Überraschung! Die unabhängigste aller unabhängigen Destillerien Schottlands, Bruichladdich von der Isle of Islay, steht mit dem französischen Spirituosenproduzenten Remy Cointreau (stellen z.B. Remy Martin Cognac, Cointreau Likör oder Mount Gay Rum her) in Verhandlungen um einen Kauf. Diese Meldung verbreitete unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters vor ein paar Tagen und sie wurde mittlerweile auch von beiden Seiten des Verhandlungstisches bestätigt.
Eigentlich ist es ja nichts ungewöhnliches, dass eine Destillerie – egal ob in Privatbesitz oder Teil eines größeren Konzernes – den Eigentümer wechselt und danach nur noch eine von vielen in einer Multi-Millionen-Jahresbilanz ist. Im Fall von Bruichladdich machen jedoch zwei Faktoren die Meldung recht interessant:
- Bruichladdich hat sich seit der Wiedereröffnung im Jahre 2001 als unabhängige Destillerie positioniert und im letzten Jahrzehnt permanent gegen die großen Konzerne und die Industrialisierung der Whiskyproduktion gewettert.
- Remy Cointreau besitzt aktuell keine Single Malt Destillerie.
Nun versucht Remy Cointreau also, wieder ein Fass aufzumachen. Ein Fass, das zur Zeit einen Umsatz von 15 Millionen Euro im Jahr beinhaltet. Dabei solle der aktuelle Umsatz von Bruichladdich dem Spirituosengiganten Remy Cointreau eigentlich egal sein, da dieser im Vergleich zur eigenen Jahresbilanz eher verschwindend gering ist (etwa 1%). Doch mit dem Kauf von Bruichladdich könnte man endlich auf dem asiatischen Markt Fuß fassen, für den in den kommenden Jahren blühendes Wachstum versprochen wird. Whisky wird von vielen als einer der Schlüssel zu diesem Markt gesehen. Nicht zuletzt hatte Diageo angekündigt, über eine Milliarde Britische Pfund in den Ausbau seiner Whiskyproduktion zu stecken. Eine Kombination von Bruichladdich, das die Ware hat, und Remy Cointreau, das die Verkaufskanäle hat, scheint also vielversprechend.
Auch der kolportierte Kaufpreis von Bruichladdich fällt verglichen mit dem Jahresumsatz der Destillerie relativ human aus. Einige Quellen berichten von 20 bis 25 Millionen Pfund, andere von 40 bis 45 Millionen Euro. Diese Größenordnungen sollten Remy Cointreau keine Probleme bereiten, hat man dort doch erst im letzten Jahr mit gutem Gewinn seine Champagner-Aktivitäten verkaufen können. Laut Aussagen des CEO von Remy Cointreau hat man zur Zeit etwa 1 Milliarde Euro für die Akquisition von Marken auf der hohen Kante liegen. Doch egal wie hoch die Kaufsumme am Ende ist, die Eigner von Bruichladdich haben damit einen guten Schnitt gemacht, denn der Kaufpreis im Jahre 2000 betrug nur 6,5 Million Pfund.
Nun darf man eine Whiskydestillerie natürlich nicht als eine dieser werbewirksam in Szene gesetzten, verträumten und idealistisch betriebenen Handarbeitsbrennereien sehen. Auch kleinere und privat betriebene Destillerien müssen auf ihre Finanzen achten und als ambitioniertes Wirtschaftsunternehmen Gewinne einfahren, um überleben zu können. Kein Zweifel daran und kein Problem damit. Bruichladdich ist schließlich nicht die ersten Destillerie, die an einen Großkonzern wie Diageo, Pernot Ricard oder Fortune Brands verkauft wird.
Was einem allerdings sauer aufstoßen kann, ist die Art und Weise mit der die Macher von Bruichladdich das bisher aufgebaute Image der Destillerie mit Füßen treten. Der Laden läuft nicht schlecht, man hat also keinen unmittelbaren Bedarf einen Verkauf zu tätigen, und zudem war man bisher so stolz auf seine Unabhängigkeit von großen Konzernen. Hier einmal ein Zitat von der Homepage von Bruichladdich, das ein Teil der sehr emotional aufgestellten PR-Strategie der Destillerie ist:
At Bruichladdich, we believe the whisky industry has been stifled by industrialisation and self-interest – huge organisations have developed that require a stable status quo to ensure that their industrial processes can run to maximum efficiency, producing the maximum “product” with the minimum input and variation, all to the lowest unit price.
We reject this.
Und weiter:
The domination of global mega-corporations has led to homogeneity, predictability and the worship of the status quo… because at massive industrial scale, predictability equals profitability.
We are not bound by those rules or those values. We are a collection of individuals, (…) are part of the wider community of Bruichladdich. And we have no marketing department. What we say, is what we believe, is what we do.
Naja, immerhin beweisen Mark Reynier, Jim McEwan & Co. uns nun, dass der letzte Satz mehr als ernst gemeint ist… auch wenn die meisten Kunden ihn anders verstanden haben. Der Rest der Aussagen wird durch die Verhandlungen mit Remy Cointreau jedoch vollständig ad absurdum geführt. Von wegen ‘große Familie’, von wegen ‘handgemachte Produkte’, von wegen ‘Unabhängigkeit von globaler Gewinnmaximierung’. In erster Linie müssen doch die Kunden von Bruichladdich enttäuscht sein, die sich mit diesen Aussagen identifizieren konnten.
Und noch vor ein paar Monaten äußerte sich der Geschäftsführer von Bruichladdich, Mark Reynier, auf whiskyadvocateblog.com wie folgt:
No we are not interested in selling. Life is too exciting where we are just now with all the things we have been working on over the last decade finally starting to come to Market…
Ein Verkauf von Bruichladdich an Remy Cointreau muss natürlich nicht unmittelbar einer Verschlechterung der Qualität der Brennerzeugnisse der Destillerie gleich kommen. Man kauft eine Destillerie, die eine vernünftige Basis hat. Was man im Auge behalten sollte, ist der im Vergleich zu anderen Destillerien ähnlicher Größe umfangreiche Stab an Mitarbeitern, die bei einer Übernahme angeblich weiter beschäftigt werden sollen. Ob hier nicht vielleicht doch eine gewisse Rationalisierung Einzug halten wird? Die Qualitätskontrolle müsste dann von Maschinen übernommen werden. Und wer wird Bruichladdich in den kommenden Jahren leiten – Jim McEwan als Head Destiller ist auch schon in die Jahre gekommen.
Sollte Jim McEwan gehen, wird sich der Stil der Whiskys von Bruichladdich zweifellos ändern. Dann wird Bruichladdich ein Stück Intuition abhanden kommen, Herz, Mut, Experimentierfreude. Auf der einen Seite hatte ich schon immer meine Probleme mit dem Verständnis der ständig wechselnden Produktpalette von Bruichladdich. Will man hier nur annähernd auf dem Laufenden bleiben, kann man seine Gesundheit schon ziemlich vertraut in die Hände des Alkoholismus legen. Auf der anderen Seite zeigt Bruichladdich natürlich auch, was man mit einer Destillerie und hervorragendem Fachwissen alles erreichen kann. Man kann dem Kunden viel mehr bieten als nur 4 Standardabfüllungen im Alter von 12, 15, 18 und 25 Jahren und dem gelegentlichen Verkauf eines Fasses an einen unabhängigen Abfüller. Doch das kann man auch unter den Fittichen eines Großkonzerns, wie die Zusammenarbeit von Ardbeg und LVMH eindrucksvoll zeigt.
Mein Tipp: Heute noch ein paar vernünftige Sonderabfüllungen von Bruichladdich erstehen und ein paar Jahre liegen lassen, bis die vom jetzigen Eigentümer aufgebauten Lager geleert sind. Dann ist recht wahrscheinlich, dass der Name Jim McEwan auf den Flaschen ein paar gute Euros bringt.
Die Antwort auf die Frage in der Überschrift ist seit heute leider ein definitives “Nein”.
Ein Verkaufspreis von 58 Millionen Pfund ist höher als alle Spekulationen und liefert 58 Millionen Gründe, um schwach zu werden. Wie sagt Mark Reynier so schön? “Braveheart was now nowhere to be seen”…
http://meinwhisky.com/2012/07/23/der-verkauf-ist-perfekt-fur-58-millionen-pund-geht-bruichladdich-zu-remy-cointreau/
Wow, das sind umgerechnet 74 Millionen Euro! Ein wenig (viel) mehr als von allen erwartet. Aber gut, Remy wird schon wissen, worin man investiert… auch wenn man knappe 13 Millionen Euro Verpflichtungen mit übernimmt.
Ging aber am Ende doch alles erstaunlich schnell.
Hier noch ein Link zum offiziellen Statement von Remy/Bruichladdich:
http://www.bruichladdich.com/news/laddie-news/bruichladdich-remy-cointreau-agreement
… ach so, und vielen Dank für die Meldung an Petra!
🙂