Beim Whisky läuft es im Grunde doch nicht anders als in anderen Geschäftszweigen. Wer Whisky herstellt oder verkauft, möchte an seinem Produkt verdienen. Manche können mehr verdienen, weil der Kunde gerne mehr bezahlt, manche bekommen nicht so viel vom Kuchen ab. Das ist Marktwirtschaft. Doch wann ist das Ende der Fahnenstange erreicht?
Diese Diskussion ist schon unzählige Male geführt worden, auch von Whiskyliebhabern, die sicherlich zu derjenigen Kundengruppe zählen, die den einen und anderen Euro zu viel für ein Luxusprodukt bezahlt. Das will ich darum auch nicht weiter vertiefen. Ich möchte nur gerne mein Ende der Fahnenstange erläutern.
Dass ich Caperdonich mag, ist ja kein Geheimnis. Das hässliche Entlein mit seinen vielen Facetten. Mal hui, mal pfui – man weiß es vorher nicht. Aber es gibt Jahrgänge, bei denen man (fast) nichts falsch machen kann. Beispielsweise wurde Anfang der 70er Jahre viel gebrannt, das einfach nur Genuss ist (eigentlich nicht nur bei Caperdonich…). Caperdonich, die damals frisch abgefüllt in den Verkauf kamen, lagen trotz einer Lagerzeit von mehr als 30 Jahren preislich bei ungefähr 100 Euro.
Das waren noch Zeiten – das waren Genusszeiten.
Doch diese Zeiten sind leider vorbei. Will man heute einen 72er Caperdonich kaufen, kann man das eigentlich nur noch auf Auktionen. Der Preis liegt dann irgendwo beim 5- bis 6-fachen des Ausgabepreises. Der Sekundärmarkt blüht, Spekulanten reiben sich die Hände, der Produzent hat das Nachsehen. Doch Letzterer lernt dazu. Und schießt gewaltig über das Ziel hinaus, wie ich zu meinem eigenen Leidwesen gestern Abend erneut feststellen musste. Ich fühlte mich wirklich vera…lbert.
Warum?
Wegen Phantasiepreisen. Mondpreisen. Ausgabepreisen, die nur in der Hoffnung auf das Preisschild geschrieben werden, dass jeden Tag ein Dummer aufsteht. Was ich nun wirklich nicht hoffe.
Ich hatte gestern eine 27-jährige Abfüllung meiner Lieblingsdestille entdeckt, die (noch relativ) frisch auf dem Markt ist und die ich nicht habe. Der Kaufreflex war vorprogrammiert. 27 Jahre alt. Nur 27. Junge 27. In einem Octave gefinished (klar, von Duncan Taylor), also darin noch nicht einmal über Jahre gereift. Nur wenige Flaschen gibt es von diesem Fass, 90 an der Zahl (auch klar, ein Octave ist nicht groß).
Vor 3 Jahren habe ich für eine ähnliche Abfüllung von Caperdonich – auch 1992 destilliert, auch in einem Octave von Duncan Taylor gefinished, aber mit nur 51 abgefüllten Flaschen – noch wahnsinnige 400 Euro gezahlt. Das war für mich seinerzeit schon völlig grenzwertig. Der große Unterschied zur neuen Abfüllung: diese lagerte… nein, falsch… sie wurde in einem „Octave Premium“ gefinished.
Also soll eine Flasche aus diesem 3 Jahre älteren Octave (Premium) heute knapp… alle festhalten, bitte!… 800 Euro kosten. In Worten: achthundert!
Das sind reine Gewinnzeiten.
Und dann muss ich in einem Onlineshop noch dieses als ‚Begründung‘ für den Preis lesen:
Von der 2002 stillgelegten Brennerei existieren nur noch wenig Fässer. Schnell bestellen und eine der seltenen Flaschen sichern.
WHAT!!! Was erlaube Strunz?!
Ich dachte eigentlich, dass Gordon & MacPhail letztes Jahr mit der 37-jährigen Abfüllungen in ihrer „Private Collection“ für 1250 Halbkilo den Preisvogel locker abgeschossen hatte. Jetzt wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Hunter Laing ist im Übrigen mit seinen platinierten „Old & Rares“ auch nicht weit weg von diesem Niveau.
Wahnsinn wird zur Gewohnheit. Gier wird zur Gewohnheit. Dummheit wird hoffentlich nicht zur Gewohnheit.
Denn ich hege die Befürchtung, dass Duncan Taylor seine Kunden in diesem Fall für dumm verkaufen möchte. Ein Finish in einem Octave kommt einer künstlichen Verknappung der Flaschenzahl gleich. Lagerte das Destillat vorher in einem Hogshead, kann man mit dem Inhalt des Hogsheads noch drei weitere Octaves füllen und bei geringerer Flaschenzahl auf den Markt bringen. Einfach für ein paar Monate eine neue Fassnummer generieren und fertig. Gewinn mal 4, die Gier des Kunden wird es schon richten.
Völlig unabhängig von der verfügbaren Menge sind 800 Euro für eine Abfüllung mittleren Alters, die geschmacklich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht an die guten Jahrgänge heran kommt (ich lasse mich hier gerne eines Besseren belehren!), jedoch generell eine Frechheit. Damit wird der Preis innerhalb von 3 Jahren mal eben verdoppelt.
Das ist nicht mehr meine Whiskywelt. Das ist nicht mehr akzeptabel. Das ist leider Realität. Auf diesem preislichen Niveau bin ich doch froh, dass der Media-Markt einen Trend gesetzt hat. Geiz ist geil.
Wenn ich eine Prognose abgeben darf: Diese Buddel von Duncan Taylor wird für diesen Preis – genau wie die von Gordon & MacPhail – die nächsten (vielen) Jahre wie Blei in den Regalen stehen bleiben.
Das wird sie. Ganz sicher.
Auf dem Sekundärmarkt ist damit null-komma-nichts zu verdienen. Nix. Nada. Rien. Ingenting.
Ganz sicher.
Für stein- und neureiche Asiaten und Russen hat Caperdonich kein Prestige, das werden sie nicht kaufen.
Ganz sicher.
Völlig durchgeknallte Sammler von Caperdonich gibt es ja dem Hören-Sagen nach. Doch die allermeisten davon werden bei diesem Preisschild sicheren Abstand von einer null-acht-fuffzen-Abfüllung von 1992 nehmen.
Ganz sicher.
Warum jedoch bringt Duncan Taylor also eine solche (Möchtegern-Premium) Abfüllung für diesen (absurden) Preis überhaupt auf den Markt? Oder Gordon & MacPhail ihre im letzten Jahr?
Weil Caperdonich als „Premium“ Distillery gilt?
Wohl kaum.
Weil der Inhalt der Flaschen geschmacklich mit dem von Destillaten vom Anfang der 70er Jahre mithalten kann (die man noch für deutlich weniger Geld bekommen kann)?
Wohl kaum.
Weil Kunden dieses Preisniveau akzeptieren werden?
Wohl kaum.
Weil sie die Whiskywelt ad absurdum führen wollen?
Hmmm… da bin ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher.
Weil sie Umsatz und Gewinn machen wollen?
Ganz sicher.
Meine Antwort zum Thema Fahnenstange ist auch sicher:
Bei solch einer kapitalistischen Preistreiberei mache ich nach allerkürzestem Nachdenken nicht mehr mit, da bin ich raus.
Whisky – und insbesondere Caperdonich – hatte für mich bisher immer noch mit Authentizität zu tun, mit Glaubwürdigkeit, mit einer gesunden Mischung aus Idealismus und Profit. Give and take, geben und nehmen. Jeder gibt und für jeden bleibt am Ende etwas übrig. Egal, ob beim Genuss oder beim Gewinn.
Jetzt will einer (oder wollen mehrere) alles haben. Nein, das geht nicht. Das kann man nicht bekommen. Wie eingangs gesagt: ich habe das Gefühl, gehörig vera…lbert zu werden. Nur wird dieser Spaß nicht länger auf meine Kosten gehen. Buchstäblich.
Bildnachweis:
Titelbild: Ernst J. Scheiner von The Gateway to Distilleries