Whiskyreise – Teil 4: Islay, die Anreise

Schottlands Landkarte in NationalfarbenTag 4, Islay

Die erste Nacht auf der „Flying Dutchman“ verlief mehr als erfreulich. Ich hatte meine Bedenken, auf einem Schiff keine Ruhe finden zu können, aber das war Gott sei Dank nicht der Fall. Möglicherweise haben mir die diversen Drams des Vorabends die nötige Bettschwere verliehen, möglicherweise ist eine Nacht auf einem Schiff doch nicht so schlimm, wie ich dachte. Ich weiß es nicht. Nur der unbarmherzige Weckruf kam etwas früh. Jan, der Schiffskoch, hatte seine Kabine direkt neben unserer und er hat nicht unbedingt versucht, sein Aufstehen zu nachtschlafender Stunde vor uns geheim zu halten. Zudem liefen Generator und Schiffsmotor irgendwann an, so dass an Schlaf nicht zu denken war. Naja, 6 Uhr war zwar früh, aber auf der Überfahrt nach Islay gab es bestimmt ein paar Minuten der Ruhe, in denen ich etwas Schlaf nachholen konnte.

Also raus aus der Koje, schnell im Schichtdienst mit Kai frisch gemacht und ab an Deck mit uns. Es war kalt, der Himmel war mit Wolken verhangen, es war irgendwie unwirklich. Das Frühstück lag noch in weiter Ferne und ich musste mich die nächsten Stunden wirklich anstrengen wach zu bleiben. Aber trotz des bescheidenen Wetters herrschte eine positive Aufbruchstimmung. Keiner konnte es erwarten, nach Islay zu kommen. Die „Flying Dutchman“ machte die Leinen los und tuckerte bei Windstille und total glatter See mit ihrem Dieselmotor das West Loch in Richtung Süden. Es ging also endlich los.

Flying Dutchman im West LochUnterwegs kamen wir am Hafen von Kennacraig vorbei, wo auch die erste Fähre des Tages ihre Fahrgäste aufnahm. Ein wenig später überholte sie uns und es wurde auf den Decks hüben und drüben fleißig gewunken. Ungefähr zu dieser Zeit war Jan auch mit dem Frühstück fertig. Er konnte nicht verhehlen, dass er sich bei der Auswahl der Speisen von landestypischen Spezialitäten stark inspirieren ließ: Rührei, Bacon, black pudding, Würstchen, Bohnen, Pilze, Tomaten, Müsli und Joghurt, Toast und frisches Brot (!), Aufschnitt und Käse, Frucht… Herz Magen, was willst du mehr? Und das gab es jeden Morgen. Lecker! Und sehr sättigend. Es reichte auf jeden Fall, um mittags nur mit einer Kleinigkeit auskommen zu können.

Segel der Flying DutchmanAls wir dann das West Loch verlassen hatten, kam etwas mehr Wind auf und Alex (das dritte Besatzungsmitglied im Bunde) begann, die Segel zu setzen. Wir durften als Leichtmatrosen mithelfen, mussten aber nicht. Erst Großsegel und Schonersegel, danach dann auch die Vorsegel. Die Rahsegel blieben eingerollt und verschnürt. Hier zu helfen war zwar nicht unbedingt spannend, aber es war doch recht interessant zu sehen, an welchen der vielen „Strippen“ man ziehen konnte/musste, damit sich irgendwas an den Masten bewegte. Und unsere müden Körper wurden ein wenig gefordert, denn leicht ist es nicht, so ein Großsegel in die Höhe zu bringen.

Zunächst ging es aber noch mit Wind- und Motorkraft in Richtung Westen weiter. Manfred, einer der Mitreisenden, hatte Anneke als Steuermann abgelöst und erklärte mir stolz (und für meine Verhältnisse auch fachmännisch), wie man so ein Schiff auf Kurs hält. Das sah nicht ganz so einfach aus, da die „Flying Dutchman“ aufgrund des Seitenwindes immer wieder ihren Kurs leicht änderte. Man musste also schon etwas aufmerksam sein, wollte man nicht am Ende in Irland landen.

Kameraleute auf der Flying DutchmanDas Wetter klarte etwas auf und so weit lief alles nach Plan. Anneke stoppte auch bald den Motor und die „Flying Dutchman“ dümpelte im sanften Wind langsam durch die (kleinen) Wellen des Atlantik. Die nächsten 1-2 Stunden sollte nicht mehr viel passieren. Martin hatte es sich auf einer Eckbank im Salon bequem gemacht und begann damit, an den Masten zu sägen. Zeit auch für mich, meine Akkus im Schiffsbauch ein wenig aufzuladen. Warum ich wieder wach geworden bin, weiß ich nicht genau. Aber es war genau rechtzeitig, denn wieder an Deck sah ich, dass wir das südöstlich Ende Islays erreicht hatten. In der Ferne waren schon die weißen Gebäude von Ardbeg zu erkennen.

Während wir uns der Insel weiter näherten, wurden die ersten Kameras in Position gebracht. Selbst die Wolken, die sich tapfer über dem südlichen Teil von Islay hielten, konnten niemanden davon abhalten, das Teleobjektiv bis zum Anschlag auszunutzen. Allerdings waren die Bewegungen des Schiffes ein Problem beim Fokussieren auf das Objekt. Eine ruhige Hand reichte hier nicht aus. Man musste warten, bis das Objekt der Fotobegierde – in diesem Fall die Brennereien von Ardbeg, Lagavulin und Laphroaig – wieder im Sucher vorbeikam, und dann schnell auslösen. Die meisten meiner Aufnahmen sahen daher auch nicht wirklich professionell aus, aber sie hatten durchaus einen gewissen künstlerischen Wert.

Ardbeg Brennerei von See aus Lagavulin Brennerei von See aus Laphroaig Brennerei von See aus

Port Ellen Brennerei mit SeehundenDie Fahrt ging weiter entlang der Südküste von Islay und gegen Mittag kamen wir zum Hafen von Port Ellen. Die Segel wurden wieder eingeholt und es ging mit Motorkraft in die Bucht von Port Ellen. Ein paar Robben lagen dort pittoresk auf einem Felsen im Meer vor der Mälzerei. Das Anlegen im Hafen gestaltete sich ein wenig schwieriger als erwartet. Es lag bereits ein anderes Segelschiff, die „Irene“, die für Tagesausflügler bereit stand, am Pier. Wir mussten längsseits festmachen und beim Verlassen der „Flying Dutchman“ die „Irene“ überqueren.

Da wir an diesem Tag noch mehr Zeit hatten als geplant, wollten Kai und ich bei aufklarendem Wetter Laphroaig und Lagavulin kurze Besuche abstatten. Ein paar Andere vom Schiff hatten die gleiche Idee. Unterwegs gab es im lokalen Co-Op noch ein paar Früchte und Snickers. Auf dem Weg zu den Brennereien stellten wir dann fest, dass es zwischen Whisky und Snickers einige prägnante Parallelen gibt: deutliche Erdnussaromen, sanfte Schokoladennoten und süßes Karamell stimmten uns auf die nächsten Aufgaben sehr gut ein.

Zu meiner Überraschung gab es nun einen asphaltierten Wanderweg von Port Ellen bis zu den Brennereien. Eine sehr sinnvolle Verbesserung, musste ich doch bei meinem letzten Besuch auf Islay noch aufpassen, nicht allzu viele Whiskytouristen auf der schmalen Straße zu überfahren. Es war der Tag vor dem Open Day von Laphroaig und wir wollten die Leere noch für ein wenig Sightseeing auf dem Gelände der Brennerei nutzen. Dazu gab es den obligatorischen FoL-Dram und für Kai ein Glencairn-Glas. Aber um es kurz zu machen: es gab bei jeder der 8 Brennereien auf Islay ein Glencairn-Glas für Kai. Manche sammeln Whisky, andere eben Gläser.

Wegweiser nach Bowmore und Ardbeg Friends of Laphroaig Laphroaig Brennerei

Weiter ging es zu Lagavulin. Ich wollte schauen, ob es dort 2 Tage nach deren Open Day noch eine Festival-Abfüllung für mich gab. Es waren noch etliche Flaschen übrig und ich konnte Kai davon überzeugen, dass das ein Tropfen sei, der gut in seine Glencairns passte. An diesem Tag gab es keine Führungen bzw. Tastings mehr, aber am nächsten Tag waren noch fast überall Plätze frei. Auf dem Rückweg zum Schiff diskutieren wir also, was wir noch alles machen wollten und wie mögliche Tastings in unsere Pläne passten. Bevor wir zurück gingen, wollten wir aber noch ein paar Fotos der Brennerei vom Pier aus machen. Leider durften wir nicht alleine auf das Gelände und kletterten daher für ein gutes Bild durch die Felsen am südlichen Ende der Lagavulin Bay.

Ortsschild von Lagavulin Lagavulin Brennerei Lagavulin Brennerei

Zwischen dem 4 km langen Fußweg zurück zum Schiff und dem für diesen Abend geplanten Ceilidh – kombiniert mit einem Nosing-Wettbewerb – gab es noch ein lecker Abendessen auf der „Flying Dutchman“. Gestärkt machten wir uns mit 3 anderen Schiffsgästen auf den Weg zur Ramsay Hall, die bereits mehr als gut gefüllt war. Beim Nosing-Wettbewerb ging es darum, 9 Insel(standard)drams und 2 New Makes durch ihren Geruch der entsprechenden Brennerei zuzuordnen. Mensch, was können einen die Sinne doch täuschen! Ich glaube, dass ich nicht mehr als 2 (zufällig) richtig zuordnen konnte. War aber nicht so schlimm, waren doch 3 Trost-Drams im Eintrittspreis enthalten. Positiv wurde mir dabei der Caol Ila 12yo in Erinnerung gebracht.

Nach dem Tasting und der Siegerehrung (der Gewinner hatte wohl auch „nur“ 5 Richtige) wurde der Saal umgebaut und für den Ceilidh vorbereitet. Kai und ich setzten uns ein wenig in den Hintergrund – man muss sein (Tanz-)Können ja nicht öffentlich zur Schau stellen. Leider brachen dem Mann, der sich vor mich setzte, die Stuhlbeine aus Metall weg und die Kante der Stuhllehne krachte gegen mein Schienenbein. Nicht sehr angenehm und ich hätte dringend etwas Medizin aus kleinen Plastikbechern brauchen können. Der Abend wurde dennoch lustig.

Später gab es zum Ausklang des Tages noch ein paar Drams aus der Schiffsbar, bevor wir uns verabschiedeten. Der nächste Tag konnte anstrengend werden, hatten wir doch zwischenzeitlich bei Lagavulin telefonisch ein Ambassador-Tasting für den Vormittag gebucht und wollten danach an Ardbeg vorbei bis raus zum Kildalton Cross gehen…

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