Mr. Glenfiddich

Whisky Abfüllungen Glenfiddich bei Hans-Henrik Hansen

Wer ist Mr. Glenfiddich? Ist es ein Mitglied der Familie Grant, dessen Vorfahren die schottische Brennerei Glenfiddich im Herzen der Speyside schon 1887 gegründet und über viele Generationen hinweg mehr als erfolgreich leiten? Nein, für mich nicht mehr. Nicht, seitdem ich kurz vor Weihnachten die Sammlung von Glenfiddichs gesehen habe, die Hans-Henrik Hansen in den letzten knapp 15 Jahren zusammen getragen hat. 540 Flaschen, plus minus, exklusive knapp 140 Miniaturen, verteilt auf mehrere Räume. Dort stehen diverse Ausgaben von Standardabfüllung, die im Laufe der Jahre auf den unterschiedlichsten nationalen Märkte verkauft wurden, genauso wie Sonderabfüllungen wie der Glenfiddich 50yo. Das war einfach faszinierend. Nicht nur wegen der Masse, sondern insbesondere wegen der Klasse.

Bekannt ist Hans-Henrik in Whiskykreisen schon seit vielen Jahren, auch schon bevor die Sammelleidenschaft für Glenfiddich ihn gepackt hatte. Es treibt ihn umher, auf Internetauktionen genauso wie auf Whiskymessen. Er ist auf der Suche nach leckeren Abfüllungen aller Couleur und nicht zuletzt natürlich auch nach seltenen Glenfiddichs, die seine Sammlung komplettieren können. Die Treffer für letzteres werden seltener, hat er doch schon die größte Sammlung von Abfüllungen dieser Brennerei auf der Welt. Geholfen wird ihm bei seiner Sammelleidenschaft neben Peter Gordon, direkter Nachfahre von William Grant, auch von Brand-Ambassadors wie Jens Tholstrup oder Ian Miller. Doch die Obersten von Glenfiddich strecken ihre Finger danach aus – aber dazu später mehr.

Hans-Henrik Hansen Mr GlenfiddichHans-Henrik Hansen ist Besitzer und Chefkoch im ‚Hotel Falster‚, einem renommierten Hotel und Veranstaltungsort auf der gleichnamigen Insel im Süden Dänemarks. Viel Zeit blieb ihm da in den vergangen Jahren kaum, um seine Leidenschaft zufrieden zu stellen. Auch in der Kurzen Zeit, in der ich mit ihm reden konnte, gab es Anrufe vom Hotel sowie Rufe von seiner Frau Lone, die uns rechtzeitig auf die nächsten Termine aufmerksam machte.

Hans-Henrik genießt Whisky, wenn er nach Feierabend in seinem Arbeitszimmer den Bürokram erledigt. Nicht unbedingt die teuersten Raritäten seiner Sammlung und auch nicht unbedingt regelmäßig, aber gerne. Dort wird dann auch nach weiterer Beute gesucht. Generell habe ich vom Menschen und Sammler Hans-Henrik den Eindruck gewonnen, dass er sehr fokussiert ist. Nein, er muss es vielmehr sogar sein, um alle Aufgaben und Interessen unter einen Hut bringen zu können. Als Sammler von Abfüllungen von Caperdonich (der Ausdruck ‚Sammler‘ ist hier absolut relativ zu sehen…) muss ich ihm diesbezüglich meinen vollen Respekt zollen.

Begonnen hat Hans-Henrik seine Sammlung im September 2000. Absicht ist hier jedoch weniger zu unterstellen. Auf einer Schottland-Tour der Dansk Maltwhisky Akademi (DMWA) wurde als zweite Station auch Glenfiddich besucht. Der fruchtige Stil der Brennerei entsprach schon lange Hans-Henrik’s Geschmack. Im Shop der Brennerei stand eine Vintage Reserve Abfüllung von 1963 aus Cask 12371, die damals umgerechnet schon etwa 300 Euro kosten sollte, von ein paar mitreisenden Maltheads aber doch gekauft wurde. Ein Vermögen und zu viel für den Noch-Nicht-Sammler in dieser Zeit, trotz aller Vorlieben. Doch bevor die Türen des Reisebusses am letzten Tag in Dufftown schlossen, war er wieder auf dem Weg in den Shop, um die Flasche dennoch zu kaufen. Das war also der Anfang der weltgrößten Sammlung von Glenfiddichs.

Glenfiddich Raritäten

Warum es gerade Glenfiddich wurde? Das war eine Bauchentscheidung. Hans-Henrik sammelte schon vor dem Jahr 2000 Whiskys, aber die Begrenzung von Platz und finanziellen Mitteln brachte ihn dazu, seine Leidenschaft auf eine Destillerie zu begrenzen. Hier hinterließ Glenfiddich den größten Eindruck, was für ihn Grund genug war, sich weitestgehend zu begrenzen.

Wie zuvor schon angedeutet ist es knapp 15 Jahre später die Klasse, die seine Sammlung definiert – nicht die Masse. Natürlich stehen im Keller von Hans-Henrik ein paar nicht ausgepackte Kartons mit malzigem und hochprozentigem Inhalt. Das gehört bei Sammlern dazu. Aber alleine die Präsentation der Flaschen macht Spaß auf mehr. Selbstgebaute Vitrinen und Alkoven mit Beleuchtung bieten ein sehr passendes und individuelles Ambiente für diese außergewöhnliche Sammlung von sauberen und sich in einwandfreiem Zustand befindlichen Flaschen inkl. diversem Zubehör. Zudem sind die Flaschen in den einzelnen Räumen thematisch sortiert. Von den außergewöhnlichen Schätzen über die jungen Standards bis zu den Jahrgangsabfüllungen. Hinzu kommt die Begeisterung, die man im Gespräch mit Hans-Henrik deutlich vernehmen kann. Nicht nur für Whisky, sondern für viele Dinge, die ihn interessieren und bewegen.

Die Bewertung der verkosteten Whiskys ist für ihn dabei genauso individuell. Es werden keine ganzen oder halbe Punkte auf der (unbrauchbaren; Anm. d. Red.) 100er-Skala verteilt, es gilt einfach das Prinzip ’schmeckt‘ oder ’schmeckt nicht‘. Ein 18-jähriger Glenfiddich wird daher in der Regel auch dem 30-jährigen vorgezogen.

Anders scheint hingegen Hans-Henrik’s Frau Lone zu urteilen. Sie trat zwar erst in sein Leben, nachdem er seine Sammlung begonnen hatte, und wusste vorher nichts über das Wasser des Lebens. Doch ist sie dem Whisky heute nicht abgeneigt. Allerdings hat ihre Nase die Angewohnheit immer die teuren Abfüllungen zu bevorzugen, ohne den Preis zu kennen. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – scheint Hans-Henrik mit beiden Leidenschaften sehr glücklich.

Glenfiddich RaritätenDer Wert der Sammlung von Mr. Glenfiddich ist in meinen Augen enorm. Es geht hier nicht nur um einige kostbare Sondereditionen, sondern es werden komplette Serien dieser Editionen in den selbstgebauten Regalen präsentiert. Hinzu kommen etliche Flaschen, die mit der Nummer 1 von x versehen sind, sowie Flaschen, die es gar nicht geben dürfte. Eine Abfüllung von Letzteren ist beispielsweise auf 248 begrenzt, in Hans-Henrik’s Regal steht jedoch Nummer 249. Das ist der inoffizielle Dank von Glenfiddich an den Besitzer dieser Sammlung. Weitere Kuriositäten sind gefälschte Tonkrüge, genauso wie Abfüllungen aus ein und demselben Fass, die zunächst als „22 year old“ und wenig später vom gleichen Abfüller als „17 year old“ zur Gewinnmaximierung in die Flasche gebracht wurden.

Mittlerweile wird Hans-Henrik Hansen aufgrund seiner Sammlung auch gerne auf Whiskyveranstaltungen z.B. nach Frankreich oder nach Russland eingeladen. Manchmal wird er gebeten einige seiner Flaschen mitzunehmen, da diese den Ausstellern fehlen. Manchmal wird er (manchmal auch zusammen mit seiner Frau) als kompetenter Ansprechpartner in Sachen Glenfiddich-Abfüllungen engagiert. Ebenso werden Interviews nicht mehr nur im trauten Heim gegeben, sondern auch in Metropolen wie Hong Kong.

Ich hätte mich gerne viel länger mit Mr. Glenfiddich unterhalten. Die Geschichten um seine Flaschen scheinen endlos. Zum Beispiel zeigte er mir die Abfüllung einer Fluggesellschaft, über deren Existenz er auf der Rückseite eines schwedischen Whiskymagazins erfahren hat. Nach dem Kontakt mit der Fluglinie musste er anstelle der 12 gewünschten Flaschen mit einem einzigen Karton mit 6 Flaschen Vorlieb nehmen – abholbar in einem ‚airborn‘ Flugzeug der Gesellschaft. Nach dem Verkauf von ein paar der Flaschen hatte er aber auch die Kosten für die Flugtickets wieder raus.

Das beschreibt auch gut die Art und Weise, mit der Hans-Henrik seine Leidenschaft teilweise in die Realität umsetzt. Zudem hat er früh genüg damit begonnen, Single Malt Whiskys zu sammeln. Dabei ist es unwichtig, ob wir über Diageo’s Rare Malts Serie reden oder über Abfüllungen von Glenfiddich. Die Preise sind seit dem Jahr 2000 so dermaßen gestiegen, dass Hans-Henrik sich durch den Verkauf einer Flasche seiner privaten Sammlung mehrere neue(re) Abfüllungen leisten kann. Doch bei einigen Abfüllungen ist die Anschaffung nicht leicht und kann sich aus verschiedensten Gründen über mehr als ein Jahr hinziehen. Da helfen oft nur gute Kontakte. Je mehr, umso besser.

Glenfiddich 40yo Raritäten

Es gibt in seinen Kellern neben dem ältesten bekannten Glenfiddich von 1937 aus Cask 843 auch eine Abfüllung von 1955 zu sehen. Ein Geschenk von Glenfiddich an den Sammler, vom dem er bei einer Warehouse-Tour selber aus einem ‚herumliegenden‘ Fass einen Liter abfüllen durfte. Da die Standardflaschen nur 70 cl fassten, bekam er die letzten 30 cl als Samples abgefüllt. Dies war Flasche 1 von 1 aus diesem Fass und der Whisky daraus wurde zu einem seiner Lieblinge, auch weil er nur ein Jahr vor seiner Geburt destilliert wurde. Cask 4221, aus dem der Inhalt dieser Flasche kam, ging später in die 50-jährige Abfüllung auf, die 2009 von Glenfiddich abgefüllt wurde. Bei der Präsentation dieser 50-jährigen Abfüllung anwesend waren 49 Pressevertreter und Kritiker sowie… Hans-Henrik Hansen als Nummer 50. Eine Ehre, die man wohl nicht besser ausdrücken kann. Dennoch musste er den vollen Preis, 10.000 Britische Pfund, für die 50-jährige Abfüllung bezahlen.

Was ich bei meinem Besuch allerdings nicht gesehen habe, war eine der 15 Flaschen, die 2011 als ‚Janet Sheed Roberts Reserve‘ mit einem Alter von 55 Jahren aus dem 56er Cask mit der Nummer 4222 abgefüllt wurden und von denen 11 danach in wohltätigen Auktionen versteigert wurden. Doch der Kauf dieser Flasche – Anfang 2012 für über 72.000 Euro in New York unter den Hammer gekommen – würde sicherlich einen neuen Rekord für die Sammlung auf Falster darstellen. Sicherlich unerreichbar für einen privaten Sammler.

Zurück zu der Zukunft dieser ansonsten einmaligen Sammlung. Die Besitzer von Glenfiddich haben bereits die Absicht angekündigt, das erste Gebot für Hans-Henriks Sammlung abzugeben, wenn er diese denn wirklich einmal verkaufen möchte. Und wenn man ihm dann noch einen Job als Guide in der Brennerei anböte, weiß er auch genau, wie er die Zeit nach der Rente verbringen will.

So aufregend sich eine solche Sammlergeschichte auch anhören mag, bin ich doch froh, dass ich mich mit meiner Leidenschaft zu Caperdonich auf eine Brennerei eingeschossen habe, die keine neuen Abfüllungen mehr produzieren kann. Damit wird das Ende der Suche überschaubar, genauso wie der Beginn des darauf folgenden Genusses.

In diesem Sinne:
Mange tak, Hans-Henrik, und noch viel Erfolg und nicht zuletzt viel Spaß bei deiner Suche.

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