Entweder man liebt ihn oder man hasst ihn: den Rauch in seinem Whisky. Dazwischen gibt es wohl keine Mischungen aus Schwarz und Weiß. Aussagen vom schlichten ‘Bah!’ über ‘an einem Aschenbecher lecken’ und ‘je rauchiger, desto besser’ bis hin zu ‘das ist doch das Beste am Whisky’ lassen sich den mehr und weniger geneigten Whiskytrinkern zu diesem Thema entlocken. Der Torf bzw. der Rauch, der aus dem abbrennenden Torf das Malz trocknet, ist in einem Whisky sicherlich das hervorstechendste geschmackliche Merkmal – und polarisiert mehr als andere Aromen.
Torf besteht grundlegend aus natürlich kompostierten und komprimierten Überresten von Moos, Heide, Blättern, Zweigen, Gräsern oder anderer organischer Bestandteile und ist damit der Vorläufer der Kohle. Er kommt meist in niederschlagsreichen und feuchten Gegenden vor. Torf wurde in Irland und Schottland bereits vor Jahrhunderten als Brennstoff zum Kochen oder zur Erwärmung von Behausungen verwendet. Die torfigen Gegenden entstanden dort vor etwa 5000 Jahren und viele davon sind heute mehr als 6 Meter tief. Bei der derzeitigen Abbaumenge von Torf durch Destillerien sind sich die Experten sicher, dass die Quellen trotz des langsamen Wachstums der Torfmoore nie versiegen werden.
Global gesehen spielt die Nutzung von Torf zur Herstellung von Whisky also keine Rolle. Kanada, Russland oder Finnland sind hier Länder, in denen Torf reichlich vorkommt und durch Verbrennung auch in großem Stil zur Produktion von Energie genutzt wird. Darüber hinaus wird er aber auch zur Filterung von Wasser oder in der Landwirtschaft zur Verbesserung der Bodenqualität verwendet.
Nutzt man Torf zur Herstellung von Whisky, sollte man wissen, dass Torf nicht gleich Torf ist und damit Whiskys verschiedener Regionen anders beeinflusst werden – so man davon ausgehen will, dass zwei Destillerien ihr Malz nicht gerade von der gleichen Großmälzerei nach den gleichen Spezifikationen beziehen. Torf aus den Highlands besteht häufig aus Resten von Laubpflanzen, ist leicht, trocken und fest, kann jedoch mit den Fingern einfach zu Pulver zerdrückt werden. Islay-Torf ist hingegen schwer, feucht, dunkel und durch den hohen Anteil an Seegräsern, Algen und Meerwasser recht salzig. Torf der Lowlands ist wiederum eher leicht, etwas heideartig und gibt eher fruchtige Aromen an den Whisky weiter. Darüber hinaus beeinflussen jedoch auch Aspekte wie Stechtiefe, Alter und Farbe den Charakter des Torfs.
Torf wird über Tage je nach Witterung zwischen Mai und Juni gestochen. Zunächst wird der Bewuchs des Torfmoores und die oberste Wurzelschicht stückweise abgetragen und auf zuvor bereits abgeerntete Stellen gelegt. Das eigentliche Stechen der feuchten Torfsoden erfolgt mit einer Art Spaten, dem Stieker, der recht schmal und lang und abgekantet ist. Die Soden haben einen Querschnitt von etwa 15 mal 15 cm und häufig eine Höhe zwischen 50 und 60 cm. Schnelle Stecher (‘tschuldigung, konnte mir das Wortspiel nicht verkneifen) können am Tag bis zu 1000 Torfstücke stechen. Natürlich gibt es für den großflächigen Abbau von Torf auch Maschinen, die einem das Leben etwas vereinfachen. Traditionell wird der Torf für den Whisky aber manuell gestochen, bevor er für die weitere Verwendung über mehrere Monate an der frischen Luft getrocknet wird. Hierbei schrumpfen die Torfstücke in jeder Richtung etwa um die Hälfte.
In der Whiskydestillerie werden die Torfstücke dann wie bereits erwähnt in den Kilns verbrannt und die entstehende Wärme zur Trocknung der gemälzten Gerste eingesetzt – um bei dem traditionellen Bild zu bleiben. Als bis vor 50-60 Jahren eine Vielzahl an Destillerien ihr Malz noch in kleinem Stil selber darrte, war die Hauptwärmequelle hierfür tatsächlich Torf und alle Whiskys hatten einen typischen Rauchgeschmack. Heute setzen Mälzereien zur Erzeugung der notwendigen Wärme in der Regel Öl oder Gas ein und mischen den Torf nur für die Aromen bei. Erst seit dieser Zeit gibt es nicht-rauchige Single Malts. Der technische Vorteil in dieser Heizquelle liegt in der Möglichkeit, Trocknungszeit und Trocknungstemperatur des Malzes präziser bestimmen zu können.
Prinzipiell ist es aber so, dass das Malz durch den Rauch, der bei der Verbrennung freigesetzt wird, dann einen charakteristischen Geschmack erhält. Geht man an dieser Stelle wirklich ins Detail, kann jedoch auch das Wasser, das von einer Destillerie zum Maischen verwendet wird, torfige Einflüsse besitzen, wenn es auf dem Weg zur Destillerie die Torfmoore fließt. Diese sind dann nur nicht rauchiger Natur.
Doch auch wenn man sich heute mehr auf die Technik verlassen kann, kommt es beim korrekten Trocknen und Räuchern des Malzes nicht zuletzt auf die Erfahrung des Heizers an, um die Vorgaben der Destillerien erfüllen zu können. Da man hier eher am Rauch und nicht so sehr an der Flamme interessiert ist, spielt die Mischung aus trockenem und feuchterem Torf genauso eine Rolle, wie die Höhe der gestapelten Torfschicht im Ofen oder die Regelung der Luftzufuhr. Bedenken sollte man, dass ein typischer destillerieeigener Kiln etwa eine Tonne Torf pro Trocknungstag verschlingen kann.
Der Vorteil vom Trocknung des Malzes durch Torf liegt jedoch nicht nur in den Aromen, die der Rauch des Torfs an die Malzkörner abgibt. Die gemälzte und getrocknete Gerste ist hierdurch auch länger haltbar, da Bakterien der Nährboden entzogen wird. Und nicht zuletzt soll hierdurch die Ergiebigkeit des Malzes erhöht werden, wobei man also mehr Liter puren Alkohol aus einer Tonne Malz erhält.
Viele Whiskys sind getorft. Manche mehr, manche weniger. Oder sollte man nun besser ‘geräuchert’ sagen? Der Grad des Einflusses vom Torfrauch auf den Geschmack des Whiskys wird in parts per million (ppm) von im Whiskys enthaltenen Phenolen gemessen. Hierzu muss man allerdings wissen, dass der Rauchgehalt eines Whiskys nicht unbedingt vom geräucherten Torf kommen muss, sondern auch durch Reaktionen mit dem Eichenholz bei der Lagerung im Fass entstehen kann – wenn auch in geringerem Maße. Auf die Chemie hinter dem Begriff ‘Phenole’ gehe ich aber hier nicht ein. Das überlasse ich lieber einem Chemiker, der davon mehr Ahnung haben dürfte als ich.
Kaum getorfte Whiskys haben einen Phenolgehalt von unter (ca.) 5 ppm, wie zum Beispiel bei Glenlivet der Fall ist. Ein mittel-rauchiger Whisky wie ein Highland Park (bevorzugt übrigens Torf mit viel Heidekraut und Wurzeln) liegt irgendwo bei 10 bis 20 ppm. Ein Whisky mit starkem Raucharoma bewegt sich in der Gegend um die 40 ppm und aufwärts. Letztere sind häufig auf der Isle of Islay gebrannt und kommen dort aus den Destillerien Lagavulin, Laphroaig oder Ardbeg. Den höchsten Phenolgehalt hat jedoch aktuell der Octomore 5.1 von Bruichladdich mit auch für Genießer harten 169 ppm.
Doch Achtung: Der Gehalt von Phenolen bzw. der Rauchigkeit eines Whiskys in ppm wird entgegen landläufiger Meinung nicht am gereiften Produkt gemessen. Er wird stattdessen noch vor der Destillation am getrockneten Malz bestimmt. Was dem Grundprodukt eines Octomore oder eines Supernova von Ardbeg danach widerfährt, wird hiermit nicht berücksichtigt. Dabei beinhaltet ein Destillat nur noch etwa 30 bis 70% der Phenole vor der Destillation und weitere Phenole gehen bei der Lagerung im Holzfass verloren. Verständlich ist diese Messmethode nichtsdestotrotz, da die Brennerei sich so darauf verlassen kann, dass das Endprodukt auf einer definierten Basis gebrannt wurde.
Durch die eingangs schon beschriebenen unterschiedlichen Vorlieben im Geschmack der Verbraucher haben in den letzten Jahren Destillerien immer wieder versucht, ihre Produktpalette zu erweitern, um auch dem anderen Extrem einen geeigneten Whisky anbieten zu können. So brachte Ardbeg den ‘Blasda’ auf den Markt, Caol Ila einen ‘Unpeated’, Bunnahabhain den rauchigen ‘Toiteach’ und bei Tobermory gibt es seit vielen Jahren bereits die rauchige Schwestermarke Ledaig.
Man muss also auch in der Whiskybranche die (Rauch)Zeichen der Zeit deuten können…
Mittlerweile hat der neueste Octomore 6.3 mit 258ppm den höchsten Phenolgehalt. Ob da noch mehr geht?
Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, warum der Octomore 6.3 das Ende der Fahnenstange darstellen sollte. Sicher, er hat die Messlatte recht hoch gelegt, aber das hat man früher auch schon gesehen, wie beim Wettrennen um das stärkste Bier zwischen den Schotten von ‘Brewdog’ und den Bayern von ‘Schorschbräu’. Es muss sich nur jemand finden, der meint, dass er es besser kann. Ardbeg wird das aber wohl nicht mehr sein.