Geschmackssache

Ach ja, der liebe alte Geschmack. Was wurde nicht schon über ihn gestritten. Jeder Mensch hat ihn – mal mehr, mal weniger – , doch keiner ist gleich. Kaum etwas ist subjektiver als die Sinneswahrnehmung von Speisen und Getränken in Mund bzw. Nase. Das gilt natürlich auch bei der Verkostung von Whisky. Der Eine findet einen Tropfen richtig lecker, ein Anderer hingegen bekommt schon beim Gedanken daran Aufstoßen. Weicht ein Brennmeister bei seiner Arbeit vom Pfad der Massen ab und kreiert einen unkonventionellen Whisky, kann es vorkommen, dass der eine oder andere Käufer vom Ergebnis enttäuscht ist. Aber hat man als Käufer darum einen schlechten Geschmack? Oder sollte man diesen sogar für sich behalten?

Diese Frage(n) habe ich mir auch gestellt, bevor ich begann, im Whisky-Journal zu schreiben. Insbesondere natürlich dort, wo es um meinen Geschmack geht: in der Rubrik Verkostungen. Mehr noch. Sollte ich mich Whiskyexperten wie Michael Jackson oder Jim Murray und ihrem Bewertungssystem anschließen und schön anonym nichtssagend auf einer Skala von 0 bis 100 bewerten? Oder kann ich mein Geschmackserlebnis mit verständlichen Attributen ausdrucksvoller beschreiben ohne bis 100 zählen können zu müssen? Doch da es vorkommen kann, dass ein Whisky nicht oder auch gar nicht meinen persönlichen Vorlieben entspricht, würde letzteres zur Folgen haben, dass ich – anders als Jackson, Murray & Co. es praktizieren – schlechte Noten vergeben muss. Etwa so wie in der Schule ein Mangelhaft oder ein Ungenügend, Versetzung gefährdet.

Ich habe mich am Ende für 5 Kategorien entschieden, die die möglichen Geschmacksfälle von extrem gut bis extrem schlecht abdecken: Gottesgeschenk, Handwerkskunst, Lustigmacher, Colamischung und Desinfektionsmittel. Da eine solche Kategorisierung offensichtlich mehr polarisiert als eine Zahlenskala und unter Umständen einer Beleidigung der Brennerei gleichkommen kann, beschreibe ich mein Geschmackserlebnis und begründe ich meine Meinung.

Bisher habe ich noch nie einen Whisky der Kategorie Desinfektionsmittel trinken müssen und erst zwei Whiskys (Tomintoul 27yo und Glen Els Unique Destillery Edition 2011) der Kategorie Colamischung zugeteilt. Warum dies? Ganz einfach: weil sie mir nicht so gut geschmeckt haben, dass ich sie weiterempfehlen oder in größeren Mengen pur trinken würde. Mein persönlicher Geschmack hat das für beide Whiskys entschieden.

Dennoch handelt es sich in beiden Fällen um technisch einwandfreie Single Malt Whiskys. Und wenn ich dem Whiskyhändler Glauben schenken soll, der sich über meine Bewertung der Glen Els Unique Destillery Edition 2011 wütend beschwert hat und darin eine geschäftsschädigende und unehrliche Meinungsverzerrung sieht bzw. dahinter journalistisch übersteigertes ‚Sendungsbewusstsein‘ vermutet, so fanden die anderen 2499 Flaschen dieser Abfüllung reißenden Absatz und keinem anderen Käufer würde jemals einfallen, diesen Whisky nicht in den Himmel zu loben.

Wie kann ich nur so einen schlechten einzigartigen Geschmack haben? Nun stehe ich ganz alleine mit meinem Geschmack gegen die verbürgte und statistisch belegte Meinung von 2499 Whiskykennern. Und dann veröffentliche ich dieses verwirrte Verkostungserlebnis auch noch im Internet, wo es jeder lesen kann. Wie verwerflich! Wie unehrlich! Und dann auch noch fachlich unausgereift!

Zugegeben, zu schreiben, dass dieser ausgesprochen Melasse-süße Glen Els tatsächlich aus Melasse produziert wurde oder Melasse enthält, ist selbstverständlich nicht richtig. Dann dürfte er sich ja nicht mehr Whisky nennen. Dennoch bleibt es reine Geschmackssache, ob man diesen süßen Whisky auch seinen Freunden als einen typischen Vertreter seiner Art weiterempfehlen würde. Ich würde das nicht tun, und wenn doch, dann nur mit dem Nachsatz, dass er mich mehr an einen Rum als an einen Whisky erinnert. Ein Whisky sollte gerne nach Whisky schmecken, wenn ich ihn als Whisky kaufe oder Freunden als solchen anbiete. Egal, welche Produktionsphilosophie dahinter steckt.

Immerhin sieht der Eigentümer der Brennerei Hammerschmiede, die den Glen Els herstellt, meine Meinung nicht als Problem oder gar als geschäftsschädigend an. Über diese offene Sichtweise von Herrn Buchholz freue ich mich natürlich und bin mir sicher, dass ich andere Abfüllungen von Glen Els bei einer Verkostung höher einordnen würde. Nur eben nicht diese eine, da ist (mir) mein Geschmack eigen.

Denn letztendlich ist Whisky reine Geschmackssache.

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