Whiskywelten: Deutschland

Mit Racke Rauchzart fing in Deutschland wohl alles an. In der Retrospektive gab es nach dem erfolgreichen Wiederaufbau des Landes nach dem 2. Weltkrieg Ende der 50er Jahre wieder das Verlangen, das Leben genießen und nicht zuletzt selbst bestimmen zu können. Doch Whisky, der für diese Gefühle stand, war damals für den Otto-Normalverbraucher noch unerschwinglich. In dieser Zeit wurde 1958 der Racke Rauchzart – damals noch als Red Fox Whisky – von der Firma Racke als Verschnitt von schottischem Malt Whisky und günstigem deutschem Getreidebrand auf den Markt gebracht. Doch wenn ich heute mit meinem Vater darüber rede, hätte die Geschichte des Whisky in Deutschland dort auch schon wieder aufhören können.

Hat sie aber nicht. Gott sei Dank! Denn nach und nach fanden auch schottische Whiskys den Weg in deutsche Gläser. Blends wie Johnnie Walker oder Chivas Regal waren die gefragten Alternativen zu den immer noch unbezahlbaren Single Malts, insbesondere wenn man noch jung war und das Geld nicht auf Bäumen wuchs. Das war vor dem Ende der 70er Jahre, als schottischer Malt Whisky durch die zunehmende Reiselust der Deutschen immer häufiger aus den Duty-Free-Läden der Urlaubsländer importiert wurde. Wenig damals noch, aber immerhin ein Anfang.

In den 80er Jahren war es nicht zuletzt der Marke Glenfiddich zu verdanken, dass Scotch Whisky auch in den Regalen deutscher Supermärkte seinen Einzug fand. Der klassische deutsche Korn galt mittlerweile als altbacken und auch Racke stelle sich den neuen Ansprüchen, indem sie aus ihrem Rauchzart einen Blended Scotch machten.

Neben Glenfiddich versuchten viele heute noch bekannte schottische Destillerien einen Platz im Supermarktregal zu ergattern. Das gelang aber erst Glen Grant Anfang der 90er. Der Preis gab den Ausschlag und der ‚Glen‘ im Namen konnte auch nicht schaden. Hochwertigere Ware aus Schottland von Glenmorangie oder Glenlivet wurde vom Kunden zu dieser Zeit noch nicht nachgefragt, war aber schon erhältlich. Zudem kamen Ende der 80er Jim (Beam) und Jack (Daniels) aus den USA zu Besuch und wurden von den Deutschen zum Bleiben eingeladen.

Nachdem sich auch Single Malts in Deutschland etablieren konnten, dachten sich ein paar deutsche Brennereien: ‚Was die Schotten können, können wir schon lange“. Allen voran Pionier Robert Fleischmann mit seiner Blauen Maus ab Mitte der 90er Jahre. Und auch wenn viele Hersteller von deutschem Whisky heute maßgeblich von der Herstellung von Obstbränden oder anderen Spirituosen leben, ist Deutschland nach Schottland eines der Länder, das die meisten Whisky-Brennereien besitzt.

Natürlich kann man aber keinen deutschen Whisky mit einem schottischen vergleichen. Das liegt nicht so sehr am Geschmack, denn deutsche Whiskys schneiden bei Blindverkostungen auch immer recht gut ab. Nein, es liegt vielmehr an der kurzen Lagerung deutscher Whiskys, die aus Zeit- bzw. Geldgründen oft schon nach 3 Jahren auf den Markt gebracht werden. Auch in Bezug auf Rohstoffe geht man andere Wege als die schottischen Kollegen. Geschmacklich und reifungstechnisch wird dies aber häufig durch die Lagerung in kleineren Fässern wieder wett gemacht. Dennoch sind die meisten deutschen Whiskyliebhaber nach wie vor eher dem schottischen Original angetan.

So weit also zum Thema ‚Patriotismus‘. Deutscher Whisky wird vornehmlich von Menschen gekauft, die zwar Ahnung von Thema haben, aber sonst nur neugierig sind. Oder aber von Wagemutigen, die auf ein Abenteuer aus sind. Oder von Einmal-Probierern, die experimentierfreudig sind. Das liegt wahrscheinlich auch am Preis deutscher Whiskys, der etwa 30 bis 50% über den Durchschnittspreisen eines Scotch rangiert. Auch wenn es in Deutschland etwa 6 Millionen Menschen geben soll, die gerne mal einen Whisky trinken, werden nicht viel mehr als 100.000 Flaschen im Jahr abgefüllt. Der höhere Preis ist wegen der geringen Stückzahlen also sicherlich gerechtfertigt, aber dem normalen Verbraucher dennoch nicht unbedingt verständlich.

Deutschland hat sich als Whisky-Land dennoch in einer Nische etabliert. Eine vielversprechende Nische, wie die Nachfrage nach deutschem Whisky zeigt. Denn Gerste und Quellwasser gibt es auch in Deutschland. Also: Arrivederci Grappa. Au revoir Cognac. Daswidanja Wodka. Willkommen Whisky.

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