Kartenspieler in Sachen Whisky

Logo des Verlages Alba-CollectionDer Begriff „Kartenspieler“ im Blog-Titel ist nicht despektierlich gemeint, ganz im Gegenteil. Vielmehr präsentiert Alba Collection die harten Fakten über Whiskydestillerien auf ihren Karten (und den zugehörigen Booklets) mit einer spielerischen Leichtigkeit, die auch den weniger Interessierten neugierig macht. Bestehende, geplante sowie ausgewählte vergangene Brennereien sind in liebevoller Detailarbeit und fein säuberlich auf Karten vermerkt. Nachdem Anfang des Jahres das Flaggschiff „Scotland’s Distilleries“ in der 12. Auflage erschien, ging es Schlag auf Schlag. Japan wurde neu vorgestellt, Irland und Deutschland wurden aktualisiert. Hinzu kommen noch Karten von Islay, Österreich und der Schweiz. Vor kurzem wurden dann nagelneue Karten von den USA und Kanada veröffentlicht. Wegen der hohen Brennereidichte in einigen Gegenden der USA wurden zusätzlich 12 detailliertere Tasting-Maps entworfen.

Wenn man bedenkt, dass in den USA in den letzten Jahren mehrere Hundert Micro-Destillerien das Licht der Welt erblickt haben (ohne Ende in Sicht), und dass das nur ein Land von vielen ist, scheint das Erstellen solcher Karten einer Sisyphusarbeit gleich zu kommen. Kaum hat man eine Karte in Druck gegeben, könnte man schon wieder neue Brennereien hinzufügen. In den USA sind es mittlerweile immerhin über 800 Whiskybrennereien (bei anderen Quellen auch über 1000), in Deutschland mehr als 200 und zunehmend, in Schottland knapp 110 plus weitere 3 Dutzend in Planung oder Bau, in Indien 70 mit starkem Aufwärtstrend, dazu Frankreich, Kanada und Australien mit je 40-50 sowie die Niederlande, Japan, Schweden und nicht zu vergessen das ebenfalls boomende Irland mit je 20-30.

Ich habe mich mit einem der Macher hinter Alba Collection, Rüdiger „Rudi“ Hirst, über Aufwand, Ausdauer, Akribie und Ambitionen hinter diesem Projekt unterhalten und will euch das Ergebnis natürlich nicht vorenthalten. Das Interview ist vielleicht etwas länger geworden als normal, aber es lohnt sich es zu lesen.

WJ: Rudi, was wird in der Alba Collection gesammelt?

RUDI: (grinst) O.K., mittlerweile ist der Namen etwas irreführend. Angefangen hat es halt beim Scotch und mit Schottland, meiner bzw. unserer großen Leidenschaft. Mittlerweile sind wir voll im Thema Whisky angekommen. Wir sammeln Daten und Fakten rund um die Macher vom Wasser des Lebens. Whisky ist für mich eine Kommunikationsdroge, ich möchte ihn nicht nur genießen sondern mich darüber auch austauschen. Mehr darüber wissen und kennenlernen. Viele Dinge erklären sich selbst direkt vor Ort. Das Thema ist so breit und spannend, das kann man alleine gar nicht erfassen, geschweige denn bewältigen. Völlig klar: wir werden niemals in die Situation kommen, dass wir alles rund um das Thema Whisky wissen werden. Es ist letztendlich unsere Motivation, uns immer weiter zu entwickeln, zuzuhören, zu lernen und weiter Informationen zu sammeln.
In erster Linie machen wir das für uns selbst, aber in zweiter Linie auch für Gleichgesinnte und Interessierte. Eine kleine aber feine Zielgruppe, in der wir uns selbst wiederfinden und wohlfühlen. So ist irgendwann die Idee zum Alba-Collection Verlag entstanden, als Versuch den Menschen denen man begegnet, mit denen man zahllose Erlebnisse und Erfahrungen und viele schöne Stunden geteilt hat, etwas zurück zugeben. Woran diese wiederum ihren Spaß haben und was uns auf einer gewissen Weise verbindet.

Whisky Distillery Map Scotland Schottland Karte Alba CollectionWJ: Ihr habt 2011 mit der Alba Collection angefangen. Für eure erste Schottlandkarte habt ihr zuvor 3 Jahre recherchiert und auch dort schon 234 Brennereien verzeichnen können, von Man O’Hoy im Norden bis Bladnoch im Süden. Heute sind es mehr als 400 sowie über 1000 weitere auf euren anderen Karten – von den Angaben in den Booklets gar nicht zu reden. In den letzten 2 Jahren habt ihr beispielsweise zusätzlich zu 300 bekannten Whiskydestillerien in den USA noch 500 neue(re) identifiziert. Das klingt sehr zeitintensiv. Ist das noch Hobby für dich oder wie viel nimmt die Suche nach Fakten in deinem Leben ein? Den Spaß und den Stolz daran lese ich jedenfalls in allen Zeilen, die wir bisher ausgetauscht haben.

RUDI: Richtig, die Alba-Collection habe ich mit zwei Freunden und Gleichgesinnten 2011 gegründet, speziell für die Schottlandkarte. Die Karte bzw. Idee dazu kam einige Jahre zuvor. Ein Whiskyfreund (mein damaliger „Mentor“) und Tastingveranstalter kam mit der Frage bzw. Bitte zu mir, ob ich ihm nicht für seine Tasting eine möglichst große Schottland-Destillerie-Karte machen könnte. Es war jetzt nicht so, dass es diesbezüglich Nichts gab. Ich war zur damaligen Zeit schon vom Whiskyvirus (welchen er mir eingepflanzt hatte) befallen und im normalen Berufsleben Produktionsleiter Verlag und Produktionsleiter Digitaldruck bei einem Kartografie-Verlag. Seine Frage kam also nicht von ungefähr. Er wusste, ich habe das nötige Know-How. Und ich bin verrückt genug, ihm die gewünschte „Überkarte“ zu den Destillerien auf den Punkt zu liefern. Von den 13 Destilleriekarten, die ich zu diesem Zeitpunkt besaß, hing keine in meinem Whiskyzimmer. Keine deckte sich mit meinen Ansprüchen. Ein Grund mehr, mich an die Arbeit zu unserer ersten „persönlichen“ Schottland-Destillerie-Karte zu machen. Ich lieferte die Karte, und sie kam bei ihrem Ersteinsatz auf einen Tasting so gut an, dass ich mit 20 Bestellungen nach Hause ging. In der Folgezeit kamen immer wieder vereinzelt Bestellungen. Schneeballprinzip.
Irgendwann 2011 traf ich mich einen guten Freund (Frank Rittel) in Hamburg zum einen Sondierungsgespräch. Mit ihm habe ich seit 2000 diverse gemeinsame Projekte auf die Beine gestellt. Er hatte einen Lehrmittel- bzw. Spieleverlag und sein neuer Partner (auch Whiskyliebhaber) bekam irgendwann mit, dass wir beide vor einigen Jahren diverse Whiskykalender in Umlauf gebracht hatten (der bekannte Schottland-Panoramakalender eines Münchner Whiskyenthusiasten – sozusagen meine Idee). Die Frage, ob ich mir vorstellen könnte, dass wir gemeinsam wieder einen Whisky-Kalender auflegen, verneinte ich kategorisch. Kalender sind ein echt mühsames Geschäft. Aber ich erzählte ihm von der Schottlandkarte. Die beiden waren von meiner Karten-Idee angetan. Gut, das Thema Whisky passte thematisch nicht in einen Schul- und Lehrmittelverlag, das würde über kurz oder lang Probleme geben. Also gründeten wir einen eigenständigen Verlag. Logo und Namen hatte ich schon in der Schublade. So wurde von uns im Mai 2011 der Alba-Collection Verlag gegründet, und im September waren wir mit der Schottland-Karte pünktlich zum Weihnachtsgeschäft am Start.

WJ: Der erste Schritt war also gemacht. Wie ging es dann weiter?

RUDI: Die Karte für das Tasting hatte ich in der Zwischenzeit komplett überarbeitet, und es entstand die Idee der Karte ein Booklet beizulegen, einfach damit man die Karte an der Wand vor Augen bequem im Sessel sitzend ein Dram in der einen und das Booklet in der anderen Hand gleichzeitig genießen und studieren kann. Anfangs gab es die Karte nur im Format 70 x 100 cm und als Tastingmap 24 x 34 cm für den Tisch, um sein Glas darauf abzustellen. Den Wünschen einiger Whiskyhändler entsprechend – „Die Karte ist wunderschön aber eben nicht für den Versand geeignet“ – folgte ein halbes Jahr später unsere Karte im A2-Format (42 x 60 cm). Inhaltlich kam auch der Sprung von 234 auf über 400 Destillerien. Das Booklet wuchs von 6 auf stolze 36 Seiten an und enthielt allein schon ca. 650 Lost Distilleries.
Das Layouten der Karte ist recht arbeitsintensiv, aber wesentlich zeitintensiver ist die eigentliche Recherche zu den Destillerien, um an Informationen zu gelangen. Wenn man bedenkt, dass von der Idee bis zur ersten Auflage 2011 ca. 6 Jahre vergangen sind. Aber nach Erscheinen der ersten Auflage passierte etwas, was ich nicht einmal ansatzweise erahnen konnte. Die Karten verkauften sich gut, wie von uns zugleich geplant und erhofft, aber davon zu leben oder gar reich zu werden, war ausgeschlossen.
Nein, mit „passiert“ meine ich etwas anders. Es kam haufenweise Feedback zur Karte, durch die Bank weg positiv. Sicher, ich wurde auf kleine Fehler hingewiesen, die ich dankend angenommen und sofort korrigiert habe. Plötzlich kamen die Informationen zu mir, Informationen, wonach ich davor nächtelang in Büchern und im Internet gesucht hatte. Antworten auf offene Fragen, zu den ich noch keine Lösung hatte. Es meldeten sich zahlreiche Whiskyfans, dir mir ihre Hilfe und Unterstützung anboten. Auf meinen Hinweis, Alba ist mehr mein Hobby und ich kann sie gar nicht bezahlen, bekam ich zur Antwort: „Es geht nicht ums Geld – das Projekt ist geil und das unterstützen wir gern“. Und ja, sie freuen sich und sind stolz, wenn sie dann in der nächsten Auflage sehen, diese Lost Distillery ist von mir, diese Jahreszahl habe ich gefunden usw. So ist der Alba-Collection Verlag mit seinen Karten die sichtbare Seite, die andere, die nicht sichtbare, ist das Alba-Netzwerk, welches mittlerweile den Globus umspannt und wächst. So rede ich nicht von Arbeit. Was letztendlich an Arbeit drin steckt, kann man halbwegs erahnen. Lieber rede ich davon, dass es jede Menge Spaß macht. Bei der Recherche sind wir im Laufe der Jahre effektiver geworden. Wir haben unterschiedliche Suchstrategien, kommen zu verschieden Ergebnissen und dann verdichten wir die Informationen. Der Erfolg bzw. die Ausbeute gibt uns Recht, fördern wir in der Regel ca. 25-35% mehr Informationen wie jeder andere zu Tage.

WJ: Wie oft hast du dich auf der Suche nach Whiskybrennereien verfahren, bis du auf die Idee gekommen bist, alle existierenden und verlorenen Brennereien auf Karten zu markieren? Oder gab es andere Gründe hierfür?

RUDI: Zu oft. Und zu oft findet man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Die Angabe des Ortsnamen nützt einem in der Regel nichts. Selbst bei einigen in Betrieb befindlichen Destillerien ist es mitunter schwierig, diese auf Anhieb zu finden. Auch einen Einheimischen zu einer Lost Distillery aus den 18. Jahrhundert zu befragen, bleibt ohne Ergebnis. Ich finde Spurensuche hochinteressant, aber es macht nur Spaß, wenn man tatsächlich auch Spuren findet. Sich nur im Kreis zu drehen und am Ende mit leeren Händen dazustehen, ist nicht meins. Uns ist aus Schottland zu Ohren gekommen, dass plötzlich Whiskytouristen an Orten auftauchen, wo die Jahre zuvor niemand hinkam. Keine Ahnung, woran das liegen könnte.
Nehmen wir Campbeltown, die Whiskyhauptstadt Schottlands vergangener Tage. An besseren Tagen waren dort 36 Destillerien angesiedelt, eigentlich sieht jedes alte Gemäuer nach Lost Distillery aus. Campbeltown selbst ist auf Besucher wie mich überhaupt nicht vorbereitet. Die eigene Vorbereitung auf einen Recherche-Besuch ist also sehr wichtig.
Nun hat sich letztes Jahr die SWA und Historic Scotland entschlossen, Kennetpans, die nachweislich älteste Destillerie in Schottland, die vor 1773 gegründet wurde und von der heute noch eine Ruine existiert, für den Besucherverkehr zugänglich zu machen. Es scheint also bei den Whiskyliebhabern durchaus Interesse für diese Art von Geschichte vorhanden zu sein.
Es braucht seine Zeit die historischen Informationen, möglichst mit genauen Koordinaten, in die Neuzeit zu überführen. Das wird uns wohl noch einige Jahre beschäftigen.

Whisky Distillery Map USA New York Karte Alba CollectionWJ: Ohne dass du jetzt große Firmengeheimnisse ausplaudern sollst, aber… wie beschafft man sich Information zu beispielsweise knapp 900 aktuell tätigen Whiskybrennereien in den USA und Kanada? Aus dem Stehgreif komme ich vielleicht auf die Namen von 2 Dutzend. Wie erfährt man überhaupt von der Existenz einer neuen Micro-Brennerei in Far-Far-Away? Oder auch in Japan. Sind Leute wie Steve Ury („Sku“) hier eine Inspirationsquelle für euch?

RUDI: Eines vorweg: wir tun bei unserer Suche nichts Illegales, es ist alles legal. Vom Prinzip nutzen wir Informationen, welche im weitesten Sinne jedermann öffentlich zugänglich sind. Die hohe Kunst ist das Wissen wo. Generell prüfen wir jede Information nach, auch ein zweites Mal und drittes Mal, bis wir sicher sind, dass die Information korrekt ist oder ganz knapp davor.
Natürlich kennen wir Steve Ury, jetzt noch nicht persönlich. Ich schätze seine Arbeit sehr. Er ist der führende Mann auf den Gebiet der US-Whiskey Destillerien und eine unserer wichtigsten Quellen. Wir haben herausgefunden, wie er recherchiert. Wer sich mit Spirits in den USA auskennt, weißt, dass die Label auf den Flaschen und die Umverpackungen behördlich genehmigt werden müssen. So man in den Staaten ein neues Produkt auf den Markt bringen möchte, muss man Label und Verpackung zur Genehmigung einreichen. Diese Informationsquelle nutzt Steve. Er weiß also frühzeitig, wenn ein neuer Whisky auf den Markt kommt und von wem. Steve hat somit die wohl aktuellste Liste zu den Whiskey Destillerien in den USA… o.k., zur Zeit nur die Zweitbeste.
Dieses Genehmigungsverfahren ist also das Leck, wenn bekannt wird, dass eine Destillerie oder ein Konzern neue Abfüllungen planen. Aber bei dieser Quelle bleiben einige Informationen auf der Strecke: Neubauprojekte, welche in Planung oder Bau sind. Destillerien, welche bereits Whisky produzieren und lagern, aber diesen erst in Jahren abfüllen wollen. Destillerien, welche auf alte Markennamen, die bereits genehmigt sind und derzeit ruhen, zurückgreifen. Destillerien, welche ihren Produktionsstandort verlagern. Wir hingegen sind durch unsere verschiedenen Suchstrategien und unser Netzwerk insgesamt breiter aufgestellt.
Natürlich bereitete es uns diebische Freude zu sehen, dass wir Steve seit März überflügeln konnten und seine wöchentlichen Updates uns eigentlich nur alte Bekannte und Unabhängige Abfüller offerierten. Völlig klar, jetzt, wo die 1. Auflage gedruckt ist, werden wir an Steve wieder Boden verlieren. Das ist die Krux bei Printprodukten in der Neuzeit. Was aber nicht heißt, dass wir nun die Hände in den Schoß legen. Keine Sorge, wir bleiben da dran, und alles, was bei Steve durch das Raster fällt, findet in uns frühzeitig dankbare Abnehmer.
Zugegeben, die Daten- und Informationslage zu den US-Destillerien ist verheerend und uferlos, da findet man Firmen, die haben 2000 verschiedene Marken am Markt, produzieren aber nichts selber. Bei anderen findet man jede Menge widersprüchliche Informationen. Da muss man sich durchkämpfen und kommt letztendlich an die eine Person, die einem weiterhelfen kann. Mich erreichen auch E-Mails, wo mir jemand erklärt, er habe gehört, dass wir eine USA-Karte machen. Er baut gerade seine Destillerie auf und will mit auf die Karte. Da lasse ich mich dann nicht zweimal bitten, vorausgesetzt er kann den Nachweis erbringen, dass es an dem ist. Sonst könnte ja jeder kommen, und wir würden als komische Nummer irgendwann blöd dastehen. Unsere härtesten Kritiker sind wir wohl untereinander, wenn wir unsere Informationen gegeneinander prüfen und abgleichen. Da wird schon mal um die eine oder andere Destillerie – ob oder ob nicht – gestritten und gezerrt.

WJ: Wer kauft eure Karten eigentlich? Euer Klientel stelle ich mir recht spezialisiert vor, aber von Maltheads alleine kann man wohl nicht leben.

RUDI: Gute Frage. Diese Frage stellen wir uns übrigens auch immer wieder und sind noch zu keinem schlüssigen Ergebnis gekommen. Ein gewisser Eigenbedarf bzw. Eigennutz ist immer mit im Spiel, aber Mitwirkende und Helfer bekommen die Karten auch so. Unsere Zielgruppe, die Whiskyliebhaber, Whiskyenthusiasten – Maltheads, wie du so schön sagst – und Whiskyinteressierte, ist sehr klein, dazu noch hochspezialisiert und überaus anspruchsvoll. Ich schätze den harten Kern in Deutschland um 1000 bis 1500 Leute. Dass da jeder eine Karte von uns hat, glaube ich nicht. Mein Partner hat ja Verlagswesen studiert, folglich kam das Thema Marktstudie und Zielgruppenanalyse neben anderen Dingen auf den Tisch. Soweit von der unternehmerischen Seite erstmal völlig richtig. Aber jetzt für viel Geld ein Marktforschungsinstitut damit zu beauftragen, herauszufinden, wie viele Karten der Markt bzw. die Zielgruppe, welche keiner exakt bestimmen kann, aufnehmen könnte? Am Ende gibt es eine gewürfelte Zahl fern von jeder Realität und für uns eine satte Rechnung, die mit dem erzielten Verkaufserlös nicht zu begleichen ist.
Unsere Schottlandkarte von 2011 ist Februar dieses Jahres in der 12. aktualisierten Auflage erschienen. Sicher halten wir unsere Auflagen klein, um sie möglichst aktuell zu halten. In der Regel erscheinen alle Formate jedes Jahr neu. Aber wir reden von Auflagen jenseits der 1000. An diese Entwicklung hat im Verlag in seinen kühnsten Träumen keiner geglaubt. Es hätte auch anders kommen können.
Auf Tastings, wo die Karte zum ersten Mal auftaucht, werden Verkaufsquoten jenseits der 70% erreicht. Wir sind ein Verlag, alle unsere Produkte bekommen eine ISBN, von daher ist der Buchhandel ein weiterer weltweiter Vertriebskanal.

WJ: Ich habe auch vom Vertrieb in mehr als 100 Länder gehört.

RUDI: Ja, wir liefern in über 100 Länder, sicher viele Länder in ganz geringen Umfang. Ich bin da außen vor und habe mit dem operativen Geschäft nichts zu tun. Ich bin mehr der Kreative und habe andere Baustellen. Aber im Verlag existiert eine Karte, wo die Länder und Orte, von wo Bestellungen eingehen, markiert werden. Von daher sind wir auf der Höhe des Geschehens. Ich bekomme gelegentlich die Info, wenn eine exotische Bestellung aus Suriname, Israel oder so eingeht, oder dass wir vor ein paar Wochen die Magische 100 geknackt haben. Dann wirkt das Schneeballprinzip. Für uns gut, so bekommen wir immer mit, wann eine Auslandsbestellung ihren Empfänger erreicht. Uns erreichen kurz danach 5 bis 10 Folgebestellung aus eben dieser Region. Ein gutes Gefühl zu wissen, die Karte ist im Zielgebiet erfolgreich eingeschlagen und traf auf Zustimmung.
Und an dieser Stelle wieder mein Dank an meine Whiskyfreunde und Helfer. Die ungefragt und unaufgefordert in Whiskyläden oder Destillerien reinstürmen, den Leuten in den höchsten Tönen von der Karte vorschwärmen und ihnen letztendlich eine unserer überdimensionierten Visitenkarten überreichen. Gelegentlich für mich peinlich, wenn ich dabei bin und dann ungefragt als der Mann vorgestellt werde, der dahinter steckt. Oder meine Freunde und Bekannten melden sich bei mir, um zu erzählen, dass sie demnächst da und da hin fahren und ob sie für mich ein paar Karten verteilen sollen. Keine Ahnung, wo wir ohne sie stehen würden, aber mit Werbung oder Geld kann man das nicht kaufen.

WJ: 2010 hast du mit der Veröffentlichung des „Big Book Schottland“ technische Maßstäbe gesetzt – und entsprechende Preise in der Druckbranche abgeräumt, unter anderem wegen knapp 5 Meter breiten Panoramabildern. In wie weit hast du diesen Anspruch auf High-End und Perfektion auch auf eure Karten übertragen können? Die Preise eurer Karten sind ja erfreulich kundenfreundlich und deuten weniger auf teure Technologie hin.

RUDI: Die Panoramabreite des Big Books mussten wir begrenzen, da die Layoutprogramme und das PDF-Format nur Dokumentengrößen bis 5,04 m zulassen. So konnte ich das Buch noch in Originalgröße layouten und in jeder Produktionsphase das Ergebnis sehen bzw. erahnen. Aber zum „Big Book Scotland“ ist ja schon genug erzählt worden. Im normalen Beruf bin ich nach wie vor in einer Offset-Druckerei im Digitaldruck tätig, und es gehört zu meinen Aufgaben, für unsere Kunden Printprodukte und Lösungen für ihre Ideen und Produkte zu entwickeln bzw. zu produzieren. Da ist man ständig gefordert, neue Wege und Lösungen zu finden und zu beschreiten, die es unter Umständen so noch nicht gab, wo man zum Teil zu Beginn nicht mit Sicherheit sagen kann, ob es funktioniert oder wie es ausschaut.
So bin ich von Berufswegen her ständig am Lernen, Basteln und Probieren. Das überträgt sich logischerweise auf unseren Verlag und unsere Produkte und die Produktideen. Folglich war es auch nie meine Absicht eine x-beliebige Schottlandkarte zu machen, wovon es schon reichlich gab. Nein, es sollte ein Karte werden, die meinen Ansprüchen genügt. Sicher, auf den ersten Blick sieht sie wie eine ganz normale Karte aus. Aber ich habe immer eine diebische Freude daran gewisse Sachen einzubauen, welche nicht sofort ins Auge stechen. Der wirklich interessierte Betrachter findet diese irgendwann und erfreut sich daran. Nun ja, ich freue mich dann, wenn es entdeckt wurde.
Die Karte ist selbstverständlich ein High-Quality-Printprodukt, das ist nicht nur eine hohle Werbefloskel. Nur wenige Druckereien in Deutschland sind dazu überhaupt in der Lage, und Deutschland ist da schon die Weltspitze. Also: 7-farbig gedruckt im 200er Hybridraster, das das feinste Raster ist, was zur Zeit technisch machbar ist. Drip-Off Lack. Sieben Farben mit den Grundfarben Cyan, Magenta, Yellow und Schwarz. Dazu Kupfer als Sonderfarbe, da es keine gewöhnliche Kupferfarbe sondern ein hochpigmentierte ist, bei der der Anteil an Kupferpigmenten höher als bei normaler Kupferfarbe ist. Und zum Schluss dann Matt- und Glanzlack. Die Schmuckelemente der Karte werden mit Kupfer gedruckt. Damit bin ich also ganz dicht am Thema, denn woraus sind die Potstills? Aus Kupfer, na klar. Dann kommt eine ganzflächige Mattlackierung, die mögliche Reflexionen reduziert, und ganz zum Schluss partiell der Glanzlack auf alle Kupferbestandteile. Ein interessierter Betrachter bemerkt bei Tageslicht beim Vorbeigehen sicher den Metallic-Kippeffekt, so als ob einen die Destillerien hinterher schauen würden. Wie gesagt, bei Kunstlicht ist es nicht wahrnehmbar. Ein positiver Nebeneffekt dabei ist auch ein gewisser Kopierschutz.
Bei den Preisen sind wir immer bestrebt, einen fairen Preis für ein hochwertiges Produkt aufzurufen. Es sollten möglichst alle Beteiligten damit leben können. Zum September wird es nun eine Preisanpassung geben, da kommen wir nicht mehr drum herum, es ist leider alles teurer geworden. Ich hoffe wir konnten einen Mittelweg finden, einfach war das nicht.

WJ: Die Topografie und die „künstlerische Basis“ eurer Karten sehen für einen Laien wie mich schon ziemlich identisch aus. Habt ihr dafür euren eigenen Kartografen oder redigiert ihr das selber.

RUDI: Wie anfangs erwähnt habe ich in einem Kartografie-Verlag laufen gelernt, das Karten zeichnen sozusagen von der Pike auf gelernt. Das ist keine Zauberei, es ist reine Fleißarbeit und erfordert ein hohes Maß an Disziplin und Konzentration. Unsere Karten sind vektorisiert, somit ohne Qualitätsverlust voll skalierbar und auf jede Kundenwunschgröße anpassbar. So wir also diesbezüglich Kundenanfragen bekommen, wird der Wunsch auch in Erfüllung gehen, gar keine Frage.
Ein paar Details noch zu den Karten. Ich hatte mir zu Beginn Gedanken zur Corporate Identity der Schottlandkarte gemacht, und diese wird nun bei allen Karten umgesetzt. Damit haben wir ein homogenes, unverwechselbares Erscheinungsbild, man kann schon sagen die Produkte der Alba-Collection haben ein Gesicht. Schottland selbst setzt sich aus 192.000 Pfadsegmenten zusammen, verteilt auf 60 verschiedenen Ebenen. Die Basiskarte darauf aufgesetzt sind es dann noch ca. 20 Ebenen, auf denen sich ca. 1500 Text- und Grafikobjekte verteilen. Aber mein eigentliches bisheriges Meisterwerk ist die Islay-Karte. Diese besteht aus 385.000 Pfadsegmenten. Dort ist jedes Destilleriegebäude eingezeichnet.

WJ: Die technische und optische Qualität eurer Karten ist aller Ehren wert, keine Frage. Wie groß siehst du aber die Konkurrenz durch das Internet? Die Welt des Whiskys ist in Bezug auf die Brennereilandschaft aktuell ja verhältnismäßig schnelllebig. Brennereien entstehen und werden geschlossen, Pläne werden gemacht und verworfen. Durch digitale Karten kann man darauf schneller reagieren. Ist dabei nicht das handlich Informative wichtiger als das optisch Präsentable?

RUDI: Zum einen bin ich im druckenden Gewerbe beheimatet und die Alba-Collection ist ein Verlag, wir sind somit verlegerisch tätig. Sicher, die Brennereilandschaft ist derzeit stark in Bewegung. Dem versuchen wir mit kleinen Auflagen in kurzen Zeiträumen aktuell entgegenzutreten. Aber sowie die Karte gedruckt ist, sind Änderungen nicht mehr möglich.
In Schottland gibt es gegenwärtig jährlich 5-10 Änderungen, neue Destillerien, welche frühstens in drei Jahren den ersten Whisky auf den Markt bringen können. Nun entscheidet jeder Kunde für sich, ob er sich jedes Jahr die aktuelle Karte kaufen möchte, oder ob er drei Jahre wartet und sich dann sein Update kauft, oder ob er mit der vorhandenen Karte für den Rest des Lebens klarkommt. Natürlich ist die Zeit schnelllebig geworden, und wir steuern auf unseren digitalen Overload zu. Die Leute sollen die Karte aber in ihr Whiskyzimmer hängen, sich daran erfreuen und ihren Whisky genießen. Ich glaube nicht, dass sich jemand ein Tablet oder Flatscreen an die Wand nagelt, um sich darauf seine Whiskykarte anzuschauen. Da ist unsere Karte vermutlich die optisch schönere und preislich günstigere Alternative.
Nun bin ich zur Recherche sehr viel in Netz unterwegs und habe daher auch einen Überblick, was man an digitalen Whiskykarten so alles findet. Ich bin überrascht wie schlecht diese zum Teil sind oder auch wie ungepflegt. Sorry, da ist unsere Karte in der Regel wesentlich aktueller.
Ich sehe das Internet nicht als Konkurrenz, es ist eine gute Ergänzung. Wenn ich mir überlege, welche Möglichkeiten das Internet, ein eBook oder eine Mobiltelefon für unterwegs bieten. Völlig klar, ich möchte beides, die Karte für die Wand und eine geniale Lösung für Unterwegs. Also wir sind der Neuzeit gegenüber aufgeschlossen und haben uns zu den Themen eBook und App so unsere Gedanken gemacht. Ich darf an dieser Stelle noch nicht allzu viel verraten, nur dass wir dran sind. Und ich denke, wir werden unserem Ruf, den wir uns mit unseren Karten erarbeitet haben, dann auch vollumfänglich auf diesem Gebiet gerecht werden.

Elements of Scotch Periodensystem Whiskybrennereien Alba CollectionWJ: Die Alba Collection auf die Karten zu reduzieren, soll aber nicht meine Absicht sein. Schließlich hattet und habt ihr auch andere kreative Produkte im Programm. Neben Aufkleber und Korkuntersetzern gab es zuvor auch Kalender, antike Schottlandkarten und Whisky-Bags aus LKW-Plane, in denen 3 Flaschen Platz hatten und außen zusätzlich ein Whiskyglas angehängt werden konnte. Habt ihr weitere solcher Ideen für die Zukunft?

RUDI: Kein Problem. Unserer Hauptaugenmerk liegt derzeit auf unseren Karten. Es kommen auch ständig Anfragen nach thematischen Karten, ob wir nicht… irgendwie hat es sich herumgesprochen, dass wir nicht die schlechtesten Karten machen und in der Regel eine Punktlandung anstreben. Derzeit sind wir in der glücklichen Lage, Dinge zu entwickeln, die uns Spaß machen, die irgendwie witzig sind und auch für uns einen Gebrauchswert haben.
Wir wollen nicht kopieren. Wir wollen Dinge auf den Punkt bringen und wenn wir sie dazu erfinden. Der WhiskyBag® zum Beispiel, unsere Antwort auf die „Rucksacktouristen“ auf Messen, und gleichzeitig bin ich den Glashalter von meinem Hals losgeworden. Der Glashalter, die beste Erfindung seit es Whiskygläser gibt. Nur eben nicht für meinen Hals. Mein Vorteil: ich bin mit dem Glashalter-Erfinder bestens befreundet und im gleichen Whiskyclub. So war es kein Thema, den Glashalter im WhiskyBag® zu integrieren. Den Clip zur Befestigung einer Wasserflasche am WhiskyBag® hatte er mir gleich noch mitentwickelt. Da ist es wieder das Phänomen, welches man mit Geld nicht kaufen kann.
Das Thema Kalender wollte ich ja nicht mehr anfassen, aber den Bitten meiner Partner nachkommend, näherte ich dem Thema doch wieder. Entstanden sind ein Arran- und zwei Islay-Konturkalender. An sich ist das schon das absolute Highlight, die Kalender genau auf die Inselkontur zu stanzen, aber als Bonbon sind sie limitiert auf 299 Stück. Die Kunden konnten die Nummer frei wählen und ihren eigenen Titel gestalten. Aufgrund meiner begrenzten Zeit habe ich das Kalenderthema aber wieder auf Eis gelegt.
Letztes Jahr haben wir wieder ein Spaßprojekt aufgelegt, unsere „The Elements of Scotch“. Ca. 15.000 bis 20.000 Seiten Whiskywissen hochverdichtet auf ein Plakat unterzubringen, was jeder Whiskykenner sofort versteht, war die selbstgestellte Aufgabe. Eigentlich zur Freude der Whiskyhardcorer entwickelt, erfreuen sich die „Elements“ unerwartet großer Beliebtheit bei Whiskyneulingen und Chemikern.
Unser Hauptproblem: uns fehlt es an Zeit. So müssen wir zahlreiche Ideen erstmal zurückstellen. Zumindest haben wir anscheinend nicht das Problem, dass uns die Ideen auszugehen drohen. Auch werden ständig neue Ideen an uns herangetragen. Manche Ideen lassen sich schnell umsetzen, an anderen Ideen entwickeln wir im Hintergrund schon eine ganze Weile.

WJ: Apropos Ideen… Whiskykarten welcher Länder oder Ländergruppen können wir von euch in der nächsten Zeit noch erwarten? Es tut sich ja weltweit einiges in der Branche.

RUDI: Tja, wenn heute jemand unser Verlagsportfolio anschaut, dann sollte klar sein, wohin unsere Reise geht. Es ist erkennbar welche Regionen noch fehlen. Bevor wir mit unserer Whisky-Weltkarte als verbindendes Element unseren Zyklus „Whiskyregionen der Welt“ abschließen, werden wir die fehlenden Regionen Nordeuropa, Frankreich/Benelux und Australien sicher noch veröffentlichen. Vielleicht nehme ich mir dann noch einmal die Speyside vor und mache sie ähnlich Islay auf. Auch geistert mir ein Stadtplan von Campbeltown mit allen Lost Distilleries schon seit längerem im Kopf herum.

WJ: Da habt ihr ja noch Pläne, wie ich höre. Zum Abschluss noch etwas Kurioses. In der Deutschen Nationalbibliothek werden alle deutschsprachigen Publikationen ab 1913 gesammelt. Damit auch eure Werke. Wusstest du, dass die Whiskykarten dort in der Sachgruppe „640 Hauswirtschaft und Familienleben“ katalogisiert sind? Oder ist die zweite Sachgruppe „910 Geografie, Reise“ eher in deinem Sinne?

RUDI: (lacht) O.K… weißt du, als Verlag sind wir verpflichtet, der Nationalbibliothek je zwei und der Landesbibliothek Hamburg je ein Pflichtexemplar unaufgefordert und kostenfrei zuzusenden. Kommt man seiner Pflicht nicht nach, bekommt man ein Vierteljahr nach Erscheinungstermin eine Aufforderung mit Rechtsbelehrung und Maßnahmenkatalog was passiert, wenn man seiner Pflicht nicht nachkommt. Letztendlich sind dort Fachkräfte beschäftigt, die wissen was sie tun. Eine ISBN-Anmeldung der Titel ist auch ein nerviges Prozedere. Da müht man sich redlich, jedes einzelne Feld sachlich richtig und möglichst mit sinnvollen Inhalten zu füllen. In der Hoffnung, dass unsere Angaben nachvollziehbar und verständlich sind. Findet man eine Karte, findet man auch alle anderen. Die Onlineportale holen sich dann irgendwelche Infos von irgendwo. Es ist mir mittlerweile egal. Das „Big Book Schottland“ wird ja auch als Taschenbuch geführt.

WJ: Lieben Dank, Rudi, dass du dir die Zeit für dieses ausführliche Interview genommen hast. Ich freue mich schon auf eure nächsten Karten, insbesondere Nordeuropa. Viel Erfolg weiterhin für euch!

2 Gedanken zu “Kartenspieler in Sachen Whisky”

  1. Toller Beitrag, und sehr informativ! Übersicht bringen zu wollen in dieses unübersichtliche Gewirr von Neugründungen und „Brennereien“ ohne eigene Brennblasen, wie es derzeit beispielsweise in den USA besteht, ist eine gewaltige Aufgabe. Diese Fleißarbeit kann man gar nicht hoch genug schätzen.

    1. Diese Komplimente gebe ich doch sehr gerne an Rudi weiter!

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