Whisky ist mit den Jahren ein immer teurer werdendes Vergnügen geworden – jedenfalls für diejenigen, die sich nicht schon seit Jahrzehnten damit beschäftigen und sich einen kleinen Vorrat angelegt haben. Eine Trinkreserve, wie es so schön heißt. Steigende Preise sind jedoch nur in begrenztem Maße einer “normalen” Inflation geschuldet. Whisky wird zunehmend als Spekulationsobjekt angepriesen. Das ruft neben Investitionsplattformen auch sogenannte Bottle Flipper auf den Plan, die sich Abfüllungen mit begrenzter Auflage und vermutlich großer Nachfrage anschaffen, um sie kurz darauf mit einem potentiell netten Gewinn wieder zu verkaufen.
Zugegeben, solch ein “Geschäftsmodell” braucht immer zwei Seiten: Verkäufer und Käufer. Anbieten kann ich meinen eben erst erworbenen Ardbeg TEN natürlich für 200 Euro. Ob ihn für diesen Preis jemand kauft… wohl kaum. Wenn es aber beispielsweise um Abfüllungen des jährlichen Feis Ile geht, kenne ich Whiskyliebhaber, die sich ihre Reise nach Islay durch den Verkauf von ansonsten schwer zu bekommenden Flaschen regelmäßig finanzieren konnten. Wer schnell war, konnte auch mit 100% Aufschlag erfolgreich sein.
Die ersten Whiskyauktionen nach einem Feis Ile sind zudem regelmäßig mit aktuellen Abfüllungen gut bestückt. Und bei eBay gibt es immer wieder Angebote von Flaschen, deren offizieller Verkauf erst ein paar Tage nach dem Auktionsstart beginnt. Bei anderen, größeren Auktionen werden Dutzende identische Abfüllungen direkt nach deren Release angeboten. Ich sage nur Macallan oder Ardbeg. Ein Wahnsinn!
(wer nun meint, dass ich diesen Post mit einem sauren Unterton schreibe, hat völlig Recht)
Wenn ich vorher über ein “Geschäftsmodell” geschrieben habe, ist der Begriff nicht unbedingt weit hergeholt. Natürlich gibt es Fälle, in denen Whiskys verkauft werden, die sich schon Jahre oder Jahrzehnte im Besitz der gleichen Person befanden. Weil ein Umzug in eine kleinere Wohnung ansteht, das Auto den Geist aufgegeben hat oder weil man mit eintretender Altersweisheit einfach einsieht, dass man nicht so viel trinken kann, wie man im Laufe der Jahre angeschafft hat. Der guten Gründe gibt es viele. Bevor sie im Regal verstauben, spricht für mich auch nichts dagegen, ältere und alte Abfüllungen durch einen Verkauf (hoffentlich) ihrer Bestimmung zuzuführen: dem Genuss.
Anders verhält es sich für mich, wenn man auf die Gehirn fressende Gier der Gemeinschaft setzt und mehr oder weniger regelmäßig auf den schnellen Euro aus ist. Schaut man sich zugängliche Nutzerkonten einiger Online-Verkäufer näher an, kann der Gedanke aufkommen, dass der Verkauf kommerziell betrieben wird. Zumindest zeitweise (je nach Einkaufsmöglichkeit) und zumindest für den geneigten Steuerbeamten.
So ist das wohl, wenn der schnöde Mammon jedweden Idealismus zur Illusion verkommen lässt.
Dass sich private Flipper damit einen finanziellen Vorteil gegenüber gewerblichen Händlern erschleichen, die für ihre Preisfindung noch Steuern beachten müssen, steht noch einmal auf einen anderen Blatt.
Was man tun kann, damit mehr Whisky für realistische Preise und den echten Genuss übrig bleibt?
Zuallererst kann man natürlich sein Gehirn einschalten und nicht hinter jeder Sau her rennen, die durch’s Dorf getrieben wird. Wo kein Käufer, da kein Anreiz für ein überteuertes Preisschild. Erfahrungsgemäß ist es so, dass der Preis von begehrten Abfüllungen auf dem Sekundärmarkt kurz nach deren Erscheinen am höchsten ist. Manche fürchten wohl, dass sie leer ausgehen könnten und zahlen für die ersten Angebote lieber – aber möglicherweise zähneknirschend – einen (viel zu) hohen Preis. Danach fällt der Preis oft, bis die Nachfrage das Angebot (wieder) übersteigt. Wer seinen Kaufreflex einigermaßen im Griff hat, kann unter Umständen also Geld sparen.
Vielen Flippern wurde auch durch den Brexit etwas Wind aus den Segeln genommen. Die Gefahr, bei der Einreise in die EU am Zoll die Koffer öffnen zu müssen, ist theoretisch zwar vorhanden, praktisch aber eher nicht existent. Dennoch meine ich, dass die Menge von offensichtlich geflippten Flaschen in der EU zurückgegangen ist. Aber vielleicht liegt das auch an Corona und den über lange Zeit notwendigen Auflagen für einen Besuch in Schottland. Bei Auktionen in UK sehe ich allerdings keinen Rückgang, eher ist das Gegenteil der Fall.
Nicht zuletzt bleibt die Hoffnung, dass die Steuerbehörden endlich tätig werden. Am 1.1.2023 trat das Gesetz über die Meldepflicht und den automatischen Austausch von Informationen meldender Plattformbetreiber in Steuersachen (oder kurz “Plattformen-Steuertransparenzgesetz” – PStTG) als Umsetzung der EU-Richtlinie 2021/514 in Kraft. Eine solche Plattform ermöglicht es Nutzern, über das Internet miteinander in Kontakt zu treten und Rechtsgeschäfte abzuschließen, die beispielsweise den Verkauf von Waren wie (aber nicht nur!) Whisky umfassen. Das gilt also für eBay oder AirBnB genauso wie für Auktionsplattformen wie whiskyauction.com.
Wer in Zukunft pro Kalenderjahr mehr als 29 Verkäufe (es geht nicht um einzelne Artikel!) oder Einnahmen von 2000 Euro oder mehr auf ein und derselben Plattform realisiert, muss vom deren Betreiber dem Bundeszentralamt für Steuern gemeldet werden. Ob und wie die Steuerbehörden im Einzelfall auf eine Meldung reagieren, ist natürlich noch nicht bekannt.
Das PStTG beinhaltet im übrigen ausschließlich steuerliches Verfahrensrecht und berührt die übrigen Steuergesetze nicht. Demnach gilt beim Verkauf von Antiquitäten, Kunstgegenständen oder eben Whisky immer noch eine (eigentlich) Flipper-feindliche Spekulationsfrist von einem Jahr. Erst nach deren Überschreitung muss man Gewinne nicht mehr versteuern. Um diese sogenannte Mindesthaltedauer im Verkaufsfall dokumentieren zu können, sollte man also tunlichst seine Kaufbelege aufheben. Für diesen Mehraufwand kann sich der ehrliche Verkäufer dann bei Flippern und Steuerschwindlern bedanken.
Es ist zudem fraglich, ob das Bundeszentralamt für Steuern oder andere Steuerbehörden PStTG-Registrierungen eines Nutzers auf verschiedenen Plattformen zum Schutz vor pseudo-privaten Veräußerungen zusammenfassen werden. Immerhin sollten sich registrierte Nutzer über Steuernummern plattformübergreifend eindeutig identifizieren lassen. Übrigens: wer sich nicht registriert, muss vom Plattformbetreiber nach zweimaliger Aufforderung für weitere Verkäufe gesperrt werden, oder er/sie bekommt kein Geld ausgezahlt.
Der letzte Teil des Posts wurde nun doch ein wenig juristisch. Aber wenn die neue Gesetzeslage hilft, dass Whisky weniger als Spekulationsobjekt und wieder mehr als Genussobjekt angesehen wird, hoffe ich, dass ihr es mir nachseht.
PS: Sicherheitsnachschub… juristische Angaben sind von einem Nicht-Juristen nach besten Wissen und Gewissen gemacht, aber weder mit Anspruch auf Vollständigkeit noch auf absolute Korrektheit.