Die Reifeprüfung

Reifung von Whisky ist ja immer so eine Sache für sich. Nach internationalen Regeln muss ein Destillat mindestens 3 Jahre in Eichenholzfässern reifen (müssen es eigentlich Fässer sein?), bevor es sich Whisky nennen darf. In dieser Reifeprüfung geht es daher nicht um einen Whisky. Es geht auch nicht um ein Destillat, das in Eichenholz gelagert wurde. Ganz im Gegenteil, das Holz war im Whisky. Wie aber reift so ein Whisky? Ich habe eine Reifeprüfung gemacht.

Der aufmerksame Leser wird sich erinnern, dass ich vor 2 Jahren schon einmal über ein New Make aus Dänemark geschrieben habe, das in der Flasche zusammen mit einem Stab aus europäischer Eiche reifte, der aus einem Fass herausgeschnitten wurde, in dem vorher französischer Wein lagerte. Die Links zu meinen damaligen Notes könnten durchaus interessant sein, bevor es mit der Reifeprüfung weitergeht:
Fary Lochan – New Spirit nach 2 Jahren und 2 Monaten Reifung
Fary Lochan – New Spirit nach 3 Jahren Reifung

Mit meinem letzten Tasting ist die Geschichte aber noch nicht ganz zu Ende. Das Experiment hat damals ein Whiskyfreund zusammen mit mir gemacht, dem ich zwischendurch Samples aus der Flasche geschickt hatte. Das erste Sample gab es übrigens als WeihnachtsWhiskyWichtel. Nachdem die Flasche Fary Lochan leer war, habe ich ihm das Eichenholzstäbchen zu einem Whiskytreffen mitgebracht. So als Andenken. Und als anschauliche Erläuterung, wodurch der Whisky in seinen Samples eigentlich reifte.

Er hatte aber im Nachhinein noch andere Pläne mit dem Stäbchen. Irgendwann hat er es gründlich gewaschen und mit einem Crème brûlée-Brenner ordentlich neu angekokelt. Danach hat er das Holzstück in einem trockenen Oloroso Sherry (Palomino Fino, 15 Jahre Lagerung) 2 Monate gut durchziehen lassen. So vorbereitet legte er das Stäbchen in eine 350 ml große Flasche, zusammen mit einem knapp 1 Jahr in einem Bourbonfass gelagerten New Make aus dem Hause Tullibardine. Das Ganze ließ er nach zwischenzeitlicher Kontrolle insgesamt 532 Tage oder 76 Wochen ruhen, bevor er mir letzten Monat ein Sample vom New Make und eines vom gereiften Destillat zuschickte. Einen lieben Dank dafür, Michael!

Hier also die Reifeprüfung mit meinen Worten.

Name Tullibardine Tullibardine New Make
Alter 352 Tage (New Make)
Alkohol 62,988 %
Lagerung Bourbonfass
Sonstiges Nicht kühlgefiltert, kein Farbstoff
Region Highlands

Farbe Holunderblütensaft
Geruch Destillat (klaro…), kaum sprittig wenngleich zu Beginn gut brennend, gemälzte Gerste, Latschenkiefernöl, Traubenkerne, würziger Weißwein, dahinter klitzekleine Erdnüsse, mit der Zeit kommen säuerliches Graubrot und ein paar Vollkornkekse dazu, etwas Maische, auch helle Weintrauben ohne Kern, ein wenig grüne Banane, sehr rein
Geschmack Malzig, maischig, ölig, würzig, natürlich brennt der Alkohol ein wenig (aber nicht wirklich schlimm), cremiger werdend, ist das ein Hauch von Rauch?, helle Weintrauben, grüne Paprika, ganz leichte fruchtige Bitterkeit, säuerlicher Schampus und wieder Maische, keineswegs trocken
Finish Recht kurz, Getreide pur, Traubenkerne, ein wenig Honig und ein wenig Maische, ätherische Aromen, Weizenbrot, Ingwer, frisch, Röstaromen, Menthol, sanfte Bitterkeit
Aromen Frucht Getreide Süße Holz Würze Alkohol Rauch

Name Tullibardine Tullibardine New Make nach Eichenstabreifung
Alter 352 plus 532 Tage (bei freizügiger Interpretation der Regeln)
Alkohol unbekannt (immer noch über 60 %)
Lagerung mit sherry-isiertem Eichenstab in der Flasche
Sonstiges Immer noch nicht kühlgefiltert, immer noch kein Farbstoff

Farbe Bernstein
Geruch Mehr brennender Alkohol als im New Make, immer noch Destillat (Traubenkerne etc.), ein wenig Karamell, dahinter ein sanfter Anflug von reiferen (Süd)Früchten, Vanille, Crème fraîche, dann erst deutlichere Sherryaromen (Süße, reife Beeren, Trauben…), dazu ein paar Zitrusnoten, ein wenig Haarspray
Geschmack Fruchtiger und süßer als zuvor, aber immer noch viel Alkohol und nicht so cremig-ölig, geröstetes Malz, reife Frucht mit Vanillesoße, Weintraubenkerne, Honig, Orange, ein wenig Maische, Müsli mit Trockenfrüchten
Finish Recht kurz, zunächst weich mit Vanille, dann sehr blumig-parfümiert, Sellerie (?) und ein klein wenig Fenchel, Malzbier mit einem Schuss herbem Pils (nicht, dass ich das schon mal probiert hätte, aber so stelle ich es mir vor), etwas Honig und geröstetes Müsli
Aromen Frucht Getreide Süße Holz Würze Alkohol Rauch

Hmmm, das war noch nix, würde ich sagen. Diese Reifeprüfung sollte besser ein wenig verschoben werden.

Das New Make ist so, wie ein New Make sein soll, gar keine Frage. Ob die Aromen jetzt typisch für Tullibardine sind, lasse ich dahin gestellt, weil mir die Vergleichsmöglichkeiten fehlen. Die Aromen gehen auf jeden Fall deutlich in Richtung Destillat mit sehr wenig Frucht, dafür mit viel prägnanter Würze. Und es ist recht einseitig gestrickt, was aber keine große Überraschung darstellt.

Der Holzstäbchenfinishdram hatte 76 Wochen innigen Kontakt mit dem Holz in der Flasche. Leider hat ihn das nicht wirklich näher an einen Whisky gebracht. Nur die Farbe ist schon sehr intensiv (und schön). Ansonsten kämpft das Destillat gegen die übrigen (neuen) Aromen, nur will keiner wirklich gewinnen. Das Fass hat diesen Dram bisher aromatisch kaum prägen können. Vanille und Honig sowie der Sherry sind nur kurze Strohfeuer und wirken eher aufgesetzt, als dass sie von einer harmonischen Verbindung zeugen würden. Zudem ist der Alkohol im Finishdram stärker als im New Make, was ich merkwürdig finde. Und beim Abgang bin ich mir nicht sicher, ob ich die Aromen gut finden soll. Ich glaube eher nicht, weil einfach Blumen-Seifen-Noten nicht mein Fall sind. Das hängt alles noch nicht zusammen.

Aber, Michael, wenn du in einem Jahr noch etwas in deiner Finishflasche hast, darfst du mir gerne noch einmal ein paar Zentiliter davon schicken. Wie beim Fary Lochan damals sollte doch auch aus diesem Tullibardine was Feines werden können… wenn man den rechten Zeitpunkt der Reifung erwischt. Oder meinst du nicht?

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