Am Tag 3 meiner kurzen Schottlandreise standen Brennereibesuche auf dem Programm. Was heißt „Programm“? Eigentlich wollte ich nur hier und da mal vorbeischauen, mit ein wenig Glück eine Führung mitmachen und mich ansonsten inspirieren lassen. Inspiration für was verrate ich aber erst, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Das dauert noch ein wenig. Aber ich will meiner Zeit nicht allzu sehr voraus sein.
Nach einer geruhsamen Nacht gab es am Morgen wieder ein Full Scottish Breakfast. Diese Grundlage für den Tag hatte sich ja schon gestern bezahlt gemacht. Und sollte es auch heute wieder tun.
Ich wollte meine verpasste Chance vom gestrigen Tag nicht als endgültig verpasst in die Annalen eingehen lassen. So schrieb ich Dennis noch eine nette Email und fragte, ob er für den nächsten Vormittag nicht noch einen weiteren Besuch im Glen Grant Archiv mit Greig verabreden könne. Er selber müsse ja auch nicht dabei sein.
Danach führte mein Weg mich bei herrlichsten Wetter nach Elgin. Gordon & MacPhail wollte ich diesmal nicht wieder besuchen. Da fand ich die Preise schon 2019 nicht sehr attraktiv. Und das hat sich bestimmt nicht geändert.
Stattdessen wollte ich zu Glen Moray. Eigentlich, so schrieb das Internet, bietet man dort jeden Morgen um 9.30 eine Führung an. Nur für heute gab es keinen Eintrag auf der Homepage der Brennerei. Merkwürdig. Also einfach mal auf gut Glück vorbeifahren. Und ja, die Homepage hatte Recht, die Tour war für eine geschlossene Gesellschaft reserviert. Was im Übrigen auch für die nächste Tour um 11.30 galt.
Ich kam darum „nur“ ein wenig mit einem netten jungen Angestellten im Visitor Center ins Gespräch, der mir das mit den Touren erklärte. Rafal nahm sich aber viel Zeit für mich und erzählte mir so einiges über Glen Moray. Dass die Spirit Stills auch Fenster haben, weil es vorher Wash Stills waren. Dass man eine extra Metallplatte unter den Stills montiert habe, damit sich die Wärme besser verteilt. Dass… ach, es gab einige nette Informationen.
Die Brennerei selber ist eine lustige Mischung aus alten, ehrwürdigen Gemäuern und neu(er)en, charmefreien Industriebauten. Für pittoreske Fotos der Brennerei muss man diesen schwarzen Stahltrapezkoloss in der Mitte des Geländes schon fast retuschieren. Viel rumlaufen und sehen durfte ich als nicht geführter Besucher auf dem Gelände ja nicht, darum gab es nur ein paar Schnappschüsse für die Galerie.
Zurück im Auto wollte ich Google befragen, wie ich denn von Glen Moray nach Miltonduff kommen könnte. Führungen wurden dort zwar nicht angeboten, aber in der Nachbetrachtung der Reise schien das sowieso der neue Standard für die Speyside als Whiskymetropole Schottlands zu sein. Es gab trotz der Unmenge an produzierenden Betrieben nur eine Handvoll, die für Besucher zugänglich war und Touren anbot. Und das gerne auch zu halbwegs humanen Preisen.
Aus Miltonduff wurde aber nichts, weil ich im Geländeloch bei Glen Moray keinen Empfang hatte und erst wieder halb nach Elgin zurückfahren musste, bevor sich das änderte. Darum fuhr ich zum lokalen Tesco – welch ein Ersatz. Zum einen hatte mein 30 Jahre alter Stromsteckeradapter am ersten Abend seinen Geist aufgegeben (mein Dank an’s Station Hotel für den geliehenen Ersatz!), zum anderen war am Morgen das Ladekabel für mein Iphone gebrochen. Adapter waren ausverkauft, ein Kabel habe ich bekommen können. So war es besser als andersrum. Dazu gab es noch ein paar vorbeugende Sandwiches für die Mittagspause und ein paar Dosen Haggis für zu Hause.
Weiter ging es quer durch Elgin nach Linkwood. Auch hier sind Besucher offiziell nicht willkommen. Ich fragte beim Empfang nett nach, und es war ok, dass ich wenigstens ein paar Fotos der Brennerei vom Parkplatz aus machte. Leider war die Sicht auf die ansonsten riesigen Brennblasen hinter den großen, halb geöffneten Rollfenstern durch Baucontainer arg begrenzt. Eine schöne, alte Mälzerei mit Kiln haben sie da aber stehen.
Beim meinem nächsten Stopp, Benriach, gab es Führungen für interessierte Besucher, nur leider nicht zu einem Zeitpunkt, der in meinen Tag gepasst hätte. Ich hatte aber einen netten Schwatz mit der Angestellten im Visitor Center, die mir auch einen kleinen Tropfen des Benriach „The Smokey Twelve“ ausgab. Die Lagerung in Bourbon-, Sherry- und Marsalaweinfässern bot eine schöne und ausbalancierte Aromenvielfalt. Hat mir gefallen. Natürlich gab es hier anschließend auch noch eine Fotosafari über das Gelände.
Auf meinem Rückweg die A941 entlang, nur ein paar Meilen südlich von Benriach in Richtung Rothes, liegt die Longmorn Distillery. Ja, wenn ich schon mal hier bin, halte ich doch auch an. Longmorn ist eine der schöneren Brennereien, die ich bisher besuchen konnte. Im Büro war trotz offener Tür niemand zu finden, also schlenderte ich einfach etwas über das Gelände der Brennerei. Vorsichtig und umsichtig natürlich. „Health and Safety“ wird in UK immer größer und größer geschrieben – was durchaus zu einer gewissen Komik oder wenigstens zu Verwunderung führen kann. Dazu später mehr.
Für Abstecher zu den ebenfalls nicht für gemeine Besucher zugänglichen Brennereien Glen Elgin und Coleburn, die auch an der A941 liegen, hatte ich an diesem wunderschönen Tag leider keine Zeit mehr. Ich musste langsam zurück zum Hotel, etwas essen und mich ein wenig frisch machen, denn für 14.30 hatte ich eine Tour bei Speyburn gebucht. Die konnte ich vom Hotel aus zu Fuß leicht erreichen, sorgenfrei für das Probieren von Drams am Ende der Tour. So war es geplant, es kam jedoch anders.
Speyburn ist eine von Whiskytouristen noch nicht so heimgesuchte Brennerei und hat erst im letzten Jahr ein Besucherzentrum eröffnet. Der Besuch hat sich auf jeden Fall gelohnt. Sandy, unser Tourguide, ursprünglich von Islay und Jahrzehnte lang selber Produktionsarbeiter, lieferte viele technisch interessante Informationen. Ich fand das gut. Die Familie aus der Schweiz, die zuvor noch keine andere Brennerei gesehen hatte, hat er allerdings schon nach 5 Minuten effektiv abgehängt. Dieser Spagat zwischen dem Vorwissen der Besucher ist natürlich schwer, speziell wenn man als Besucher keine Fragen stellen mag. Oder gar nicht weiß, worum es geht und was man fragen soll. Ich versuchte auf Deutsch zu helfen, so gut es ging. Immerhin hatten ihnen die Drams nach der Tour so gut gefallen, dass sie direkt 3 Flaschen mitnahmen.
Die Brennerei ist eine kleine Perle und zugleich irgendwie ein lebendes Museum. Das liegt nicht zuletzt an den 6 Malting Drums, die Ende des 19. Jahrhunderts installiert wurden und heute – wenngleich stillgelegt – in den alten Mauern einen netten Einblick in das moderne Mälzen geben. Natürlich in sehr kleinem Maßstab. Die Whiskyproduktion selber ist dann modern, aber nicht weniger interessant. Die Brennblasen haben hier ebenfalls eine beachtliche Größe.
Um noch ein vorletztes Mal auf das Thema „Health and Safety“ zurückzukommen: vor der Tour gab es den obligatorischen Hinweis von Sandy zum korrekten Verhalten bei einem Feueralarm und die Warnung, außer Geländern keine metallischen Oberflächen anzufassen, weil diese heiß sein könnten. Während der Tour standen wir dann auf einer Brücke über den beiden Worm Tubs, und die beiden japanischen Gäste stecken plötzlich ihre Hände in das Wasser des einen Bottichs. Gut, dass sie nicht den anderen Worm Tub zum Händewaschen gewählt hatten, denn dort hätten sie sich die Finger ordentlich verbrannt. Und Sandy hätte nicht den Hauch einer Chance gehabt, das zu verhindern.
Nach einem kurzen Umschauen im einzigen Warehouse vor Ort fand das abschließende Tasting von 4 Drams in der sehr geräumigen und dekorativ eingerichteten Bar statt. Mein einziger Wunsch: bitte kein offenes Kaminfeuer in Räumen, in denen man Whisky probiert. Alles riecht und schmeckt dann nur rauchig. Ansonsten war es ok. Es gab ein Rum-Finish und die 10-, 15- und 18-jährigen Standardabfüllungen zum probieren.
Gerade noch rechtzeitig fiel mir ein, dass ich am Abend einen Tisch im Mash Tun in Aberlour gebucht hatte. Zu Fuß ist es zwar möglich von Rothes aus dort hinzukommen, aber in der Dunkelheit auf einer Landstraße ohne begehbaren und von den Fahrspuren abgetrennten Bereich schlichter Selbstmord. Nun gut, bekam ich wegen der abendlichen Autofahrt auch hier ein paar Samplefläschchen und nahm die 4 Drams als Betthupferl mit zum Hotel.
Das Mash Tun ist ja nun keine unbekannte Größe, wenn es um Restaurants und gute Whiskyauswahl geht. Ich freute mich auf den Besuch. Wie zu erwarten waren die Regale eindrucksvoll bestückt. Insbesondere das mit den Glenfarclas Family Casks von 1952 bis 2008 fällt ins Auge. Ein verstohlener Blick auf die kleine Preiskarte unter dem Regal brachte mich schnell wieder in die Realität zurück. Ein Dram meines Jahrgangs sollte 340 Pfund kosten. Ich hielt mich weiter brav an meiner Cola fest.
Nicht dass ich im Mash Tun schon wieder Hunger gehabt hätte, aber am letzten Abend gab es für mich drei Gänge: Highlands & Islands als Vorspeise (Haggis und Black Pudding mit geröstetem Sauerteigbrot und Kapern-Dressing)… sehr anders und sehr lecker mit dem Dressing. Die Hauptspeise war ein großes Stück gebratener Lachs mit Pfifferlingen und Kartoffeln an Béarnaise-Sauce. Und zum Nachtisch bestellte ich einen Mixed Berry Crumble mit Vanilleeis. Danach war ich wenig überraschend pappsatt.
Nur eine Frage blieb und lag mir noch schwerer im Magen als das Essen: warum gibt es in keinem Restaurant in Schottland – oder wenigstens in der Gegend, wo ich mich aufhielt – mehr traditionelles und leckeres Haggis mit Neeps und Tatties auf der Menükarte? Gehört der Haggis mittlerweile wirklich einer dieser gefährdeten Spezies‘ an, die geschützt werden müssen und nicht mehr auf dem Teller landen dürfen? Ok… das waren nun zwei Fragen.
Zurück im Hotel habe ich nur noch die Füße hochgelegt und mich um die 4 Drams von Speyburn gekümmert. Das Rum-Finish war mir zu künstlich-süß und nicht mein Fall, die anderen wurden mit steigendem Alter besser. Ginge es um Preis und Leistung, würde ich mich am Ende für den 15-jährigen entscheiden. Vorher gäbe es aber noch einiges ins Glas, was ich leckerer finde.
Dann war Nachtruhe und bislang hatte ich nichts von Dennis gehört.