Whiskyreise – Teil 1: Campbeltown, die Anreise

Schottlands Landkarte in NationalfarbenWhiskyreise… ja, das muss man bei dem gewählten Fokus wohl so nennen. 10 Tage völlige Entschleunigung, Spaß und größtenteils auch einmaliger Genuss. Erst Campbeltown, dann Isle of Islay zum diesjährigen Feis Ile und zuletzt noch ein Pit Stop in Glasgow. Das klingt nach vollem Programm, war aber sehr interessant und unterhaltsam. Und eben auch (fast) völlig stressfrei. Da wir, das sind mein alter Freund Kai und ich, auf der Reise einiges erlebt haben (an das ich mich auch noch erinnern kann), werde ich meine Erinnerungen in mehreren Posts unterbringen müssen. Den chronologischen Anfang macht also der Abstecher nach Campbeltown.

Angefangen hat alles mit einer Randnotiz im letzten Jahr in einem Whiskyforum. Es ging dabei um ein Segelschiff, dass im Mai von der Westküste Schottlands nach Islay zum Feis Ile segeln sollte. Ich bin also einem Link des Veranstalters der Reise gefolgt und fand das Angebot sehr verlockend. Da das Teilen einer Doppelkabine mit Menschen, deren Schnarchen ich nicht kenne, nicht so mein Ding ist, habe ich Kai gefragt, ob er mitkommen wollte. Nach (sehr) kurzem Überlegen war eine Doppelkabine schnell und gründlich ausgebucht.

Als zu Beginn des Jahres die Reiseunterlagen ankamen, mussten wir erstmal sehen, wie wir am Besten von Glasgow bzw. Edinburgh nach Tarbert kommen konnten. An den offiziellen An- und Ablegetagen des Seglers war das leider nur möglich, wenn wir Flugtickets für horrende Preise gekauft hätten. Wollten wir natürlich nicht. Es war also nur zu verführerisch, den CityLink 926 aus Glasgow nicht schon in Tarbert zu verlassen, sondern ein paar Tage vorher erst an der letzten Haltestelle seiner Route in Campbeltown. Das ließ uns genügend Zeit, die kleine Stadt und ihre 3 Brennereien vor dem Ablegen des Segelschiffes genauer zu erkunden.

Einen großen Dank an dieser Stelle an unsere Familien, die nichts gegen die leicht verlängerte Reisezeit hatten.

Uns war selbstverständlich klar, dass bei so einer Sechseckreise nicht alles wie geplant verlaufen würde. Darum hatten wir uns schon sehr früh in unserer Planung entschieden, dass wir alles so nehmen, wie es kommt, und wir uns keinen Stress machen würden. Es sollte schließlich ein Urlaub werden, ein positiv Unvergesslicher wenn irgend möglich.

Mein Flieger kam planmäßig in Edinburgh an, Kai’s in Glasgow – mehr oder weniger planmäßig, wenn der Pilot in Düsseldorf kurz vor dem Start erst merkt, dass nicht genügend Treibstoff getankt wurde. Egal, wir wollten uns ja keinen Stress machen.

Von Glasgow aus musste unsere Reise mit dem Bus weitergehen. Unser natürlicher Treffpunkt in Schottland war demnach die Buchanan Bus Station im Herzen von Glasgow. Ich kenne nun nicht sehr viele Busbahnhöfe, aber dieser war schon etwas… groß. Ein geschäftiges Gewusel von Menschen, Koffern und Rucksäcken an Haltestellen, Kiosken und Ticketschaltern. Knapp 60 Haltestellen hat dieser Busbahnhof auf einer Größe von grob geschätzten 60 x 150 Metern mit einem konstanten Rein und Raus von Dutzenden von Busses in allen Größen und Farben. Im Nachhinein war es schon imponierend, dass ich dreimal auf meiner Reise pünktlich angekommen bzw. abgefahren bin.

Kai war etwas früher am Bahnhof als ich und meinte, dass er in der Wartezeit schon mal Tickets für unseren 14-Uhr-Bus nach Campbeltown kaufen könnte. Die Fahrt sollte 4 Stunden dauern, was uns nach Ankunft in Campbeltown genügend Zeit für ein Abendessen sowie einem leckeren lokalen Dram gegeben hätte. Kai begrüßte mich in der Wartehalle mit einem breiten und völlig stressfreien Grinsen im Gesicht. Kurz nach dem ersten freundschaftlichen „Hallo“ meinte er dann jedoch sagen zu müssen: „Unser Bus ist ausgebucht“.

Bumm… die erste Bombe war geplatzt. Der nächste Bus fuhr erst um 18 Uhr ab, mit Ankunft in Campbeltown gegen 22 Uhr. Ich sah sowohl mein erstes Haggis als auch zugehörige Drams und Pints in weite Ferne rücken. Und ich sah 5 Stunden Wartezeit in Glasgow entgegen, mit Gepäck an der Hand. Das kann man stressfrei sehen, muss man aber nicht. Wir entschlossen uns also erst einmal auf den ausgebuchten Bus zu warten, in der Hoffnung, dass ein paar der gebuchten Plätze frei bleiben würden. Und wir hatten Glück. Pünktlich um 14 Uhr setzte sich der CityLink 926 in Richtung Campbeltown in Bewegung, mit uns als zufriedenen Fahrgästen. Das war gerade nochmal gut gegangen…

Die Fahrt nach Campbeltown verlief recht unspektakulär – solange man nicht aus dem Fenster sah, um die faszinierende Landschaft Schottlands zu bewundern. Es ging die A82 in Richtung Loch Lomond rauf, mit einem scharfen Linksschwenk in Tarbet auf die A83 nach Westen. Nach einem kurzen Stopp in Inveraray (leider etwas zu kurz für einen angemessen langen Besuch bei Loch Fyne Whisky) ging es dann weiter zu unserem Tagesziel am Mull of Kintyre.

Irgendwo zwischen Lochgilphead und Tarbert begann es zu regnen, aber das hatte uns der Wetterfrosch vorher schon verraten. Irgendwann im Laufe des Abends sollte es schließlich auch wieder aufhören, so dass wir wenigstens auf dem Heimweg vom Pub nicht mehr nass werden sollten. Kein Stress also.

Nicht eingeplant war allerdings der plötzliche Stopp kurz hinter Tarbert. Der Busfahrer fuhr links ran, machte die Tür auf, steig aus und man konnte von Draußen ein recht lautes „pfffffft“ hören. Ich nehme an, dass eine Druckluftleitung für die Bremsen geplatzt war. Wer die hiesigen Straßenverhältnisse kennt, hätte eine Weiterfahrt auch für eine ziemlich dumme Idee gehalten. Wir standen also mitten in der Pampa und kamen nicht weiter. Der Fahrer telefonierte (ich fragte mich anfänglich, warum er ein Mobilnetz finden konnte und ich nicht… später war ich aber froh, dass er Empfang hatte und nicht ich) und sagte uns dann, dass ein anderer Bus in 15 Minuten bei uns sei, um uns zu übernehmen. Wieder mal Glück gehabt.

Der Notstop dauerte zwar eine Stunde, aber das war uns egal. Besser als 5 Stunden in Glasgow warten oder gar nicht weiter zu kommen. Die Feis-Ile-Pilger, die in Kennacraig noch mit der Fähre weiter mussten, sahen das zwar anders, aber der Busfahrer hatte dort die Verspätung angekündigt, so dass alle weiterkamen. Sehr nett und hilfsbereit… wie eigentlich alle Schotten, die ich zwischen Sonntag und Freitag außerhalb von Pubs bisher so getroffen habe.

Hafen von Campbeltown Schottland

Gegen 19 Uhr waren wir dann endlich in Campbeltown. Auf dem kurzen Weg zu unserem B&B hatten wir Rückenwind, was den Regen erträglicher machte. Blöd war nur, dass wir unser B&B mit Gepäck im Anschlag bei Regen und ziemlich kräftigem Wind nicht finden konnten. An der vermuteten Stelle gab es nur ein augenscheinlich verwahrlostes und verschlossenes Gebäude, durch dessen dreckige Fenster man erkennen konnte, dass es innen renoviert wurde. Ähnlichkeiten mit Internetbildern eines schmucken Herrenhauses im halbwegs viktorianischem Stil wären rein zufällig gewesen.

Verdammt.

Also haben wir uns ein wassergeschützes Plätzchen unter dem stark renovierungsbedürftigen Vordach des Hauseingangs gesucht, die Kontaktnummer aus dem Gepäck gefischt und angerufen. Geht keiner dran. Wieder verdammt. Also die nächste Nummer, diesmal ging die Landlady dran.

Ich: Hi, wir hatten die nächsten zwei Nächte ein Zimmer reserviert. Aber wir stehen hier nun im Regen und finden das B&B nicht.
Sie: Eine Reservierung? Wann wollt ihr denn kommen?
Ich: Wir sind schon hier. Im Regen. Aber ohne B&B.
Sie: Ohhh… das habe ich ja völlig vergessen. Ich mache eben euer Zimmer fertig. Könnt ihr in einer Stunde nochmal wiederkommen?
Ich: Ähm, nein. Es wäre hilfreich, wenn wir wüssten, wo das B&B überhaupt ist. Und dass wir unser Gepäck abstellen können, um uns etwas wetterfester anzuziehen.
Sie: Oh, ich verstehe. Ich komme runter.

Kurz darauf öffnet sich hinter uns die marode Haustür. Ich wusste nicht, ob ich spontan glücklich oder erschrocken war. Aber hey, kein Stress, wir hatten unser B&B gefunden. Wir stellen kurz das Gepäck ab, zogen uns was Wärmeres an und danach wieder raus in den Regen. Das Abendessen mit flüssigen Beilagen wartete. Wir wollten in das ca. 1 km entfernte Ardshiel Hotel gehen. Dort gab es am Abend Livemusik und eine nicht zu verachtende Auswahl an Whisky. Ein guter Plan soweit. Aber nach der Hälfte der Strecke hatten uns Regen und Gegenwind sowas von eingeweicht, dass wir nur bis zum Royal Hotel am Eingang des Hafens kamen. Die Livemusik musste ohne uns spielen.

Es gab einmal Fish’n’Chips plus Guinness für Kai und einen leckeren Burger (die Speisekarte war leider komplett Haggis-frei) mit einem total verhopften Ale für mich. Danach noch ein weiteres Guinness für Kai und ein Sicherheits-Tennent’s für mich. Wenn ich den Abend jetzt Revue passieren lasse, kann ich mich an einen ersten Dram auf unserer Tour nicht erinnern. Ich war aber auch nicht mehr wirklich in der Stimmung dafür, obwohl noch völlig stressfrei. Immerhin hatten Regen und Wind nachgelassen und wir kamen etwas trockener zum B&B zurück.

Die Qualität unseres Zimmers war selbst für britische Verhältnisse eher bescheiden. Es war sauber und geräumig, zugegeben, aber der Wind pfiff kalt durch die geschlossenen Fenster (oder was man auf der Insel so „Fenster“ nennt), die Heizung ging nicht an und rissiger Putz und Stuck an der Decke sahen aus, als ob sie nur auf einen nichtigen Grund zum Abfallen warteten. Weiterhin typisch – wenn auch so gar nicht praktisch – war das Waschbecken mit einem Hahn für das (eis)kalte Wasser und einem weiteren für das (kochend) heiße Fassade Brennerei Destillerie Springbank Hazelburn Longrowausgerüstet, 20 cm voneinander nur 1 cm von der hinteren Beckenkante entfernt. Wenigstens wurde die Heizung später noch (brennend) warm, so dass wir unsere Sachen nicht im feuchten Windzug am Fenster trocknen mussten.

Nur Stress hatten wir nicht. Für den nächsten Tag standen immerhin Sonnenschein auf dem Programm und der Besuch von 3 Brennereien sowie von Cadenheads, wo 2 reservierte Flaschen Caperdonich auf mich warteten. Es gibt durchaus Schlimmeres, als mit diesen Gedanken in tiefen Schlaf zu fallen…

2 Gedanken zu “Whiskyreise – Teil 1: Campbeltown, die Anreise”

  1. Kai

    Ach ja…unser guesthouse….nimm’s leicht, nimm Dynamit 🙂
    Ich errinnere mich übrigens noch an ein Dram Mackinlay Shakleton, welches ich stilgerecht, in Ermangelung jeder Form von Whiskyglas, aus dem Teebecher genossen habe.
    Aber auch der Herr Shakleton wird ja bei seiner Expedition nicht wählerisch bei der Wahl des Trinkgegenstandes gewesen sein. Und der Glasmangel sollte ja in den nächsten Tagen noch effektiv bekämpft werden.

    1. Stimmt, deinen Teetassen-Gedenk-Shackleton nach dem Abendessen hatte ich völlig verdrängt…:-o

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