Whisky mit oder ohne Wasser

Schlieren von Wasser in WhiskyShakespeares literarisches ‚Sein oder nicht Sein, das ist hier die Frage‘ kann ohne weiteres auch auf die Vorlieben beim Whiskytrinken angewendet werden. Wasser oder nicht Wasser, das ist hier die Frage! Und das ist in Fachkreisen eine hart umstrittene und mitunter sehr emotionell diskutierte Frage. Einige schwören drauf, andere halten jegliche Form von Mischungen eines Single Malts mit anderen Flüssigkeiten für reine Blasphemie. Was ist aber wirklich dran an den berüchtigten Tropfen im Whisky?

Ich persönlich bevorzuge auch gerne Fassstärken unverdünnt. Dabei ist meine Haltung aber nicht ablehnend sondern eher abwartend zu bewerten. Gibt der erste unverdünnte Schluck bei beabsichtigtem weiteren Verzehr Anlass zur Sorge um die Unversehrtheit meines Gaumens oder meines Rachens, kann ein wenig Wasser nicht schaden – weder dem Whisky, noch meinem Körper. Und warum sollte man sich nicht von neuen Aromen überraschen lassen?

Doch halt! Warum gibt es eigentlich so viele Whiskys, die genau 40 oder auch 43% Alkohol enthalten? Das kann doch kein Zufall sein, oder? Nein, ist es nicht. Ein neu destillierter Whisky wird in der Regel mit einem Alkoholgehalt weit jenseits der 60% in Fässer abgefüllt, um dort mehrere Jahre zu lagern und zu reifen. Bis zum Ende dieser Zeit haben die Engel sich ihren Anteil genommen (Angel’s Share) und der ehemals sehr hochprozentige Whisky enthält dann oft nur noch ein Stück mehr als 50% Alkohol. Um nun die verkaufsfördernde Trinkstärke von 40 oder 43 zu erreichen (der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier), wird von Seiten der Destillerien bereits ein entsprechender Anteil destilliertes bzw. ionenfreies Wasser in den Whisky gemischt. Einen solchen Whisky mit Wasser mischen zu wollen, macht also nur Sinn, wenn man professioneller Whiskyverkoster ist, der zum Ende einer Séance auch die letzten Eindrücke noch aufschreiben können möchte.

Was passiert aber, wenn man Wasser in einen Whisky mischt, der mit Fassstärke angefüllt wurde? Rein physikalisch gesehen, verdünnt man damit natürlich diesen Whisky und senkt den Alkoholgehalt. Schön, beim Konsum entsprechender Mengen ist dann der Kater am Morgen nicht mehr so groß. Doch bei einer eher chemischen Betrachtung ändert sich im Whiskyglas noch mehr als nur der Alkoholgehalt.

Grundsätzlich sind die wahrnehmbaren Aromen von der chemischen Struktur eines Whiskys abhängig, oder genauer gesagt vom Alkohol im Whisky. Ist der Alkoholgehalt ausreichend hoch, über 46%, nehmen die Alkoholmoleküle des Whiskys während der Reifung im Fass langkettige Moleküle wie Fettsäuren oder Lignine aus dem Holz auf und binden diese an sich. Durch das beigemischte Wasser lösen sich jedoch diese Bindungen im Whiskys. Die gelösten Moleküle können dann auch eine Trübung des Whiskys hervorrufen, indem sie sich wie Öl, das in Wasser gegossen wird, aneinander binden (gleiches geschieht übrigens auch, wenn man Whisky kühlt). Aber keine Angst, es ist kein Produktionsfehler, wenn ein Whisky trüb wirkt. Im Normalfall werden getrübte Whiskys noch vor der Abfüllung kältefiltriert (chill filtration), wodurch die Schwebeteilchen entfernt werden.

Die Entwicklung der Aromen ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht nur von der Struktur des Whiskys abhängig, sondern auch von der Wahl des Wassers. Ionenarmes oder destilliertes Wasser ist zum Beispiel saurer als Leitungswasser. Hingegen ist unser ‚Kraneberger‘ gelegentlich mal verunreinigt (natürlich nicht im hygienischen Sinne, dafür sorgt eben die verunreinigende Extraportion Chlor) und kann dadurch unerwünschte Effekte auf unseren Whisky haben. Wer destilliertes Wasser verwendet, macht dabei also genauso wenig oder genauso viel falsch wie die Destillerien, wenn diese die abzufüllende Fassstärke reduzieren wollen. Oder man macht es wie ein echter Schotte, der eigentlich ausschließlich lokales frisches und mineralienarmes Quellwasser zum Verdünnen nimmt. Kennt man nicht gerade einen heimischen Getränkehändler oder fremden Internethändler, der sowas auch im Angebot hat, kann man genauso gut auf französisch-stille Wässerchen wie Evian, Vittel oder Volvic zurückgreifen.

Und mit wie viel Wasser sollte man einen Whisky mischen? Nutzt man Pipetten oder Kannen? Tja, das sollte jeden selber überlassen bleiben. Kommt der Whisky in Fassstärke daher und will man den Alkoholgehalt wirkungsvoll senken, ist die Portionierung aus Kannen oder Karaffen die beste Wahl. Will man aber nur die Aromenfülle erweitern und stört sich sonst nicht weiter am Alkohol, tun es auch ein paar Tropfen aus der Pipette.

Wer reines Wasser in einem Whisky aber schon für Ketzerei und Blasphemie hält, sollte die folgenden Zeilen erst gar nicht lesen. Denn richtig Hartgesottene lassen es gerne einmal richtig im Glas zischen. Soll heißen, dass sie sich kein stilles oder gar destilliertes Wasser in den Whisky mischen, sondern Wasser mit Kohlensäure wählen. Die tiefere Idee dahinter steckt in der Erweiterung des Whiskyerlebnisses im Mund. Dort sollen durch die Kohlensäure noch weitere interessante Aromen freigesetzt werden.

Puha, als ich das gesehen habe, musste ich erst einmal kräftig schlucken… meinen unverdünnten Single Malt in Fassstärke.

4 Gedanken zu “Whisky mit oder ohne Wasser”

  1. Puh, mit Kohlensäure, na wenns schön macht…

    Zum reinen Trinken verdünne ich fast alle Malts nicht. Ich mag sie am liebsten in ihrer natrülichsten Erscheinung, wie sie aus dem Fass kamen. Deshalb empfinde ich die Filterung auch als Kastration des Whiskys ( http://whiskycuse.wordpress.com/2012/06/12/kastrierter-whisky/ ).
    Zu Verkostungszwecken verdünne ich sie mir in der Regel auf ca. 50%vol, da ich in dieser Stärke eine bessere Aromenanalyse vornehmen kann.
    Grundsätzlich fände ich es schön, wenn alle Malts in Faßstärke abgefüllt würden. Dann könnte jeder entscheiden, wie er seinen Malt trinkt. Ich kann aber auch nachvollziehen, daß Whisky-unerfahrene anfänglich Schwierigkeiten damit haben.

    1. Ja, mit Kohlensäure 🙂
      Ich könnte mir den Versuch aber vorstellen, nur um zu sehen, wie es wirklich schmeckt. Schließlich bevorzugen wir doch auch die spritzigen deutschen Biere und viele können mit den abgestandenen englischen Bieren nichts anfangen.
      Die Alkoholprozente finde ich so wie sie sind genau richtig. Die ’schwachen‘ Whiskys gibt es für jeden Tag (hier war der Wunsch der Vater des Gedanken, es gibt natürlich nicht jeden Tag einen Whisky…) und die Fassstärken sind für den besonderen Genuss.
      Mich würde nur wirklich mal interessieren, wie ein Macallan Fine Oak oder ein Glenfiddich 12yo ohne Wasserzusatz schmecken würden. Ob die überhaupt genießbar wären?

      1. Ja, kann schon sein, daß man diese Gebräue eh verdünnen würde. Ich persönlich hätte nur gerne die Möglichkeit zu wählen…ist aber auch sicher alles eine Kostenfrage, die Malts wären auch einfach teurer, weniger Leute wären bereit, dafür das entsprechende Geld auszugeben. Also lassen wir es so, wie es ist.;-)

      2. Und weniger Leute würden nach dem ersten Schluck noch einen zweiten nehmen!

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