Mit Schrecken hatte ich feststellen müssen, dass meine letzte Reise nach Schottland schon 5 Jahre her war. Das musste ich ändern, und die diesjährigen Herbstferien boten sich dazu perfekt an. Der Sohn war die ganze Woche im Trainingslager gut untergebracht, und meine Frau hatte ihrem Patenkind ein langes Wochenende in Paris zur Konfirmation geschenkt. Neben diesen Gründen nicht alleine zu Hause rumsitzen zu müssen, gab es noch einen weiteren besonderen Grund: mein Faible für Caperdonich. Auch wenn es nur eine kurze Tour werden würde, ich freute mich darauf wie ein kleines Kind vor Weihnachten.
Während meinen Recherchen zur Geschichte der Brennerei Caperdonich hatte ich Kontakt zu Dennis Malcolm aufgenommen, der den größten Teil seines Lebens bei Glen Grant verbracht hatte und dort bereits 1961 als Lehrling in der Küferei begonnen hatte. Wer, wenn nicht er, konnte mir mehr über Caperdonich erzählen, als ich bisher mit meiner Online-Suche herausfinden konnte? Speziell ging es mir dabei um die Zeiten rund um das Jahr 1900 zum Ursprung von Caperdonich und um die Jahre nach 1965, als Caperdonich nach mehr als 60 Jahren im Dornröschenschlaf wieder in Betrieb genommen wurde. Und natürlich wollte ich auch ein paar Brennereien in und um Rothes besuchen, die ich bislang noch nicht besucht hatte, und mich an leckerem Whisky erfreuen.
Sonntagsmorgen ging es also mit gepacktem Koffer zum Flughafen, von wo mich Ryanair nach Edinburgh bringen sollte. Der Flug verlief relativ unspektakulär, wobei die Sicht auf die Lammermuir Hills kurz vor dem Anflug auf Edinburgh schon schön war. Ich muss allerdings anmerken, dass Ryanair nicht nur bei den Preisen für Flugtickets spart, sondern auch an der Beinfreiheit. Aber was nimmt nicht alles in Kauf, wenn man aufgrund von günstigen Zeiten für An- und Abflug knapp 2 Tage länger vor Ort sein kann.
Mein Koffer war schnell auf dem Gepäckband gefunden und der Mietwagen, ein Opel Corsa, kurz darauf in Empfang genommen. Ich fand es gut, dass der Verleiher nun scheinbar nicht mehr phantastisch hohe Benzinpreise verlangt, wenn man nicht selber auftanken möchte, sondern sich an realistischeren Literpreisen an lokalen Tankstellen orientiert. Das habe ich bei der Abgabe des Mietwagens gleich ausgenutzt, auch weil ich bei der Rückfahrt zum Flughafen die einzige Tankstelle übersehen und sowieso nur noch ein paar Tropfen Benzin im Tank hatte.
Als Quartier für die nächsten Tage hatte ich das Station Hotel in Rothes ausgesucht, weil das so praktisch mitten im Geschehen lag und ich wegen der doch recht niedrigen Promillegrenze in Schottland nicht überall mit dem Auto hin musste. Google hatte die Fahrzeit von Edinburgh nach Rothes mit knapp dreieinhalb Stunden angegeben, aber ich hatte von den letzten Touren in Erinnerung, dass diese Zeiten nördlich der Lowlands recht optimistisch sein können. Sie waren es diesmal erfreulicherweise nicht.
Also vor der Abfahrt einmal kurz durchatmen und die Visuomotorik grob auf den kommenden Linksverkehr einstellen. Die Straßen waren an diesem Sonntag glücklicherweise eher leer, was die Umgewöhnung deutlich erleichterte. Ein Corsa neueren Baujahres ist nur leider kein Auto für Schottland. Meiner hatte zwar Fenster, aber die waren so klein, dass ich von der wunderschönen schottischen Landschaft nur wenig sehen konnte. Eine schlankere A-Säule und weniger Technik am Rückspiegel hätten hier Wunder getan.
Doch wer nun glaubt, dass ein Auto neueren Baujahres auch neu aussieht, der täuscht sich. Innen stimmte das, doch habe ich wohl noch nie einen Mietwagen bekommen, der außen so verkratzt war wie dieser Corsa. Warum man einem Miet(klein)wagen im Linksverkehr Alufelgen verpassen muss, erschließt sich mir nicht wirklich. Die Autoskizze auf den Übergabezettel des Verleihers sah so aus, als ob ein Dreijähriger sich mit Buntstiften einmal so richtig ausgetobt hätte. Kreise und Kreuze überall. Ich habe um die 20 Fotos und einen Film vom Auto gemacht, um sicher zu gehen – als gebranntes Kind. Aber egal, das Ding brachte mich sicher von A nach B und wieder zurück.
Da die Fahrt am Ende aber kürzer war als geplant, hatte ich noch Zeit für einen Abstecher nach Strathisla. Ich hatte vorher gelesen, dass dort sonntags noch eine Führung um 16 Uhr angeboten wurde, was mir gut in den Plan passte. Preislich fand ich die Tour für 80 Minuten und 22 Pfund recht ambitioniert. Inhaltlich war es aber sehr interessant, nicht zuletzt weil unser Tour-Guide Karen ziemlich gut aufgelegt und trotz ihrer kurzen Zeit bei Strathisla sehr informativ war. Die Brennerei als solche gibt mit ihrer Geschichte und ihrem Ambiente natürlich einen gewissen Vorschussbonus für einen netten Besuch.
Nett war auch der Tasting-/Blendingraum, der sehr ansprechend ausgestattet war. Nicht so ansprechend fand ich die Auswahl der drei Drams, die wir verkosten durften (Strathisla 11yo, Chivas Regal 13yo Rye Cask, Royal Salute 21yo). Das war ein wenig so, als ob Strathisla keine ordentlichen Single Malts mehr hinbekommen würde. Nun ja, ich befand mich ja im „Home of Chivas“ (5 Jahre zuvor stand noch „Strathisla Distillery“ am Wagen vor der Tür), was sollte ich anderes erwarten – Markenbranding eben. Immerhin konnte ich die Drams versamplen und am Abend im Hotel in Ruhe genießen.
Die Brennerei als solche hat, wie schon geschrieben, sehr viel Charme. In langer Erinnerung wird mir sicherlich der „Vault“ gennante Teil von Warehouse No. 3 bleiben, den man neuerdings mit einem schmiedeisernen Gitter als „duty paid“ Bereich abgetrennt hatte. Die 1200 Pfund Eintrittspreis erschwerten mir zwar den Einlass ein wenig, aber es war wirklich toll gemacht, und ein privates Tasting dort bleibt einem bei den zur Verfügung stehenden Fässern – ich sah auch 3 Fässer von Caperdonich – bestimmt in noch längerer Erinnerung.
Auf dem Weg zum Station Hotel fuhr ich noch kurz für ein paar Schnappschüsse bei Glen Keith vorbei. Schade, dass hier keine regelmäßigen Touren angeboten werden. Ein Besuch ist nur in Verbindung mit einer Führung bei Strathisla möglich, für 250 Pfund pro Person. Auch das entspricht bei aller Liebe zum Produkt nicht unbedingt dem preislichen Rahmen, den ich für Brennereibesuche habe.
Generell habe ich den Eindruck mitgenommen, dass die Kosten für vernünftige Führungen in Brennereien in den letzten Jahren sehr angezogen haben. Es ist – wenigstens in der Speyside – schwierig, etwas unter 20 Pfund zu finden, wenn man etwas mehr als nur einen Reklamefilm sehen oder mehr als nur ein paar Drams probieren möchte. Die meisten Brennereien scheinen zu denken, dass der Preis die Qualität hebt. Das stimmt so nicht.
Das Station Hotel ist ebenfalls in der gehobene(re)n Preisklasse anzusiedeln. Das aber durchaus zu Recht. Mein Einzelzimmer war klein aber fein und das Personal überaus freundlich. Das Abendessen (Highland Beef Burger) war genauso wie das bestellte Lager von der Speyside Brewery sehr lecker. Nur zum satt werden war mir die Hauptspeise doch zu wenig. Und wenn ich als Vorspeise Scallops bestelle (mit Plural-S auf der Menükarte), würde ich für 15 Pfund schon gerne mehr als eine durchgeschnittene Kammmuschel auf dem Teller finden können.
Immerhin bekam ich an diesem Abend ein zweites Lager auf Kosten des Hauses, weil der neue Kellner sich beim ersten Versuch verzapft hatte und für britische Verhältnisse einfach zu viel Schaum im Glas war. Als Deutscher akzeptiert man sowas schon eher und nimmt kostenlosen Schaum billigend und dürstend in Kauf. Zum Burger gab es übrigens einen Benromach Peat Smoke. Der ist für mich aber sonst keiner Erwähnung wert.
Nach über 15 Stunden auf Achse war dann irgendwann die nötige Bettschwere erreicht und der Besuch vom „Spirit Safe“ des Hotels musste warten. Ich freute mich zu diesem Zeitpunkt eigentlich nur noch auf den nächsten Tag und mein Treffen mit Dennis Malcolm. Mit kleinem Bonus, wie sich noch zeigen sollte.