Whisky-Mythen, aufgeklärt

Bowmore Washback

Ach, was ranken sich im vermeintlichen Allgemeinwissen über Whisky doch Mythen. Damit meine ich natürlich nicht die im mystischen Verstand des Wortes. Es sind eher solche, die in der Öffentlichkeit über das Lebenswasser immer wieder verbreitet wurden und werden, bei näherer Betrachtung jedoch allenfalls als Vorurteil oder als Unwahrheit angesehen werden können. Nur weil Aussagen oft genug wiederholt werden, steigert das bekanntlich nicht deren Wahrheitsgehalt. Was ist also wirklich dran an den Mythen um das Lebenswasser? Was ist wahr, was ist falsch? Im Folgenden die Wahrheit zu den 10 wohl beliebtesten Whisky-Mythen.

1. Schotten brannten als Erste Whisky
Beginnen wir mit der Aufklärungsarbeit bei den Anfängen von Whisky, besser gesagt dem ‚uisge beatha‘, dem Lebenswasser wie es ursprünglich im Gälischen hieß, bevor die Engländer den Begriff ‚Whisky‘ im 18. Jahrhundert geprägt haben. Oder sollte ich an dieser Stelle korrekterweise die irische Schreibweise ‚uisce beatha‘ nennen? Denn die Herkunft des ersten Whisky ist leider ungeklärt und die Gelehrten streiten sich darüber, ob dieser zuerst in Irland oder in Schottland destilliert wurde.
Sicher ist nur die erste urkundliche Erwähnung vom Lebenswasser (‚aquavite‘ im Originaltext), das aus gemälzter Gerste hergestellt wurde, in schottischen Steuerpapieren aus dem Jahre 1494. Ganz davon abgesehen, war das Lebenswasser der damaligen Zeit nicht mit dem Whisky von heute vergleichbar. Beispielsweise war eine langjährige Lagerung in Eichenholzfässern unbekannt.
Wo will man also eine Grenze ziehen, ab wann Whisky auch wirklich als Whisky angesehen werden kann? Denn die Kunst der Destillation – die übrigens schon vor mehreren Tausend Jahren in Mesopotamien entwickelt wurde – haben christliche Mönche zu den Kelten gebracht, die sie ab dem 5. Jahrhundert missioniert haben. In welchem Land man nun den ersten Keltenbrand hergestellt hat und auch welche Zutaten dafür verwendet wurden, bleibt also ungeklärt.

2. In Schottland wird am meisten Whisky gebrannt
Obwohl es in Schottland mit 109 lizenzierten Destillerien (Stand 2013, Quelle: Scotch Whisky Association SWA) recht viele und für den Ottonormalverbraucher mit Sicherheit auch die bekanntesten gibt, ist Schottland trotzdem nicht das Land mit der höchsten Produktionsmenge. Man muss dafür wissen, dass zwar rund 90% aller Single Malt Whiskys aus Schottland kommen, aber Blended Whisky weltweit die beliebteste Whiskyart ist. Dies gilt insbesondere für das bevölkerungsreiche Land Indien genauso wie für Schottland, wo etwa 80% aller Whiskys vermischt werden. So finden sich gemäß den letzten Statistiken über die meistverkauften Whiskys 8 in Indien gebrannte unter den Top 10 – allesamt Blends. Nur mit Johnnie Walker (Platz 3, Diageo) und Ballantine’s (Platz 10, Pernod Ricard) schaffen es zwei schottische Blends in die Ränge.
Frankreich konnte sich 2013 übrigens mit dem höchsten Pro-Kopf-Whiskykonsum brüsten (2,15 Liter pro Jahr), in Großbritannien sind es 1,25 Liter und Deutschland kommt nur auf 0,45.

3. Scotch Whisky kann man überall herstellen
Das ist so nicht ganz richtig. Man kann Scotch Whisky nur überall kaufen, mittlerweile in knapp 200 Ländern dieser Erde. Entsprechend der EU-Verordnung 110/2008 darf Scotch Whisky jedoch ausschließlich im Vereinigten Königreich (Schottland) produziert werden. Mehr noch. Er muss auch in Schottland mindestens 3 Jahre in Eichenholzfässern lagern und muss in Schottland in Flaschen abgefüllt werden. Alles andere ist eben nur Whisky, kein Scotch. In vielen Ländern bekommt man allerdings nach der Bestellung eines ‚Scotch‘ auch gerne schon mal einen Bourbon oder gar eine lokale ‚Spirituose‘ eingeschenkt.

4. Whisky ist ein Getränk für harte Kerle
Was Cowboys und Piraten dem Verbraucher nicht alles einreden können. Spätestens seit Hollywood entsprechende Filme produziert, stehen diese harten Kerle für den regelmäßigen Konsum von Whisky in staubigen Bars und Rum auf schwankenden Schiffen. Doch auch Weicheier, Strohsternbastler und Warmduscher wie ich mögen und vertragen Whisky. Und – man(n) stelle sich das nun einmal wirklich vor – die Zahl der Frauen, die sich dem Whisky nähern, wächst (was sehr gut ist!). Denn das schöne an Whisky ist, dass es nicht nur solchen für harte Kerle gibt, sondern auch jede Menge leckere Alternativen für alle Sitzpinkler.

5. Nur alte Leute trinken Whisky
Auch diesem Filmklischee möchte ich widersprechen. Ich bin zum Beispiel wesentlich jünger (naja, ‚wesentlich’…?) als der älteste Whisky, der in meinem Regal steht. Wenn ich mich zudem auf Whiskymessen und in Whiskyforen umsehe, dann liegt der grob geschätzte Altersschnitt irgendwo ein Stück über 40 Jahren. Das ist nicht alt. Da wandert der Whisky ein paar Stunden nach dem Genuss noch nicht in einen geruchssicheren Beutel!
Es ist aber sicherlich korrekt, dass die Jugend wenigstens dem Single Malt Whisky nicht verfallen ist. Das liegt nur weniger an Vorlieben oder Abneigungen der jungen Verbraucher, sondern in der Regel am vergleichsweise hohen Preis von Whisky. Wodka und Alkopops sind eben unschlagbar günstig, wenn man gerade nicht an den Schlüssel für Papa’s Whiskybar kommt.

6. Whiskys ähneln sich alle im Geschmack
… sagt jemand, der bisher nur Jack Daniel’s getrunken hat. Oder Jim Beam. Aber bestimmt noch nie einen Glenglassaugh, einen Amrut oder einen Rittenhouse. Selbstverständlich gibt es Whiskys, die sich ähneln. Das sind diese, die sich am besten verkaufen, weil sie den Geschmack der Masse treffen. Wer es sich allerdings traut, sollte beim nächsten Besuch im Supermarkt vor dem Spirituosenregal mal einen mutigen Schritt zur Seite machen und anstatt zu einem bekannten Bourbon oder einem Blend zu einem Single Malt oder einem Straight Rye Whisky greifen. Die Geschmacksvielfalt wird überraschen und bei zwei oder drei Versuchen findet jeder eine oder zwei Alternativen zu Jack & Jim.

7. Lange Reifung und hohes Alter sind ein Zeichen für gute Qualität
Gegenfrage: Was ist eine gute Qualität? Ist es, wenn ein Whisky einem schmeckt? Dann bin ich mir sicher, dass auch junge Whiskys vielen Leuten schmecken würden. Die Qualität eines Whiskys beginnt nämlich schon bei der Destillation des Rohstoffes. Alles was danach bei der Reifung in Eichenholzfässern geschieht, kann man nur über die Herkunft des Fasses und dessen mögliche frühere Nutzung beeinflussen. Fassreifung ist ein ziemlich komplexes Thema, bei dem nur eines sicher ist: junger Whisky hat Geschmack und alter Whisky hat Geschmack. Welcher dieser beiden am Ende besser schmeckt, hat aber nichts mit der Qualität des Whiskys zu tun.
Für diejenigen, die hohe Qualität mit hohem Preis gleichsetzen, wird die Aussage allerdings der Wahrheit entsprechen.

8. Dunkle Whiskys bieten mehr Geschmack
Jein, denn die dunkle Farbe eines Whiskys kann zwei Ursachen haben. Zum einen kann die Farbe vom Fass kommen, wenn der Whisky darin lange genug lagert. In dieser Fall nimmt der Whisky auch diverse Aromen des Fasses und von dessen früheren Inhalt auf.
Zum anderen kann die Farbe aber auch künstlich erzeugt werden, in dem man dem Whisky Farbstoff (E 150a, Zu­cker­cou­leur oder Zuckerkulör… wichtig ist der Zusatz ‚a‘ für das ‚E 150‘!) zusetzt. Dies muss jedoch immer auf der Verpackung vermerkt sein. Da Zuckerkulör nahezu geschmacksneutral ist, führt das nicht zu einer geschmacklichen Veränderung des Whiskys.
Das Postulat ist also nur bedingt gültig, zumal man durchaus auch helle Whiskys mit intensiven und vielfältigen Aromen finden kann.

9. Rauchige Whiskys schmecken nach Aschenbecher
Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage liegt in den Augen des Betrachters, oder besser gesagt in dessen Geschmacksempfinden. Zugegeben, rauchige Whiskys können sehr extrem schmecken, beispielsweise nach Lagerfeuer oder nach Räucherschinken. Aschenbecher hatte ich bisher jedoch noch nicht so viele im Glas. Wer einen subjektiv ungenießbaren rauchigen Whisky probiert hat, sollte danach nur nicht gleich alle rauchigen Whiskys verteufeln. Wer mehrere davon probiert hat – optimalerweise nicht nur von einer Brennerei – und diese immer noch nicht mag, sollte zudem leicht einen leckeren Whisky finden können, der nicht rauchig ist. Davon gibt es mehr als genug.
Im Zweifelsfall sollte man mit einem fachkundigen Verkäufer im Spirituosengeschäft seines Vertrauens über die eigenen Geschmacksvorlieben reden und sich einen Whisky empfehlen lassen, dessen Malz nicht über Rauch getrocknet wurde.

10. Whisky trinkt man am besten mit Eis
Das kann man so machen, man sollte es aber vermeiden. Whisky ‚on the rocks‘ bedingt zwei Effekte, die den Geschmack eines Whiskys empfindlich beeinflussen können. Das liegt zum einen am Eis, das mit der Zeit im Whisky schmilzt und den Whisky verwässert. Gibt man normalerweise nur ein paar Tropfen Wasser in seinen Whisky, um diesem ein paar andere Aromen abzuringen, ist die Menge des Wassers, die beim Schmelzen von Eiswürfeln freigesetzt wird, eher als kontraproduktiv zu werten.
Zum anderen beeinträchtigt Kälte das Geschmacksempfinden des Menschen. Bei durch Eis gekühlten Whiskys nimmt man also nicht mehr so viele Aromen wahr, wie bei zimmerwarmen. Für empfindliche Geschmacksknospen kann das natürlich ein Vorteil sein, aber im Normalfall sollte man einen Whisky über seinen Geschmack bewerten und nicht über die Wirkung seines Alkoholgehaltes.

Es gibt sicherlich noch wesentlich mehr dieser Mythen, Vorurteile und Halbwahrheiten. Aber irgendwo muss ich mich in meinen Worten ja auch beschränken. Wer noch mehr Aufklärungsarbeit zum Thema Whisky-Mythen leisten kann, darf gerne einen Kommentar posten. Vielleicht können wir so den einen oder anderen Mitmenschen eines Besseren belehren.

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