Destillerien aus der dritten Reihe

Unbekannte(re) BrennereienAuch wenn ich in den letzten Monaten keine Tasting-Notes online gestellt habe, heißt das ja nicht, dass ich mich nicht mit Whisky beschäftige. So haben mich zwei Aussagen, die ich der letzten Woche gehört habe, ein wenig stutzig gemacht. Zum einen ging es da um Whiskydestillerien aus der dritten Reihe, zum anderen um die Frage, aus welchen Gründen Konzerne welche Brennereien schließen. Man kann beide Fragen natürlich getrennt betrachten, man kann aber auch durchaus Zusammenhänge sehen, wie ich finde.

Listen wir doch einmal einige mehr oder wenig willkürlich ausgewählte Brennereien und stellen sie ebenso willkürlich paarweise einander gegenüber:

Macduff –    Macallan
Allt-á-Bhainne –    Ardbeg
Ladyburn –    Lagavulin
Caperdonich –    Caol Ila

Wem fällt was auf?
Genau. In der linken Spalte stehen recht unbekannte Namen, wohingegen die Namen in der rechten Spalte in jedem besser sortierten Supermarktregal auftauchen.

Aber warum?
Die Antwort steckt in einer Mischung aus den beiden eingangs erwähnten Aussagen. Also der Reihe nach…

Whiskybrennereien, die in der dritten Reihe stehen oder – wie in der ebenfalls sehr treffenden Originalbemerkung – in der dritten Liga spielen, sind für den weniger erfahrenen Whiskygenießer in den meisten Fällen ein unbeschriebenes Blatt. Sie werden von den Konzernen, zu denen sie gehören, meist als Arbeitstiere missbraucht (die letzten Worte verwende ich mit Absicht, dazu später mehr). Ihre Malts fließen zum allergrößten Teil in firmeneigene Blends, und Brennereiabfüllungen als Single Malts sind im besten Fall unter anderem Namen zu finden. Sie werden nicht beworben, sie stehen nicht in den Duty-Free-Shops der Flughäfen und bei Auktionen ist es nur selten, dass ‘Preise durch die Decke gehen’. Sie müssen vielmehr nur gleichbleibende Qualität und nicht weniger wichtig Quantität produzieren. Bekommt man eine Abfüllung eines solchen Arbeitstieres zu Gesicht, ist diese in vielen Fällen von einem unabhängigen Abfüller.

Missbraucht werden diese Arbeitstiere aber durchaus. Denn sie produzieren und produzierten nicht nur Malts, die man besser mit Grains mischt. Sie können auch anders, sie können sogar gut schmecken. Naja, Vergleiche mit Abfüllungen von Macallan oder Highland Park aus den 50er und 60er Jahren hinken gewaltig, das waren andere Zeiten. Aber in der heutigen Zeit kann man gut auf diese dritte Reihe ausweichen, wenn man meint, dass die erste und mitunter auch die zweite Reihe unvernünftige Preise verlangen. Man sollte nur nicht davon ausgehen, dass alle Abfüllungen gut schmecken. Oder dass man ohne Finish oder exotische Fässer auskommt.

Für Abwechslung in letzterer Beziehung sorgen die unabhängigen Abfüller zur Genüge. Wo viele der populären Brennereien in den letzten Jahre ihre Fässer lieber selber abfüllen und für Flaschen mit phantasievoller Hintergrundgeschichte und in lackierter Holzkiste gutes Geld kassieren, sind Fässer aus der dritten Reihe für Broker und unabhängige Abfüller heute noch erschwinglich. Was man auch leicht an deren aktuellen Verkaufslisten ablesen kann.

Ein fliegender Übergang zu der zweiten Aussage… was haben die Destillerien aus der linken Spalte gemein? Nun, Macduff ging 1967 in Betrieb, Allt-á-Bhainne 1975, Ladyburn 1966 und Caperdonich (zum zweiten Mal) 1965. Zudem wurden Allt-á-Bhainne und Caperdonich 2002 stillgelegt, für Ladyburn war bereits 1975 schon wieder Schluss. Wie gesagt, das sind willkürliche Namen und entsprechende Zahlen. Die Vergleiche gehen immerhin in die gleiche Richtung: die Reputation.

Diese Brennereien wurden in einer Zeit eröffnet, in denen die Produktionsmenge wichtiger war als der Name auf der Flasche oder eine Produktqualität, die in einem Single Malt stecken sollte. Der Name verschwand von Anfang an in Blends, der Verbraucher wurde damit nicht belastet. So konnte man natürlich keine Reputation aufbauen.

Ladyburn ist eine Ausnahme, weil sie geschlossen blieb und Vorräte in den Lagerhäusern – wie heute bei Port Ellen, Brora oder Rosebank – knapp und die kläglichen Reste auf dem Markt attraktiv wurden. Imperial und Caperdonich sehe ich im Übrigen auf einem ähnlichen Weg; gebt den Marken nur ein paar Jahre, wenn die Chivas Brothers so weitermachen.

Der Name im Kopf der Verbraucher ist also ein Trigger, den die Brennereikonzerne nicht erkannt haben. Vielleicht haben sie ihn auch nur zu spät erkannt, denn immerhin wurde Allt-á-Bhainne ähnlich wie Glen Keith ja wieder eröffnet. Obwohl… beide sind beim Ottonormalgenießer heute immer noch eher unbekannt. Es kann natürlich auch sein, dass den Konzernen dieser Trigger völlig egal war, oder dass sie eher langfristig gedacht haben.

Immerhin kosten frisch abgefüllte, sogenannte ‘limitierte’ Brennereiabfüllungen von Caperdonich mit einer Flaschenzahl von irgendwas um die 6000 auf dem Etikett heute gutes Geld. Und es gibt nicht nur eine dieser Abfüllungen, es wurde eine ganze Serie angekündigt, deren Geschmacksprofil teilweise gar nicht in Blends passt. Ein Schelm, wer denkt, dass Pernod Ricard Caperdonich absichtlich geschlossen hat, um heute die Lagerbestände dieser abgerissenen Brennerei zu lukrativen Preisen ‘verramschen’ zu können.

Ja, soweit dieser echauffierende Exkurs… es ging eigentlich um Reputationen und den Zusammenhang mit Stilllegungen von Destillerien. Brennereien, die in den 60er und 70er Jahren in Betrieb gingen, sind in einer Zeit entstanden, während welcher Whisky und speziell Single Malt Whisky der breiteren Öffentlichkeit ziemlich egal war. Namen und Marken von vielen dieser Brennereien wurden nicht oder nur unzulänglich vermarktet.

Gegenbeispiele sind Glenfiddich oder Glenlivet, die sich bei potentiellen Kunden eine entsprechende Reputation erarbeiten konnten. Ob das nun aufgrund von Werbung war oder der Qualität des Whiskys geschuldet war, lasse ich mal dahin gestellt.

Dementsprechend stützten die neueren Brennereien die Basis für das laufende Geschäft, aber man konnte mit ihnen in den kommenden Jahrzehnten nicht wirklich viel Geld verdienen. Sie waren eher ein Mittel zum Zweck, sprich: für Produktion von Blends bestimmt.

Hinzu kam zum Anfang des Jahrtausends der Konkurs des kanadischen Unternehmens Seagram, zu dem unter anderen Goldesel wie Glen Grant und Glenlivet gehörten. Die Konkursmasse teilten sich mit Diageo und Pernod Ricard zwei weitere (heutige) Schwergewichte der Branche.

Doch viele der übernommenen Destillerien waren Arbeitstiere, keine Goldesel. Das lag sicherlich auch an den Geschäftsschwerpunkten, die Seagram in den 90ern eher in den Bereich Entertainment als bei den Spirituosen ansiedelte – was am Ende das Ende von Seagram wurde. Wenn ich es in aller Kürze richtig überschlagen habe, übernahm Pernod Ricard seinerzeit 9 Brennereien von Seagram und legte direkt im Jahr darauf 5 der wenig(er) lukrativen Aktiva still. Sogar Glen Keith blieb geschlossen. Konsolidierung nennt man sowas wohl in Fachkreisen.

Das erste Fass der Destillerie Kilchoman auf IslayWenn ich an dieser Stelle ehrlich sein darf:
Ich finde Konsolidierungen doof, es lebe die Vielfalt.

Ganz anders läuft es hingegen bei Brennereien, die um die oder nach der Jahrtausendwende den schottischen Whiskymarkt betreten haben. Kilchoman, Arran oder Kilkerran sind gute Beispiele dafür, wie man seinen Namen als kleiner Spieler in einem Markt mit höherer Nachfrage nach Single Malts (als im letzten Jahrhundert) und mit interessierten Kunden neben etlichen etablierten Marken erfolgreich platzieren.

Doch setzten sich die Konsolidierungen im Laufe der folgenden Jahre leider noch fort. Mit Ankäufen, mit Verkäufen, mit Übernahmen. Mit Allied Domecq, mit Brown-Forman und mit so viele anderen Marken und Namen. Und immer wieder waren Destillerien aus der dritten Reihe mit dabei, die geschlossen und später im besten Fall wieder eröffnet wurden. Ein schwacher Trost soll es sein, dass die schließenden Konzerne ihre Arbeit von damals heutzutage bereuen könnten. Ein sehr schwacher Trost.

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