Die Reifeprüfung, Teil 2

Zunächst mein Dank und meine Entschuldigung an Michael, der das Experiment zur Reifeprüfung jetzt fast 3 Jahre lang durchgezogen hat. Die Entschuldigung ist dafür, dass ich erst jetzt „die Reife prüfe“. Ich hatte den Sommer über bei knapp 30°C im Haus einfach keine Lust, Whisky gebührend seiner Bestimmung zuzuführen. Mir war die letzten Monate eher nach einem kühlen Bier auf der Terrasse. Jetzt wird es aber auch wieder mehr Tasting-Notes und der eine oder andere längere Whisky-Post kommen.

So. Es ist also wieder ein Jahr vergangen, in dem der fast einjährige New Make von Tullibardine den aufbereiteten Eichenholzstab in seiner kleinen Flasche umspülen durfte. Damit „reifte“ das Destillat insgesamt 135 Wochen oder – für die nicht schwangeren unter uns – 2 Jahre und 7 Monate. Eine Entwicklung zum letzten Jahr ist schon farblich zu erkennen. Aber ob das auch zu einer Verbesserung geführt hat? Die letzte Reifeprüfung wurde ja eher nicht bestanden.

Hier meine Notes zur diesjährigen Abfüllung des Reifeprüfungsexperimentes:

Name Tullibardine Tullibardine New Make nach Eichenstabreifung
Alter 352 plus 943 Tage
Alkohol unbekannt
Lagerung mit sherry-isiertem Eichenstab in der Flasche
Sonstiges weder kühlgefiltert noch gefärbt
Region Highlands

Farbe Dunklerer Bernstein
Geruch Karamell und ein süßer Hauch von tropischer Frucht, das Destillat übernimmt von da an wieder, der Alkohol ist weit weniger dominant als letztes Jahr, Holz und Haarspray, später wieder deutliches Karamell, und Fugde, neben dem Haarspray nochmal etwas Süße reifer Frucht, Mürbeteigkeks, aber kein Sherry mehr
Geschmack Süß und mit viel leckerer Frucht, schnell sehr alkoholisch und adstringierend, Traubenkerne, Holz, leichte fruchtige Bitterkeit (obwohl das Fruchtaroma als solches eigentlich süß ist), Malz und Maische, ein wenig cremig, Trockenfrucht, Spuren von Kaffee
Finish Recht kurz, Süße und Frucht zu Beginn, viel Parfum, Schärfe, Fenchel, ziemlich herbes Pils, Lakritz, Ouzo

Aromen Frucht Getreide Süße Holz Würze Alkohol Rauch

Ich könnte jetzt mein zögerliches „hmmm“ aus der letzten Reifeprüfung zitieren. Das Experiment kann man auch nach fast 3 Jahren nicht unbedingt als gelungen bezeichnen. Aber es ist wahnsinnig interessant und dabei keineswegs so, dass der Dram ungenießbar wäre. Er ist nur nicht angemessen gereift und damit von einem Whisky noch recht weit entfernt. Doch ob eine noch längere Lagerzeit hier viel bringt? Wenn also noch was in der Flasche sein sollte: am besten testen und noch 2-3 Jahre drin lassen.

Die guten Nachrichten sind immerhin, dass der Alkohol der aktuellen Version die Nase wenigstens nicht mehr malträtiert (obwohl er immer noch locker über 60% liegt…) und dass das Holz ein wenig mehr Einfluss gewinnen konnte. Die Aromen in der Nase haben sich sowieso am deutlichsten verändert. Am auffallendsten ist, dass der Sherry sich komplett verabschiedet hat und dass jetzt Karamell in jeder Ecke lauert.

Ansonsten sind immer noch viele Aromen von Rohbrand im Dram zu finden. Viel zu viele, wenn man die Länge und die vermeintlich konzentrierte Art der Reifung betrachtet. Eventuell liegt das ja am Holzstab selber, eventuell war das kleine Stück Holz schon nach dem ersten Reifeprozess mit dem New Make von Fary Lochan zu sehr ausgelaugt.

Was mir noch auffiel: je länger ich den Dram im Mund lasse und gezwungenermaßen mit Speichel verwässere, desto ungenießbarer wird der Abgang. Gleiches gilt im übrigen auch für die letztjährige Version. Es ist irgendwie so, als ob die „guten“ Aromen noch viel zu flüchtig sind. Als ob Wasser sie zu leicht aufbrechen und in „schlechte“ Aromen umwandeln kann.

An dieser Stelle muss man also wieder einmal erkennen, dass man für die Herstellung eines guten Malt Whiskys nicht nur das Handwerk des Schnapsbrennens beherrschen muss. Nein, man muss auch wissen, in welchen Fässern bzw. welchem Holz man ein Destillat lagern sollte. Und sind wir da doch mal ehrlich: da haben die Schotten gegenüber vielen Teilen dieser Welt einen recht deutlichen Vorsprung.

PS: Ich habe nun auch die Reste der beiden früheren Reifungsstadien nochmal im Glas gehabt. Und alles in allem gefällt mir der New Make in voller Stärke am Besten. Der wirkt einfach am rundesten und sein Abgang behagt mir am meisten.

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