Caperdonich – das hässliche Entlein

Caperdonich Cask 7425 von 1972

Ja, ich gebe es zu. Ich trinke nicht nur Single Malts, ich sammle auch ein paar Besondere. Speziell die meiner Lieblingsbrennerei Caperdonich. Warum gerade Caperdonich? Am unbestreitbar fehlenden Flair dieses seit 2010 dem Erdboden gleich gemachten hässlichen Entleins liegt es sicher nicht. Auch der Ursprung von Caperdonich und ihre Geschichte sprechen nicht unbedingt dafür, ebenso wenig wie das Ende. Doch mir ist nicht unbedingt die Herkunft meines Glasinhaltes wichtig, mir geht um dessen Geschmack. Und hier hat diese Speyside-Brennerei einiges zu bieten. Wenn ich kurz auf das “Warum” antworten will, sage ich meist: Weil man nie genau weiß, was in der Flasche wirklich drin ist… wenn man nicht vorher schon probiert oder Tastingnotes gelesen hat. Naja, ich habe noch andere Ausreden Gründe. Vieles scheint möglich, und ich habe bisher noch nicht einmal die Spitze des Eisberges probiert.

Damit sei aber auch gesagt, dass nicht alles hervorragend schmeckt, was von Caperdonich in die Flasche kommt oder gekommen ist. Denn neben den mittlerweile fast legendären Abfüllungen, die zum Ende der 60er und am Anfang der 70er Jahre destilliert wurden, gibt es ja auch noch eine heftig zunehmende Anzahl von Caperdonich Single Malts aus den 90er Jahren. Diese erreichen nun langsam ihren geschmacklichen Höhepunkt und werden von unabhängigen Abfüllern nach und nach auf den Markt gebracht. Hierzu aber später noch mehr.

Zunächst eine Zusammenfassung der recht bewegten Geschichte von Caperdonich in einer Zeittafel:

JahrBesitzerStatus
1896J. & J. Grant"Gründung" als Glen Grant #2 von Major James Grant
(bzw. Kauf des Grundstückes und Beginn von Umbauarbeiten)
1898Start der Produktion
(1 Wash Still, 1 Spirit Still mit Kondensern)
1901Einstellung der Produktion
1923Genutzt als Mälzerei für Glen Grant
1952The Glenlivet &
Glen Grant Distilleries
Fusion von J. & J. Grant und George & J.G. Smith von Glenlivet
1964"Caperdonich Distillery Company" wird gegründet
1965Wiederaufnahme der Arbeit nach grundlegender Modernisierung
Füllung des ersten Fasses am 14. Mai
Produktionkapazität: ca. 1.800.000 Liter
Distillery Manager: Ernest "Ernie" Sherret
1966Erteilung der offiziellen Betriebserlaubnis am 28. Juli
1967Erweiterung durch 1 Set Stills und neue Washbacks
(2 Wash Stills, 2 Spirit Stills, 8 Washbacks)
1970The Glenlivet Distillers
(ab 1972)
Fusion von Glenlivet & Glen Grant Distilleries mit Longmorn Distillers
1974Umbau von Küferei und Fasslager
1978SeagramLeitung durch Chivas Brothers
1983Distillery Manager: Dennis Malcolm
1985Form der Stills wurde der alten Form von Glen Grant angepasst
1992Distillery Manager: Willie Mearns
1996Distillery Manager: Robert MacPherson
2001Pernod RicardÜbernahme von Teilen des Seagram Konzerns (39%)
2002Endgültige Schließung
(ebenso von Allt-á-Bhainne, Braeval, Benriach und Glen Keith)
Produktionkapazität: ca. 2.200.000 Liter
2009ForsythsVerkauf des Geländes an Forsyths

Glen Grant #2 – so der ursprüngliche Name von Caperdonich, da es sich hierbei offiziell nur um eine Erweiterung der Glen Grant Brennerei in der schottischen Kleinstadt Rothes handelte – wurde also zu einer Zeit geplant und errichtet, in welcher der Verkauf von Whisky richtig boomte. Der Bauplatz nahe der Schwesterbrennerei Glen Grant wurde nicht zufällig ausgewählt, da hinter der Brennereierweiterung eine bereits 1858 errichtete Eisenbahnlinie verlief. Hierdurch konnte man die beiden Teile der Brennerei gut mit Rohstoffen versorgen und fertigen Whisky versenden. Die Bahntrasse gab es noch bis spät in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts.

Caperdonich Distillery SignEs war natürlich auch kein Zufall, dass J. & J. Grant für beide Destillerien das gleiche Wasser verwendete (Caperdonich Well) und die Gerste beim gleichen Lieferanten einkaufte. Man wollte mit der neuen Brennanlage – deren Stills denen von Glen Grant ähnelten – eben die Qualität, den Stil und nicht zuletzt den Erfolg nachahmen können, den die bestehende Brennerei zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte.

Die berüchtigte “Whisky Pipe” zwischen den beiden Brennereien hat im Übrigen nichts damit zu tun, dass die Grants ihren Glen Grant “strecken” wollten oder ähnliches. Sie ist vielmehr einer Vorschrift der britischen Steuerbehörden geschuldet, wonach New Make, der in einer Brennereierweiterung produziert wird, durch den Spirit Safe der Hauptbrennerei fließen musste. Das Rohr wurde zwar erst in den 80er Jahren abgebaut, genutzt wurde sie jedoch nur bis 1901.

Doch wie das Schicksal so spielt, traf die Pattison-Krise noch im Jahr der Eröffnung von Glen Grant #2 die Whiskybranche hart. Diese ist benannt nach den Brüdern Robert und Walter Pattison, die in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts auf Whisky setzten und damit begannen, diesen zu blenden, intensiv(st) zu bewerben und zu verkaufen. Die Geschäfte der Pattisons liefen 10 Jahre lang mehr als gut und mit ihren Überzeugungskünsten schafften die beiden es, dass Banken und Aktienanleger hunderttausende Britische Pfund investierten. Zu den besten Zeiten gaben die Pattisons für eine Werbekampagne genauso viel Geld aus, wie es damals gekostet hätte, eine neue Brennerei zu bauen.

Die Krise kam und nur wenige Jahre nach ihrer Eröffnung waren deren Folgen ein Grund für das Ende von Glen Grant #2. Erschwerend kam hinzu, dass man bei Glen Grant nie wirklich mit der Qualität des Destillates aus der Brennereierweiterung zufrieden war. Obwohl die Rohstoffe die gleichen waren, zeigte dessen Geschmack deutliche Unterschiede zum Original. Das lag sicherlich zum einen an der abweichenden Form der Brennblasen, zum anderen aber auch daran, dass man bei Glen Grant das Destillat aus dem einen der zwei Blasenpaare mit Worm Tubs (Kondensationsspiralen, die es in der Erweiterung nicht gab) kühlte.

Für die nächsten Jahrzehnte war Glen Grant #2 also dazu verdammt, zunächst als Ersatzteillager für die ältere Schwester und später auch als Reserve-Mälzerei zu dienen. Kein schönes Leben. Doch nun zeigte es sich, dass es bei der Planung von Glen Grant #2 eine weise Entscheidung war, die Produktionsspezifikationen von Glen Grant weitgehend übernommen zu haben.

Caperdonich DistilleryEin Wendepunkt in der Geschichte von Caperdonich war das Jahr 1961, als Armando Giovinetti Rothes besuchte und mit 50 Kisten 5-jährigem Glen Grant im Gepäck zurück nach Italien fuhr. Giovinetti machte Scotch Whisky und speziell den von Glen Grant in den folgenden Jahren in Italien so populär, dass sich die damaligen Besitzer von Glen Grant, Glenlivet & Glen Grant Distilleries Ltd., Gedanken über eine Produktionserweiterung machten mussten.

Um den steigenden Bedarf decken zu können, wäre eine Erweiterung der Produktion auf dem Gelände von Glen Grant unwirtschaftlich gewesen. Hier war die Platz raubende Mälzerei immer noch in Betrieb. Die Wiederaufnahme der Produktion bei Glen Grant #2 war am Ende günstiger.

Managing Director für die beiden Brennereien war damals Major Douglas MacKessack, ein Ur-Enkel des Glen-Grant-Gründers James Grant. Unterstützt wurde er ab 1959 von Hugh Mitcalfe, seinem Schwiegersohn. Hugh Mitcalfe war allerdings nicht nur Schwiegersohn sondern vor allem Pioneer in Sachen Whiskymarketing. Er legte mit seinen Kontakten zu beispielsweise Armando Giovinetti den Grundstein dafür, dass Glen Grant in den 1970ern eine halbe Million Kisten Single Malt alleine in Italien verkaufte. Zu Beginn der 60er Jahre stand man jedoch noch vor dem Luxusproblem, dass der Whisky, den Glen Grant nun als Single Malt verkaufen konnte, als Beilage zu Blends nicht mehr zur Verfügung stand. Da Blends aber auch bedient werden wollten/sollten, wurde also die stillliegende Brennerei von der anderen Straßenseite wiederbelebt.

Leider verbot ein Steuergesetz in Großbritannien den Vertrieb von Whisky aus zwei Brennereien unter dem gleichen Namen. Zur Neueröffnung gab man der neuen (alten) Brennerei also den heute bekannten Namen Caperdonich (Link zur Aussprache). Am 14. September 1964 wurde offiziell die “Caperdonich Distillery Company Ltd.” unter der Firmennummer SC040951 registriert. Und am 2. April 1965 erteilte der zuständige Steuerbeamte aus Inverness eine vorläufige Brennerlaubnis für die Caperdonich Distillery, nachdem in der Woche zuvor bereits ein paar “Brennversuche” mit reinem Wasser unternommen wurden. Damit wollte man sicher stellen, dass die Anlage frei von Lecks war. Die endgültige Betriebserlaubnis, auch für die Nutzung eines neuen Lagerhauses, folgte am 28. Juli 1966.

Die Namensgebung der Brennerei erfolgte damit auf keinen Fall erst 1977, als die ersten Single Malts in Flaschen kamen (abgefüllt von Cadenhead). Bis dahin ging der Whisky ja nur in Blends unter und brauchte eigentlich keinen eigenen Namen. Das bestätigte auch Dennis Malcolm, Master Distiller bei Glen Grant und mit ein paar Unterbrechungen seit über 50 Jahren dort beschäftigt. Unklar war nach der Wiedereröffnung nur, ob die Abfüllungen auch den Namen der Brennerei tragen sollten, da die “Caperdonich Distillery Company Ltd.” als “dealers, brokers and agents for whisky, wines etc.” eingetragen war, nicht als produzierender Betrieb.

Mehr Informationen über den Neuanfang von Caperdonich gibt es hier: Caperdonich – die Auferstehung

Interessant ist auch der oft fehlgeschlagene Versuch, den neuen Namen der Brennerei zu übersetzen. Er stammt zunächst vom gälischen Wort einer nahe gelegenen Wasserquelle, die der Namensgeber ist: Tobar Domhnaich (das Prozesswasser kommt im übrigen aus dem “Back Burn”, nicht dem “Black Burn”). Da die genaue Schreibweise dieses gälischen Namens jedoch nicht mehr eindeutig zu bestimmen ist, ist die Übersetzung umstritten. Die meisten sind für die “geheime Quelle” (secret well), andere – wie die Führungsriege von Glen Grant – übersetzen es mit “Sabbath Well”. Auf dem rückseitigen Etikett der einzigen Originalabfüllung aus alter Zeit übersetzen die Macher den Namen mit “secluded spring”, also “abgelegene Quelle”. Die wohl beste Übersetzung, unter anderem auch so von alten Ordnance Survey Name Books angeboten und darin erläutert, ist allerdings “Sonntagsquelle” (Sunday well).

Wie auch immer. Nachdem 1964 die Neueröffnung beantragt war, produzierte Glen Grant #2 alias Caperdonich ab 1965 nach einer sehr gründlichen Modernisierung wieder Whisky. Ernest “Ernie” Sherret war der erste Distillery Manager von Caperdonich, bevor er 1969 zusätzlich Glen Grant übernahm. Knapp 1,8 Millionen Liter Alkohol (= 7800 Gallonen pro Woche) konnten bei Caperdonich im ersten Jahr gebrannt werden. Das war aber nicht genug. 1967 wurde die Produktion erweitert. Es wurde ein neues Gebäude für weitere Gärbottiche gebaut und die Produktion weitgehend automatisiert. So konnte man den Brau- und Destillierbetrieb mit nur 2 Arbeitern von 2 Konsolen aus kontrollieren, obwohl die theoretische Produktionskapazität durch jeweils eine neue Wash Still und eine neue Spirit Still nahezu verdoppelt wurde. Und dennoch konnte man bis 1971 immer noch ein Drittel des Malzes von der gegenüber liegenden Straßenseite beziehen. Das restliche Malz wurde von Robert Hutchison & Co. aus Kirkaldy und anderen Mälzereien hinzugekauft. Danach gingen die Mälztrommeln, die Major Grant schon 1898 bei Glen Grant installieren ließ, in Rente. Es gab damals also weder Gerste noch Torf auf dem Gelände von Caperdonich.

Caperdonich StillsSeit 1967 wurden die Stills zudem durch Dampf beheizt, womit man gegenüber Glen Grant und anderen Brennereien in Schottland etwa ein Jahrzehnt technischen Vorsprung gewann. Die Wash Stills hatten eine zylindrische Halsaufweitung und ähnelten damit sehr den kleineren Brennblasen von Glen Grant, auch wenn sie 360 Liter weniger Inhalt aufnehmen konnten. Die Spirit Stills hatten im Gegensatz zu denen von Glen Grant eine kugelförmige Kondensatzone, was zum Teil auch den ein wenig abweichenden Geschmack von Caperdonich erklären könnte. Allgemein gilt Caperdonich zwar als leichter und fruchtiger Whisky, er wird jedoch auch als etwas “kantiger” beschrieben als der von Glen Grant.

1970 fusionierten dann The Glenlivet & Glen Grant Distilleries mit Longmorn Glenlivet Distillers und dem in Edinburgh ansässigen Blender Hill Thomsom & Co. Der Name “The Glenlivet Distillers Ltd.” wurde erst 1972 eingeführt. Zur Familie um Caperdonich mit Glen Grant und The Glenlivet gesellten sich damit noch Longmorn und Benriach. Das neue Konsortium hatte nun auch die wichtigen Funktionen unter einem Dach, die für Produktion und Vertrieb von Whisky wichtig sind, inkl. Blender und Abfüllanlagen.

Anmerkung:
“Glenlivet” war seinerzeit sowohl der Name der heute bekannten Brennerei, es beschreibt aber genauso die geografische Lage von Brennereien im Tal des Flusses Livet, dem Glenlivet, mit dem einige Brennereien der Gegend sowie ein paar unabhängige Abfüller für ihr Produkt warben und es heute noch tun. Den Unterschied macht(e) offiziell das Wörtchen “The”, das dem Glenlivet vorangestellt wird, wenn es um die Brennerei geht.

Seagram übernahm am 31. Januar 1978 als weltweit größter Hersteller alkoholischer Getränke seiner Zeit The Glenlivet Distillers, für die man zuvor stattliche 47.000.000 Pfund geboten hatte. Der Verkauf von Glen Grant und Caperdonich war ökonomisch notwendig, um weiter wachsen und konkurrenzfähig bleiben zu können. Es wurde vereinbart, dass die Managementstrukturen kurzfristig beibehalten werden sollten. Mit Seagram, genauer gesagt der britischen Tochter des kanadischen Unternehmens, hatte man einen Käufer gefunden, der zugleich der beste Kunde der Brennereien war.

Das dürfte in etwa dem Zeitpunkt entsprechen, zu dem die Küferei von Glen Grant und Caperdonich mit ihren 11 Mitarbeitern um den altgedienten Allan Clark herum (seit 1928 bei Glen Grant) geschlossen wurde. Man muss aber auch sagen, dass die Küfer in den Jahren zuvor keine neuen Fässer mehr gebaut haben, sondern “nur” noch Fässer von Blendern und Abfüllern inspiziert und repariert haben. Es lohnte sich eben nicht mehr.

Obwohl 1977 auch die ersten Single Malts abgefüllt wurden, verwendete Seagram die gereiften Destillate von Caperdonich fast ausschließlich in den Blends Chivas Regal, Queen Anne, Passport und Something Special (später (2021 in Batch 7) auch im Blend “Black Bull” von Duncan Taylor). Möglicherweise war die Qualität des Whiskys von Caperdonich in dieser Zeit nur durchschnittlich, so dass man ihn als Single Malt nicht offiziell vermarkten wollte. Das könnte auch der Grund dafür gewesen sein, dass sich Seagram 1985 dazu entschloss, die Form der Stills denen von Glen Grant anzupassen.

Brennereiabfüllungen als Single Malt gibt es daher auch nicht viele, so man denn die in den letzten Jahren in schöner Regelmäßigkeit (und mit stark steigenden Preisen) erschienenen Abfüllungen von Chivas Brothers, dem heutigen “Verwalter” der schottischen Brennereien im Namen des Mutterkonzerns Pernod-Ricard und alleinigem Aktionär der 600 Anteile der Caperdonich Distillery Company Ltd., nicht mitzählt. Vor der Übernahme von Caperdonich durch Seagram sollte generell nur ein kleiner Prozentsatz des Destillates als Single Malt abgefüllt werden. Es wurden meines Wissens am Ende nur zwei hauseigene Abfüllungen:

  • ein 5yo, der Ende der 70er Jahre für den italienischen Markt abgefüllt wurde, sowie
  • ein 12yo, der wohl zeitgleich abgefüllt aus der Sammlung von Edoardo Giaccone stammt
     (ich kenne davon allerdings nur eine Miniatur mit der Nummer 121)

Alle anderen Abfüllungen von Single Malts lagen und liegen in Fässern, die an unabhängige Abfüller verkauft worden sind. Die Lagerung erfolgt(e) sowohl in ehemaligen Bourbonfässern als auch in Sherryfässern. Vereinzelt kommen nun auch Abfüllungen mit Finish (zum Beispiel in einem Rumfass von Alambic) auf den Markt.

Caperdonich Spirit SafeDas Ende von Caperdonich kam 2002, nachdem der schottische Teil von Seagram im Dezember 2000 durch Diageo bzw. Pernod-Ricard übernommen wurde (die Übernahme wurde im Mai 2001 von der Europäischen Kommission abgesegnet). Der Handel kostete die beiden Konzerne zusammen ungefähr 5,5 Milliarden Britische Pfund, wovon Pernod-Ricard 39% übernahm und damit insgesamt 9 schottische Brennereien in sein Portfolio aufnehmen konnte: Allt-à-Bhainne, Benriach, Braeval, Glen Keith, Glen Grant, Glenlivet, Longmorn, Strathisla und eben Caperdonich.

Unter den neuen Besitzern produzierte Caperdonich jedoch nur noch ein paar Monate. Obwohl Pernod-Ricard im Rahmen der Übernahme dafür gebürgt hatte, dass keine Arbeitsplätze verloren gehen würden, stand eine erneute Produktionsaufnahme scheinbar nicht zur Diskussion. Alan Winchester, jahrelang bei Chivas Brothers beschäftigt, erklärte einmal, dass Caperdonich zum Einen zu klein war, und dass nach der Übernahme zum Anderen etliche Teile der Produktionsausrüstung wie zum Beispiel die Verdichter in anderen Brennereien des Konzerns installiert wurden. Caperdonich wurde wieder zu einem Ersatzteillager.

Die Brennerei besaß bei ihrer endgültigen Schließung einen Maischbottich (mash tun) aus Edelstahl mit einer Kupferkappe, in den 4,6 Tonnen Maische passten. Die 8 Gärbottiche (wash backs, 2 aus Edelstahl, 6 aus Gusseisen) fassten jeweils 23.000 Liter. Die 2 Wash Stills waren jeweils 11.500 Liter groß, die 2 Spirit Stills jeweils 8.000 Liter. Sie wurden zu diesem Zeitpunkt indirekt mit Strom beheizt. Caperdonich konnte damit etwa 2.200.000 Litern Alkohol im Jahr produzieren.

Letztendlich verkaufte Pernod-Ricard nach vielen Jahren des Stillstands im Jahre 2009 das Brennereigelände an einen Nachbarn, die bekannte Kupferschmiede aus der Speyside, Forsyths. Diese machten Teile der Gebäude von Caperdonich 2010 dem Erdboden gleich und nutzen das Gelände unter anderem als Außenlager, auch zur mittelfristigen Aufbewahrung der technischen Ausstattung von Caperdonich. Richard Forsyth bezifferte die Kosten für den Abriss von Caperdonich in einem nachfolgenden Interview im Whisky Magazine auf 300.000 britische Pfund. Nur zwei Lagerhäuser werden heute immer noch genutzt.

Von der noch vorhandenen Produktionsausrüstung wurden 2013 – auf Hinweis von Jim McEwan, seinerzeit bei Bruichladdich beschäftigt – zwei modernisierte Brennkessel sowie der Spirit Safe an die Brennerei The Belgian Owl nach Lüttich verkauft, um deren alte Alambic-Kessel aus der Schweiz zu ersetzen. Zusammen mit der Mash Tun von Caperdonich produziert das andere Paar Stills das Destillat in der neuen Falkirk Distillery. Schön, dass aus dem ursprünglichen Plan von Forsyths die 4 Stills einzuschmelzen nichts geworden ist. Die alte Porteus Getreidemühle von Caperdonich arbeitet seit 2014 in der neuen Annandale Brennerei und drei der Washbacks sowie ein paar Kleinteile (wie Eichenschienen, auf denen Fässer gerollt werden) tun ihren Dienst nun in der nördlichsten Brennerei des schottischen Festlandes, der Wolfburn Distillery.

Die Single Malts von Caperdonich haben in der Allgemeinheit nie auch nur annähernd den Ruf der Single Malts von Glen Grant erreichen können. Der endgültige Verlust dieser Brennerei könnte für viele Whiskytrinker sogar komplett unbemerkt bleiben. Und der Abriss von Caperdonich war nicht einmal der lokalen Presse ein paar Zeilen wert. Caperdonich wurde wirklich wie ein hässliches Entlein behandelt und vermarktet.

Nur warum gebe ich mich mit einer beerdigten Kopie zufrieden, wenn ich doch das “bessere” Original Glen Grant haben kann? Weil das Thema “Kopie” vielleicht zu Zeiten galt, in denen Caperdonich noch “Glen Grant #2” hieß. Nach der Wiedereröffnung 1965 und speziell nach der Übernahme durch Seagram 1977 gingen die beiden Brennereien mehr und mehr geschmacklich getrennte Wege. Das war notwendig, da Seagram/Chivas ja passende Malts für seine Blends kreieren musste.

Darüber hinaus zeigten sich die Besitzer im Laufe der 90er Jahre sogar recht experimentierfreudig. Irgendwann um 1993/1994 herum begann man bei Caperdonich damit, mit Destillaten auf Basis von rauchigem Malt zu experimentieren. Mittlerweile haben sowohl Chivas Brothers als auch einige unabhängige Abfüller Single Malts in Flaschen gefüllt, deren Raucharoma sich nicht hinter dem von Single Malts von Islay verstecken muss. Wenn das nun ein wenig nach “wer hat den Längsten” klingt, möchte ich gerne hinterher schieben, dass rauchige Abfüllungen von Caperdonich (mir oft) sehr gut schmecken.

Single Malt Whisky Caperdonich 12yo Cadenhead 1965Die ältesten verfügbaren Drams stammen noch aus dem Jahr der Neueröffnung (1965) und wurden von William Cadenhead Ende der 70er Jahre in den bekannten bauchigen (“dumpy”), braunen Flaschen abgefüllt. In den folgenden zwei Jahren wurde das Destillat u.a. für spätere Abfüllungen von Douglas Laing (“Rare & Old” Serie) und von Signatory Vintage produziert. Im Jahr 1968 entstand dann der Rohstoff für mindestens 53 Single Malts, zumeist von Duncan Taylor und Gordon & MacPhail. 1969 und 1970 ging es bei Caperdonich scheinbar wieder etwas stiller zu, wobei aus dem Jahr 1971 gar keine Abfüllung bekannt ist. Aus dem Destillationsjahr 1972 (ist ein phantastischer Jahrgang, nicht nur für Whisky…) hingegen stammen meiner Zählung nach satte 80 Abfüllungen diverser Anbieter, mehr als die Hälfte davon von Duncan Taylor. Zwischen 1973 und 1976 war nochmals eine magere Zeit für unabhängige Abfüller, die 1975 wieder mal gar keinen Tropfen New Make ergattern konnten. Cadenhead hat sich dann im Jahr 1977 noch ein paar Fässer der letzten Produktion unter der alten Führung sichern können.

Unter Seagram bzw. Chivas gab es dann ein weiteres Jahr Pause, man steckte wohl jeden Tropfen in die hauseigenen Blends. 1979/80 erhielten dann Gordon & MacPhail, die Scotch Malt Whisky Society (SMWS) und Signatory Vintage wieder ein paar Fässer. Bis zum Jahr 1990 sind dann nur noch vier Fässer aus dem Jahr 1982 an Douglas Laing und Gordon & MacPhail gegangen und es wurde 1988 für die Chivas Cask Strength Edition und für Morrison & MacKay destilliert. Erst ab 1991 wurden wieder Fässer freigegeben – und das mit 217 bis heute erschienenen Abfüllungen nicht zu knapp. Die jüngsten Destillate auf dem Markt stammen mittlerweile aus dem Jahr 2002. Die folgende Grafik verdeutlicht das stetige Auf und Ab. Doch all das liegt für mich schon in der “neuen” Zeit von Caperdonich.

Abfüllungen von Caperdonich pro Jahr

Damit wie schon angekündigt nun noch einmal zurück zu den neueren Destillaten. Wirft man einen Blick auf die Mitgliederbewertungen von Caperdonich-Abfüllungen in der Whiskybase (ich zweifle die Aufrichtigkeit dieser Bewertungen der Einfachheit Halber mal nicht an…), findet sich nur eine Handvoll Single Malts mit mehr als 89 Punkten, die nach 1972 destilliert wurden. Hingegen liegt die Durchschnittsbewertung aller Abfüllungen im Bereich bekannter und beliebter Destillerien wie Macallan, Glenglassaugh, Balvenie und der alten Schwester Glen Grant. Die Vermutung liegt nahe, dass die älteren Abfüllungen den aktuellen Zeitgeist etwas besser treffen als die neueren… ohne dass ich damit ausdrücken möchte, dass die neueren generell schlechter sind!

Doch woran mag dieser Unterschied liegen? Die kurze Antwort: keine Ahnung. Wurden geschmackliche Veränderungen eventuell durch geänderte Auswahlkriterien in Bezug auf Rohstoffe ausgelöst? Möglich, denn immerhin musste der Whisky gut in die firmeneigenen Blends passen. Wurde der Brennprozess verändert? Im Zuge kleinerer, nicht öffentlich dokumentierter technischer Verbesserungen über die Jahre ist das sehr wahrscheinlich. Wurde der Whisky anders gelagert? Definitiv, alleine schon wegen allgemein nachteiliger Veränderungen der Holzqualität wird das so sein.

Caperdonich nach dem AbrissMir ist das ja im Prinzip egal. Caperdonich ist Geschichte und lebt durch die noch auf dem Markt verbliebenen Fässer und Flaschen weiter. Und sicherlich auch durch Blogbeiträge wie diesen. Ich würde mich allerdings sehr freuen, wenn die verbleibenden Fässer jetzt nicht einfach mit jungem Alter auf den Markt gespült werden, um noch ein paar schnelle Euros (Pfunde) zu machen. Es wäre doch schön, wenn man in 15 oder 20 Jahren noch Neuabfüllungen von Fässern vom Ende der 90er Jahre kaufen könnte, um diese mit den dann gleich alten und hochgelobten aktuellen Abfüllungen vom Anfang der 70er Jahre vergleichen zu können.

Träum weiter? Ja, mache ich. Und wenn ich in 20 Jahren immer noch an diesem Blog schreibe, verspreche ich, dass ich über meine Verkostungen an dieser Stelle berichte. Eine letzte Flasche vom Anfang der 70er Jahre wird bis dahin bestimmt überlebt haben.

Bildnachweise:
Titelbild: Ernst J. Scheiner von The Gateway to Distilleries
Spirit Safes: Wave vom Whiskymag-Forum
Außenaufnahme von 2011: Google Street View
Andere Bilder: Thomas Backens von Whisky-Web.info

Vielen Dank an Euch, dass ich die tollen Bilder hier verwenden darf!

4 Gedanken zu “Caperdonich – das hässliche Entlein”

  1. Eberhard Kaiser

    Hallo Stefan,
    vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel über Caperdonich,
    2012 war ich bei Forsyth auf dem Firmengelände und durfte die noch vorhandenen Stills fotografieren,
    falls Du interessiert bist stelle ich Dir gerne das Foto zur Verwendung zur Verfügung.

    Herzliche Grüße!
    Eberhard

    1. Hallo Eberhard,
      Danke für die Blumen und… ja, sehr sehr gerne 🙂 Vielen Dank für das Angebot!
      Du kannst sie an meine Mailadresse schicken, die im Impressum steht (ganz unten auf der Seite).
      Gruß, Stefan

  2. Guten Tag
    Gratulation zu dieser tollen Seite und den spannenden Beiträgen. Wir eröffnen im Dezember eine Bar und bieten unter anderem auch Whiskey an. Dürfen wir von unserer Hompage auf Ihre Einträge verlinken und so den Gästen mehr Hintergrundinformationen liefern, die Sie vorzüglich zusammengetragen haben?
    Besten Dank für Ihren Bescheid im Voraus.
    Mit freundlichen Grüssen
    ArcherBar

    1. Aber klar.
      Und viel Erfolg mit der Bar!

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