Das Ende der Unabhängigen Abfüller

Gordon & MacPhail Logo… ist sicherlich noch nicht gekommen. Wenn der größte Unabhängige Abfüller auf dem Markt, Gordon & MacPhail aus der schottischen Stadt Elgin, jedoch vermeldet, dass man ab 2024 keinen Whisky aus fremden Brennereien mehr abfüllen wird, ist das schon eine kleine Überraschung für die Whiskywelt. Der neue Fokus auf Abfüllungen aus den hauseigenen Brennereien Benromach und The Cairn ist auf jeden Fall mehr als ein einschneidender Schritt für diese 128 Jahre alte Firma. Was das für den bald ehemaligen Unabhängigen Abfüller bedeutet, wird die Zeit zeigen müssen.

Zum besseren Verständnis des Folgenden ein kurzer Abriss der Geschichte von Gordon & MacPhail. 1895 eröffneten James Gordon und John Alexander MacPhail einen Lebensmittelladen in Elgin. Man handelte damals mit Lebensmitteln aus aller Welt, wie Tee, Kaffee, Wein… und verkaufte auch Whisky aus der Region. Mit dem Aufstieg von John Urquhart zum Teilhaber im Jahr 1915 begann man das Geschäft mit dem Whisky ein wenig ernster zu nehmen und reifte die ersten Whiskys selber bzw. mischte sie zu Blends. George Urquhart, John’s Sohn, stieg 1933 in die Firma ein.

1940 ließ John 15 Sherryfässer bei Glenlivet mit New Make befüllen; die Idee des „licensend bottling“ von Single Malts war geboren, die in der Serie „Distillery Label“ mit Brennereien wie Mortlach, Longmorn oder Strathisla weitergeführt wurde. Ein paar dieser Fässer wurden in die firmeneigenen Lagerhäuser gebracht und konnten in den letzten Jahren mit einem unglaublichen Alter von 70 und gar 80 Jahren abgefüllt werden. Über die Jahrzehnte folgen hunderttausende weitere Fässer aus mehr als 100 Brennereien. Oft basierten diese Käufe auf Gentlemen’s Agreements; ein Handschlag und man war sich einig.

Gordon & MacPhail Label Connoisseurs ChoiceGeorge war es dann, der 1968 die Serie „Connoisseurs Choice“ ins Leben rief und Single Malts der Allgemeinheit schmackhaft machte, als das Gros der Malts noch in Blends aufging. Mehr als 2000 Abfüllungen gab es seitdem in dieser Serie. Damals bediente (infizierte?) man auch den italienischen Markt mit teilweise jungen, aber ganz hervorragenden und sogar erschwinglichen Tropfen. 1993, immer noch unter der Regie der Urquhart Familie, kaufte man dann die stillgelegte Benromach Destillerie, die 1998 wieder in Betrieb ging. 2022 startete zudem die Produktion von Single Malt in der neuen Hausbrennerei The Cairn.

Gordon & MacPhail wurde also mit den Jahren von einem Händler zu einem Blender, zu einem unabhängigen Abfüller und zuletzt auch zu einem Produzenten von Single Malt.

Und nun will Gordon & MacPhail sich alleine auf die Produktion von Whisky beschränken. Warum?

Die offizielle Erklärung von Gordon & MacPhail’s Geschäftsführer Ewen Mackintosh lautet so:

Unsere Philosophie war es immer zu ergänzen und nicht zu konkurrieren. Wir begannen seinerzeit Whisky abzufüllen, der von den Brennereien selber nicht als Single Malt angeboten, sondern nur zum Blenden verwendet wurde. Heute bietet nahezu jede Brennerei ihren eigenen Whisky in verschiedenen Varianten an. Damit wurde unser Spielraum als Unabhängiger Abfüller dramatisch eingeschränkt. Es war niemals unser Firmenethos und entspricht nicht unserem Verhältnis zu den Brennereien, in direkter Konkurrenz zu deren offiziellen Abfüllungen zu stehen.

Gordon & MacPhail Label MaturedMackintosh ergänzt, dass es in den letzten Jahren zunehmend schwieriger geworden ist, Brennereien dazu zu bringen, ihren New Make in größeren Mengen zu verkaufen. Oder sollte man lieber sagen „zu nicht horrenden Preise zu verkaufen“? In der Philosophie des Unabhängigen Abfüllers lag es leider auch, dass man nur New Make abfüllen und keine schon gereiften Fässer, beispielsweise bei Brokern, kaufen wollte. Man sieht es daher als Nachteil an, dass Whisky immer populärer wird und Brennereien ihren New Make selber reifen und verkaufen wollen. Ja ja, die Geister, die ich rief… aber vielen Dank für die gute Vorarbeit.

Die Zurückhaltung von Brennereien, ihr Destillat oder gereifte Fässer an Unabhängige Abfüller abzugeben, ist allerdings nicht nur bei Gordon & MacPhail bekannt. In den letzten Jahren haben nahezu alle namhaften Unabhängigen Abfüller auf diesen Trend reagiert und vorhandene Brennereien erworben oder eigene Brennereien gebaut. Adelphi mit Ardnamurchan, Signatory Vintage mit Edradour, Hunter Laing mit Ardnahoe, Douglas Laing mit Strathearn, Ian MacLeod mit Glengoyne und Rosebank… um nur ein paar zu nennen. Für Cadenhead gibt es die Zusammenarbeit mit Springbank. Nur Duncan Taylor fehlt in der Reihe noch.

Bei Gordon & MacPhail kommt erschwerend wohl noch hinzu, dass man zu Beginn der Reise kaum bindende Verträge abgeschlossen hat. Oder als Pionier des unabhängigen Abfüllens abschließen musste. Das macht es den Brennereien heute einfacher, nichts mehr zu liefern. Und Verträge, die doch abgeschlossen wurden, liefen oder laufen aus, ohne von den Brennereien oder Konzernen verlängert zu werden.

Gordon & MacPhail wird ab dem nächsten Jahr also nur noch „Altbestände“ von fremden Brennereien anbieten. Hinzu kommt Single Malt von Benromach. Mit dem Verkauf von Single Malt der Cairn-Destillerie will man noch ca. 10 Jahre warten, bis diese 12 Jahre alt sind. Die neue Brennerei soll(te) im Übrigen 20 Millionen Pfund kosten. Aber nach einem Konzerngewinn vor Steuern von jeweils mehr als 10 Millionen Pfund in den letzten beiden Jahren kann man das gut bezahlen.

Der generelle Trend zur Selbstvermarktung ist verständlich. Der Verkauf von Single Malt Whisky boomt und ist sehr lukrativ; viel lukrativer als der Verkauf von Blends. Zudem stecken Riesenmärkte wie Indien oder China noch in den Kinderschuhen, wenn es um den Verkauf von und die Einnahmen durch schottischem Single Malt oder schottische Blends geht. Warum sollten Brennereien oder große Konzerne wie Diageo oder Pernod Ricard also auf diese Goldesel verzichten und lieber Unabhängige Abfüller reich machen?

Man kann sich natürlich die Frage stellen, ob Gordon & MacPhail die Entscheidung proaktiv getroffen hat, oder ob man einfach auf Veränderungen des Marktes reagieren muss(te). Beides ist wohl richtig. Die Firma hat in ihrer Geschichte zum Einen mehrfach gezeigt, dass man sich nicht scheut, neue Wege zu gehen. Der Erfolg gab bis hierhin recht. Zum Anderen muss man mit der Zeit gehen, um auch langfristig Erfolg zu haben.

Die Zeiten, in denen Gordon & MacPhail den Markt mit günstigen Einsteigerwhiskys in Trinkstärke geflutet hat, sind nach Aussagen von Ewen Mackintosh sowieso vorbei. Whiskys für Jedermann werden heute in ausreichenden Mengen als Destillerieabfüllungen und von anderen Unabhängigen Abfüllern angeboten. Man will vielmehr den Fokus auf Einzelfassabfüllungen sowie kleine Batches richten und damit die Einzigartigkeit der Fässer hervorheben.

Gut, letzteres ist reines Marketinggewäsch, aber der Kern der Aussage ist klar: Man bekommt nicht mehr genügend Fässer, um so weiterzumachen wie bisher.

Dieser Aspekt stört mich auch bei der Kommunikation dieser Entscheidung: Gordon & MacPhail tut so, als ob es einzig und allein ihre Entscheidung gewesen sei, keinen New Make von anderen Brennereien mehr abzufüllen. Das ist absolut nicht der Fall. Zudem spielt man den wahren Hintergrund der Entscheidung herunter. Man will schlichtweg nicht auf unbekannte Qualität neuer Brennereien setzen (als Ersatz für den New Make, der nun nicht mehr fließt) und auf klein-klein machen, sondern vielmehr die Premiumisierung der Marke vorantreiben. Hierzu noch einmal Ewen Mackintosh:

Das [Ende der Fremdabfüllungen] erlaubt es uns, uns wirklich auf die Geschichte von Gordon & MacPhail zu fokussieren, auf diese exklusiven Raritäten und das exklusive Mantra, das in den letzten Jahren der wirkliche Aspekt der Whiskys von Gordon & MacPhail wurde, mit ein paar dieser exklusiven Abfüllungen, die wir angeboten haben, wie dem 80 Jahre alten…

Zählt mal nach, wie oft das Wort „exklusiv“ in diesem einen Satz vorkommt. Jetzt sollte auch dem Letzten klar sein, woher der Wind weht.

Zwei Dinge muss der geneigte Whiskygenießer jedoch nicht fürchten:

  1. Gordon & MacPhail werden die Fässer ausgehen.
    … unbestätigten Annahmen zufolge lagern und reifen in den Lagerhäusern der Firma noch weit mehr als 100.000 davon.
    Wie zuvor geschrieben, darf man allerdings befürchten, dass die Preise steigen werden. Denn die Whiskys in den Lagerhäusern werden nicht jünger, und die Verbleibenden werden nun eben mit den Siegeln „Premium“ oder „Exklusiv“ verkauft. Ein erstes Beispiel hierfür: Noch 2019 füllte man einen Caperdonich von 1982 in der Reihe „Private Collection“ ab. Der Preis pro Flasche lag damals schon bei ziemlich dreisten 1400 Euro. Kurz nach der Rückzugsankündigung wurde 2023 ein Caperdonich von 1979 in der gleichen Reihe auf den Markt gebracht… mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von 4149 Euro (!). Die Richtung ist also klar.
  2. Die Entscheidung von Gordon & MacPhail bedeutet das Ende aller Unabhängigen Abfüller.
    … um den Laden rund laufen zu lassen, muss ein Abfüller in der Größenordnung von Gordon & MacPhail viele, also wirklich viele Fässer abfüllen lassen. Diese Mengen sind heute einfach schwer zu beschaffen.
    Darum muss man unterscheiden: Unabhängige Abfüller, die Einzelfässer auf den Markt bringen, werden immer noch an ihre Ware kommen. Egal, ob direkt von einer Destillerie oder von Brokern. Solange die Preise nicht noch weiter steigen. Die vielen neuen Brennereien werden schließlich auch Einnahmen benötigen. Nur von Gordon & MacPhail gibt es solche Fässer in Zukunft eher nicht mehr. Qualitativ befürchte ich keine größeren Einbußen, da es genau wie heute genügend Einzelfässer geben wird, die beispielsweise nicht in das Vatting-Konzept von Brennereien oder Konzernen passen.

Also weiter, frei nach dem Motto: Le embouteilleur est mort, vive le embouteilleur.

(Ich hoffe nur, dass nicht noch mehr Könige/Abfüller sterben wollen!)

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