Wie sagt man doch noch so schön? ‚Gut Ding will Weile haben‘. Das gilt nicht zuletzt für die Reifung von Whisky. Warum sonst sollte man einem echten Whisky sonst vorschreiben wollen, dass er mindestens 3 Jahre in Eichenholzfässern zu lagern hat? Und wenn man der Werbung glauben darf, dann steht in Tennessee – der Heimat von Jack Daniels – sogar die Zeit still. Aber… Zeit ist auch Geld! Und das gilt insbesondere für neuere und kleinere Brennereien, denen das Kapital für eine Lagerung von mehr als 3 Jahren fehlt. Und es gilt für Brennereien, deren Standort eine längere Lagerung einfach nicht zulässt. Und es gilt für Brennereien, die sich um die Tradition des Whiskys weniger scheren als um den Versuch, etwas Neues präsentieren zu können. Stichwort: Turbo-Reifung.
Die Inder können es machen, die Deutschen müssen es machen und die Amerikaner wollen es machen. So könnte ungefähr das Fazit zum Thema ‚Turbo-Reifung‘ aussehen. Aber im Einzelnen…
Fangen wir einmal bei dem ‚Wollen‘ an. Es gibt mittlerweile eine Handvoll Destillerien, die es nicht abwarten können, dass ihr Whisky wenigstens 3 Jahre in einem Fass liegen soll, bevor man ihn mit (leichten) Fassaromen genießen kann. Sogar im Land der Bourbons (= USA), die nur sehr selten eine Altersangabe tragen, lagern die Spirituosen in der Regel 7 Jahre. Oder auch länger, wenn es ein Premium-Bourbons werden soll. Doch manche wollen den traditionellen Prozess der Lagerung unbedingt auf ein Minimum verkürzen – mit unterschiedlichen Verfahren.
In Cleveland (Ohio) hat Tom Lix dazu ein Verfahren entwickelt, das es ihm ermöglicht, einen Bourbon innerhalb einer Woche reifen zu lassen. Anfang März kam dann nach Jahren des Tüftelns und Probierens der erste Cleveland Whisky auf den Markt und wurde seitdem bereits zigtausend Mal verkauft. Bei der normalen Lagerung dringt der Spiritus kaum in das Holz ein, wodurch die Reifung – also die Aufnahme von Aromen aus dem Fass – sich über mehrere Jahre hinzieht. Lix wählt den schnelleren Weg. Zunächst lagert der frische Brand für 6 Monate in einem Eichenfass, wie jeder andere Bourbon auch. Doch dann wird er in einen Tank aus rostfreiem Stahl umgefüllt, in den auch zerkleinerte Reste des ehemaligen Eichenfasses kommen. Der künftige Whisky wird dann eine Woche lang wie in einem Schwamm mit Hilfe von Druck tief in das Eichenholz eines Fasses gepresst und wieder herausgesaugt. Das Ergebnis präsentiert sich in Aussehen und Geschmack wie ein wesentlich älterer Whisky – allerdings weniger wie ein Bourbon, sondern eher wie ein Irish Whiskey.
Ein wenig in die gleiche Richtung der Turbo-Reifung schlagen auch Produkte des unabhängigen Abfüllers Compass Box und der noch sehr jungen dänischen Brennerei Fary Lochan. Diese haben beide Holzspäne aus Eichenholz in die reifende Flüssigkeit gegeben, um dem Whisky mehr Holzoberfläche zur Aufnahme der Aromen zu bieten. Compass Box gab diese Späne in die Eichenholzfässer, Fary Lochan direkt in die Flasche. Die Scotch Whisky Association (SWA) hat natürlich direkt ein Veto eingelegt und dem Whisky von Compass Box das Attribut ‚Scotch‘ verweigert. Fary Lochan hat inzwischen den 3. Jahrgang mit Eichenholzspänen bzw. Stäben in Flaschen gefüllt und präsentierte am 28. September ihren ersten echten Whisky – für 200 Euro den halben Liter.
Dann waren da noch die Inder, die durch das hiesige Klima zu einer schnellen Reifung gezwungen werden. Langsamer geht es einfach nicht, denn wegen der dort herrschenden Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit verläuft der Reifungsprozess in Indien etwa 3 Mal schneller als in Schottland. Entsprechend hoch ist auch der Angel’s Share, also der Anteil des Alkohols, der aus dem Eichenfass während der Lagerung verdunstet. Schon nach 3-4 Jahren Lagerung reifen in einem Hogshead-Fass in Indien nur noch um die 150 Flaschen Whisky. Da wesentlich längere Lagerzeiten ökonomisch nicht sinnvoll sind, wird ein 10-jähriger indischer Whisky daher nur als Versuchsballon die Gaumen der Whiskygenießer dieser Welt erreichen.
Zum Schluss noch ein Blick auf einige (nicht alle!) deutschen Brennereien, die den Reifungsprozess häufig beschleunigen müssen, damit sie nicht nach dem ersten Batch aus finanziellen Gründen schon das Handtuch werfen müssen. Ihnen stellen sich oft zwei Probleme. Zum einen muss ein Whisky laut Gesetz mindestens 3 Jahre in einem Eichenholzfass lagern, damit er als solcher verkauft werden darf. 3 Jahre vom Zeitpunkt der Investition in eine Brennanlage bis zum Verkauf des Destillates können jedoch sehr lang sein, wenn man in der Zwischenzeit keine Einkünfte hat.
Glücklich sind also diejenigen Brenner, die ihren Whisky auf einer bereits vorhandenen Obstbrennblase destillieren können und nebenbei noch den Verkauf von Obstlern und Schnäpsen als Einnahmequelle haben. Oder auch nicht, denn der Unterschied dieser Brennblasen zu traditionellen ist fein, aber durchaus bemerkbar. Und eine Obstbrennerei kann man kaum geschmacklich kaum ignorieren, wenn die Lagerung im Fass nicht lange genug bzw. intensiv genug war.
Wobei wir schon beim zweiten Problem wären: der Wahl des richtigen Fasses. Muss man einem weniger whiskytypischen Destillat zu whiskytypischen Aromen verhelfen, muss das Fass diese Aromen in kurzer Zeit bereitstellen können. Hierfür kommen eigentlich nur jungfräuliche Refill-Fässer in Frage, die kurz vor der Befüllung mit einem Whiskydestillat noch einen sehr aromatischen Inhalt hatten: Sherry, Portwein, Rum, Rotwein etc. Jedoch muss man in diesem Fall aufpassen, dass man den Bogen nicht überspannt und der Whisky nach 3 Jahren nicht wie Rum schmeckt, der auf Melassebasis produziert wurde.
Nichts gegen Rum, aber wenn ich Rum schmecken möchte, dann kaufe ich mir eine Flasche, auf der das Wort ‚Rum‘ steht. Und wenn selbst ein richtig gut schmeckender Rum nur den Bruchteil eines Getränkes kostet, auf dessen Flasche zwar das Wort ‚Whisky‘ steht, dessen Inhalt aber hauptsächlich nach Rum o.ä. schmeckt, dann fühle ich mich als Verbraucher einfach nur vera…lbert.
Tja, Turbo-Reifung ist in der Tat ein zweischneidiges Schwert. Manchmal ist es ein notwendiges Übel, manchmal ist es aber auch nur eine üble Geschäftsidee. Ich bin der Meinung, dass man für die Herstellung von Whisky die Zeit einfach nur still stehen lassen sollte. Wer dies nicht kann oder will, muss als Brennmeister richtig gut sein, um diese Regel für mich mit einer Ausnahme bestätigen zu können.