Meinen Senf? Nein, den will ich eigentlich nicht zum Thema abgeben. Andere haben schon genug darüber geschrieben, viele sehr informativ, manche eher impulsiv. Doch die Ankündigungen durch Diageo und Ian MacLeod zu den Wiedereröffnungen der von vielen längst abgeschriebenen Brennereien fand ich so ungewöhnlich, dass ich gerne ein paar meiner Gedanken dazu schreiben möchte. Weniger als „meinen Senf“ als um zu schauen, wie sich die Pläne entwickelt haben, wenn ich mir diesen Post in 5 oder 10 Jahren noch einmal durchlese… und die neuen Malts probiere.
Vorneweg möchte ich den Lesern, die nicht so viel mit den Namen der 3 Brennereien anfangen können, diese ein wenig näher bringen. Ein paar Fragen an meine Frau zeigten nämlich, dass auch jemand, der gelegentlich einen leckeren Whisky trinkt (und täglich von reichlichen Mengen umgeben ist) nichts mit den Namen Brora und Rosebank anfangen kann. Bei Port Ellen hieß es, dass das eine Brennerei auf Islay sei, die wir mal besucht hatten. Hatten wir natürlich nicht, da Port Ellen eine sogenannte Lost Destillery ist – wir waren nur im gleichnamigen Ort. Soweit also zum kleinen Heimtest, etwas Aufklärung tut gut.
Port Ellen:
Wurde 1824 gegründet und landete irgendwann in den Händen des Konzernes, der heute unter dem Namen Diageo (früher auch United Distillers oder Distillers Company Limited – DCL) bekannt ist. Nach einer ersten Schließung der Brennerei 1929, wurde sie erst 1967 reaktiviert, um schon 1983 wieder geschlossen zu werden. In der Rezessionszeit der frühen 80er Jahre ging auch der Whiskyumsatz stark zurück und DCL, zu denen auf Islay auch die Brennereien Caol Ila und Lagavulin gehörten, hatte trotz hoher Produktionskapazität keine Verwendung für den rauchigen Whisky von Port Ellen. Von der ursprünglichen Brennausrüstung sind heute keine wesentlichen Teile mehr vorhanden. Da bis zur Schließung sehr viel Whisky von Port Ellen für Blends verwendet wurde, war der Name der Brennerei damals nur wenigen bekannt. Erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts kamen unabhängige Abfüller – Gordon & MacPhail, Cadenhead, Sestante und die SMWS – auf den Geschmack der Brennerei und brachten Single Malts auf den Markt. Kurz nach der Jahrtausendwende, begann auch Diageo damit, den Whisky als Single Malt (‚Annual Release‘) in größerem Stil zu vermarkten. Heute genießen die Whiskys von Port Ellen bei Whiskyliebhabern Kultstatus und sie erreichen wegen der arg begrenzten Verfügbarkeit entsprechende Preise.
Brora:
Oh je, hier muss ich aufpassen, dass ich nichts durcheinander bringe – ist der Name Brora doch über die Brennerei und die Whiskys mehr als eng mit dem Namen Clynelish verbunden. Die ursprüngliche Brennerei wurde 1819 eröffnet, damals noch unter dem Namen Clynelish, und ging 1925 in den Besitz von Distillers Company Limited (DCL) über. Ähnlich wie bei Port Ellen wurde viel Whisky der Brennerei für Blends verwendet. Nach etlichen Erweiterungen beschloss DCL 1967 letztendlich, wegen Platzmangel in der alten Brennerei eine neue neben dem ursprünglichen Gelände zu bauen. Der Name: Clynelish 2. Aufgrund geänderter britischer Gesetzgebung durften zwei Brennereien aber nicht den gleichen Namen tragen, weshalb das alte Clynelish wenig später in Brora umbenannt und Clynelish 2 damals zu Clynelish wurde. Alles klar soweit? Brora hatte unter Diageo-Leitung bis zur Schließung 1983 sehr häufig die Aufgabe, Kapazitätsengpässe anderer Brennereien aufzufangen. So wurden dort während der Sanierung von Caol Ila Anfang der 70er Jahre auch sehr rauchige Whiskys gebrannt. Ansonsten ist der grundlegende Charakter eher ölig, wachsig sowie maritim und wird bei älteren Abfüllungen als sehr komplex beschrieben. Die Zahl der Abfüllungen ist deutlich geringer als bei Port Ellen, aber Diageo gibt auch von Brora jährliche Spezialabfüllungen (ebenfalls zu speziellen Preisen) heraus, um die Maltheads zufrieden zu stellen.
Rosebank:
War eine Brennerei in den schottischen Lowlands, die 1840 gegründet wurde. Aufgrund ihrer 3-fachen Destillation ist der geschmackliche Charakter der Whiskys von Rosebank von Blumen, sanfter Frucht und Zitrusfrische geprägt. Die traditionellen Wassertanks mit Kondensierspulen (worm tubs) bringen zudem einen kraftvollen Eindruck am Gaumen. Rosebank gehörte 1914 zu den Gründungsmitgliedern der Scottish Malt Distillers (SMD) und demnach später zu DCL bzw. Diageo. Seit 1993 produzierte Rosebank nicht mehr, jedoch nicht weil man Absatzprobleme hatte. Im Gegenteil – die Produkte von Rosebank galten immer als hervorragende Whiskys. Diageo wollte nur nicht in eine neue Abwasserbehandlung investieren und die Infrastruktur um die Brennerei herum war alles andere als optimal. Die Gebäude von Rosebank gibt es heute noch in Falkirk zu sehen, aber große Teile der Brennausrüstung wurden in der Zwischenzeit gestohlen. Bis heute werden Whiskys zumeist von unabhängigen Abfüllern vermarktet, Diageo hält sich ein wenig zurück. Preislich sind diese Abfüllungen etwas überschaubarer als die von Port Ellen und von Brora, aber doch weit weg vom Inhalt der Brieftasche des Ottonormaltrinkers.
Und nun sollen alle drei Brennereien nach all diesen Jahren wieder Whisky brennen. Diageo kündigte an, dass ab 2020 wieder Whisky mit dem Label von Port Ellen und Brora produziert werde. Ian MacLeod hat die alten Gebäude von Rosebank gekauft, zudem die Rechte am Namen der alten Brennerei und Fassbestände von Diageo. Man geht davon aus, dass dort frühestens ab 2019 wieder Whisky destilliert werden kann.
Ist das nun gut? Oder eher nicht? Und für wen?
Für die Firmen Diageo und Ian MacLeod wird es sicherlich ein gutes Geschäft. Sonst hätte man sich nicht zu diesem kostspieligen Schritt entschieden. Immerhin lässt sich Diageo seine Pläne knapp 40 Millionen Euro kosten, von denen ein paar Millionen bestimmt direkt wieder durch den Verkauf von Rosebank an Ian MacLeod eingenommen wurden. Das sieht nach einer strategisch wohl überlegten und größer angelegten Investition aus.
Ian MacLeod, dem als unabhängigem Abfüller bereits die Brennereien Tamdhu und Glengoyne gehören, wird schon wissen, was er sich mit dem Kauf von Rosebank ans Bein bindet. Oder welche Möglichkeiten entstehen. Hier werden die Kosten für die Wiederinbetriebnahme der Brennerei weit höher ausfallen, als die Kosten für die Wiedereinführung der Marke Rosebank in den Whiskymarkt.
Erstaunlich finde ich jedoch den Schwenk der Prioritäten bei Diageo. Noch vor 5 Jahren wollte man dort 1 Milliarde Pfund in Erweiterungen und Modernisierungen von Brennereien in Schottland investieren. Diese sollte 2017 abgeschlossen sein. Erweiterung der Produktionskapazitäten zur Deckung der Nachfrage von Blends auf ganzer Linie. Stattdessen gab es zwischendurch Meldungen über den Stopp von Baumaßnahmen bei verschiedenen Brennereien. Als Grund wurden schlechte Verkaufszahlen in Asien angegeben, insbesondere bei Blends, wodurch sich höhere Produktionskapazitäten und Investitionen in letztere nicht rechnen würden.
Was aber, wenn genau das der Kniff ist? Blended Whiskys straucheln absatztechnisch generell ein wenig und Diageo setzt gewollt auf den schneller trabenden Single-Malt-Ross. Wenn auch nicht wirklich im großen Stil. Abgesehen davon, dass mich die Fortsetzung dieses Trends insgesamt freuen würde, sind die aktuellen Pläne für Diageo ja geradezu erdnussartig günstig, wenn man die 5 Jahre alten Pläne als Maßstab setzt. Es bleibt jedoch eine auffällige Änderung der Strategie, wenn man nach Erweiterung und Modernisierung des Bestandes auf Wiederbelebung von Totgesagten setzt. Was nun aber nicht schlecht(er) sein muss. Immerhin wird man durch gute Werbung mit magischen Namen wie Port Ellen und Brora durchaus sein Image aufpolieren und für Mehrumsatz sorgen können.
Ein wenig irritiert hierbei nur die Aussage von Diageo, dass man die Produktionskapazität der beiden Brennereien bei 800.000 Litern im Jahr ansiedeln will. Das ist nicht sehr viel und weniger als bei den Originalen. Das kann bedeuten, dass man den Effekt der Auferstehungen eher am Erfolg der Marken und nicht am Umsatz der neuen alten Brennereien messen möchte. Ein etwas teureres Versuchskaninchen, sozusagen. Immerhin sollen alle 3 Brennereien Besucherzentren oder ‚Brand Homes‘ erhalten, wie sie bei Diageo heißen. Die immer zahlreicher durch die schottischen Lande reisenden Whiskytouristen werden es mit barer Münze zu danken wissen.
Ist sonst noch was drin für den Konsumenten?
Hier scheiden sich die Geister gewaltig. Einige sehen darin nur einen Versuch der Firmen, noch mehr Geld zu verdienen (wer will es ihnen verdenken? … also sowohl den ‚einigen‘ als auch den Firmen…). Andere freuen sich auf die neuen Whiskys mit alten Namen und sehen in den Investitionen eine Bestätigung pro Whisky. Auch wenn niemand weiß, wie diese Whiskys am Ende schmecken werden. Immerhin wollen sowohl Diageo als auch Ian MacLeod für die neuen Whiskys den Stil der ursprünglichen Destillate beibehalten. Wie das genau gehen soll, wenn wenigstens Port Ellen und Brora Malz mit ca. 20 ppm Phenolgehalt verarbeiten sollen, weiß ich allerdings nicht genau. Prinzipiell müsste man sich jedoch über so eine Aussage freuen, denn viele der alten rauchigeren Abfüllungen dieser Brennereien schmecken einfach nur großartig.
Ich erwarte jedoch nicht wirklich, dass das der Fall sein wird. Ardbeg ist nicht das einzige gute Gegenbeispiel. Deren aktuelles Lebenswasser ist auch nicht mit dem vor der Schließung vergleichbar (das deutlich interessanter ist!). Und wenn wir über Abfüllungen von Port Ellen oder Brora reden, die mich fesseln, sind viele davon 20 oder 30 Jahre in Eichenholzfässern gereift. Wie will man diese Zeiträume und die entsprechende Reifung in neue Produkte übertragen können – selbst wenn man sich bei der Produktion der neuen Whiskys weitestgehend an die alten Rezepte, Rohstoffe und Technologien hält? Hinzu kommt, dass es gerade bei Brora, wie schon erwähnt, so große Schwankungen im Geschmack gab, dass hier jeder „seinen“ alten Stil finden kann. Vielleicht redet Diageo auch aus diesem Grund nur davon, dass der Stil des Destillates nachgeahmt werden soll, nicht der Stil des gereiften Whiskys. Es ist also eventuell ein klein wenig zu hoch gegriffen, wenn Marketingleute behaupten, den Stil der alten Brennereien wiederbeleben zu wollen.
Auf der anderen Seite sollte mit modernen Produktionsmethoden, von denen ja gerade Port Ellen und Rosebank aus Mangel an vorhandener Ausstattung profitieren können werden, so einiges möglich sein. Ich denke da an Ailsa Bay, der multifunktionellen Malt-Brennerei von William Grant in Girvan, die problemlos Destillataromen wie Ester, Nuss und Frucht bis hin zu schweren Rauchern produzieren kann. Dennoch fehlen auch dann noch passende Fässer für eine gute Reifung des Destillates. Gerade gute Sherryfässer waren vor 30+ Jahren noch weit einfacher und viel günstiger zu bekommen als heute, genauso wie Paxarette (*ups*). Eventuell wählt man ja den Weg über kleinere Fässer mit schnellerer Reifung, so das denn zum Destillat passt.
Es steht auch noch in den Sternen, wie viel Zeit dem Destillat zur Reifung überhaupt gegeben wird. Ian MacLeod lässt eine Lagerung von 10 bis 11 Jahren verlauten, Diageo nennt wenigstens 12 Jahre, mit der Möglichkeit auch vorher schon limitierte Abfüllungen anzubieten. Wird das dann ein Schnellschuss, dem man ein wenig der noch vorhandenen Fässer aus alter Produktion als Geschmacksverstärker hinzugibt? Das Ergebnis könnte man marketingtechnisch und preispolitisch entsprechend positiv verwerten. Oder gibt man dem Destillat wirklich mehr Ruhe im Fass, um ein ‚ehrliches‘ Produkt auf den Markt zu bringen? Meinetwegen kann man beide Wege gehen, solange der Verbraucher über den Inhalt der Flaschen ausreichend gut aufgeklärt wird.
Was mich bei der ganzen Sache ein wenig skeptisch macht, ist die Auswirkung auf Konkurrenten. Direkte Konkurrenten meine ich. Solche, die in ein paar Jahren ebenfalls Käufer für ihren ersten Single Malt finden müssen. Im Augenblick wartet über ein Dutzend Brennereien in Schottland auf Inbetriebnahme. Wie können diese Brennereien Kunden gewinnen, wenn der Name dahinter ein neuer ist und er gegen Port Ellen und Rosebank antreten muss? Das könnte schwer werden.
Ich bin dennoch gespannt zu sehen und zu schmecken, wie das Ergebnis der Auferstehungspläne in ein paar Jahren aussehen wird. Probieren werde ich die neuen Abfüllungen sicherlich, auch wenn sie noch vergleichsweise jung sein werden. Ob sie mir dann auch schmecken? Keine Ahnung. Ich hoffe nur, dass sich Diageo und Ian MacLeod bei der Preisfindung für die neuen Whiskys nicht an den Preisen der heute noch erhältlichen Vorgängern orientieren… und dass dem Inhalt der Flaschen von den Machern mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als die Verpackung.
Sehr schöne und umfassende Analyse. Ob man sich jetzt über diese Pläne freut oder schimpft, ist wohl eher eine Mentalitätsfrage. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt, wie es weitergehen wird.
Danke für die Blumen 🙂
Nachdem wir uns ja nun fast alle über das Thema die Finger wund geschrieben und den Mund fusselig geredet haben, kommt in ein paar Wochen bestimmt eine nächste Info aus Schottland, die mit diesen Worten beginnt: „April, April“.