warte-Drams oder -Pints am West Loch Hotel treffen.

Wir gingen also den Weg zurück zum Hotel, wo die anderen Segler bereits warteten. Die meisten hatten sich schon ein Bier bestellt und genossen die Sonne genauso, wie wir es am Pier die Stunden zuvor gemacht hatten. Die Begrüßung fiel zwar eher zurückhaltend aus, aber die Zurückhaltung sollte sich mit der Zeit legen. Die Auswahl der Hotelbar war nicht günstig, aber erfreulich umfangreich. Es gab für mich ein paar Pints, die ersten Gespräche und Fachsimpeleien über Lebenswasser. Um kurz vor 6 ging es mit allen Mann wieder runter zum Pier.

Insgesamt waren wir 19 Gäste an Bord. 3 Schweizer, 2 Österreicher, ein halber Däne und der Rest aus Deutschland. Eine gut gemischte Gruppe also, für ein paar davon war es auch der erste Besuch in Schottland. Michael hatte die Kabinen schon im Vorfeld verteilt. Kai und ich bekamen die Nummer 12 vorne im Bug des Seglers. Was soll ich sagen… klein, aber fein. Zwei Etagenkojen, ein funktionelles all-in-one-Bad, ein Schrank und ein knapper Quadratmeter zum Stehen und Drehen. Im Nachhinein hätte ich allerdings gerne die 50 Euro mehr für eine etwas größere „Standard Plus“ Kabine ausgegeben. Man musste sich trotz begrenzter Körperweite schon ein wenig arrangieren. Es war zum Beispiel unmöglich, dass wir uns morgens beide gleichzeitig zum Frühstück fertig machten. Da war Schichtarbeit angesagt.

Flying Dutchman am West Loch TarbertNach dem Einzug gab es von der Skipperin Anneke und durch Michael eine kurze Einweisung in das Leben auf einem Schiff. Kein Duschen und kein Alkohol auf hoher See, Allgemeinstrom gab es nur solange der Generator lief, wir durften der Besatzung beim Setzen der Segel sowie beim Zubereiten des Essens gerne zur Hand gehen, nur das Thema „Mann über Bord“ wurde zum Schrecken der 3 mitreisenden Frauen eher maskulin behandelt. Gestört hat mich eigentlich nur, dass es an Bord keine brauchbare Internetverbindung gab, um die Roamingkosten in Grenzen zu halten. Aber hey, kein Stress, wir waren doch im Urlaub. Sonst war alles mach- und annehmbar, solange man den Segler nicht mit einem 5-Sterne-Hotel verwechselte.

Der erste Abend an Bord wurde gesellig und lecker. Schiffskoch Jan hatte uns in seiner kleinen Kombüse ein sehr leckeres und reichhaltiges Essen gezaubert. Das sollte sich auch die nächsten Tage nicht ändern. An den genauen Menüplan der Woche kann ich mich nicht mehr erinnern, aber Qualität und nicht zuletzt die für 19 hungrige Mäuler servierte Menge waren erste Sahne und immer für eine Überraschung gut. Danke dafür, Jan!

Vor dem ersten Abendessen wurde noch die Bordbar aufgefüllt. Es gab zwar ausreichend Bier vom Fass und die letzte Reisegruppe hatte noch Whiskyreste übrig gelassen, aber Michael meinte, dass es nicht schaden könnte, wenn jeder noch ein wenig Whisky für die Woche mitbringen würde. Ich hatte einen 12-jährigen Glendronach dabei, der exklusiv für den dänischen Markt abgefüllt war, Kai hatte mit einem 18-jährigen Sonnenscheiner aus Witten mehr auf lokale Spezialitäten gesetzt. Zu den etlichen mitgebrachten Flaschen der anderen Gäste gesellten sich nach Brennereibesuchen beim Feis Ile mit der Zeit noch aktuelle Abfüllungen. Hunger und Durst mussten wir in der kommenden Woche garantiert nicht leiden.

Der Abend endete für die meisten irgendwann gegen Mitternacht. Anneke hatte uns gesagt, dass die „Flying Dutchman“ am nächsten Morgen schon um 6 Uhr ablegen würde, da man sonst nicht ausreichend Wassertiefe habe. Und den Start der Tour wollte ja keiner Verschlafen.

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