Whiskywelten: Indien

fahne landkarte indienIndien ist auf dem besten Weg, Europa und Nordamerika in Sachen Wirtschaft in nicht allzu ferner Zukunft einzuholen. Und mit seiner in 2011 ‚gezählten‘ Einwohnerzahl von etwas mehr 1,2 Milliarden ist es aktuell das Land mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl, kurz hinter der Volksrepublik China. Auch wenn der durchschnittliche Lebensstandard in Indien gering ist, übertrifft man mit der produzierten Whiskymenge die Chinesen bei weitem (wird eigentlich Whisky in China produziert? Muss da wohl mal googlen…) und liegt eher auf westlichem Niveau. Die Quantität stimmt also wegen der großen Nachfrage im eigenen Land. Doch die Frage, die man an dieser Stelle immer wieder hört, ist: Wie steht es mit der Qualität?

Als ehemalige britische Kolonie hatte man in Indien schon früh Kontakt mit Whisky und in Bezug auf Produktion und Lagerung die besten Lehrmeister. Das Problem der Inder scheint jedoch zu sein, dass sie nach dem Abzug der britischen Kolonialmacht scheinbar schnell vergessen haben, wie man in Schottland und in großen Teilen Europas ‚Whisky‘ definiert. Häufig wird dort freizügig nach dem Motto gearbeitet: (Wo ein wenig) Whisky drin ist, darf auch Whisky drauf stehen. Das man so die Produktionskosten niedrig halten und dabei viel ausstoßen kann, ist verständlich.

Doch es gibt auch Ausnahmen. So wie in der Whiskybrennerei, die bereits im Jahr nach dem Abzug der britischen Kolonialmacht aus Indien unter nationaler Eigenverantwortung eröffnet wurde: Amrut. Seit der Gründung von Amrut durch Shri Jagdale N. Radhakrishna im Jahre 1948 ist diese Destillerie zu einem Getränkeproduzenten gewachsen, der eines der größten Länder der Erde beliefert und neben Single Malts auch Vatted Malts, Blended Whiskys sowie diverse andere Spirituosen wie Rum und Gin herstellt. Die Single Malts von Amrut haben in den letzten Jahren reihenweise Preise abgeräumt – auch im direkten Vergleich mit schottischer Konkurrenz – und werden in Blindtastings von Experten zur großen Überraschung aller immer wieder den Schotten vorgezogen.

So schlimm ist die Qualität von Whisky aus Indien dann also auch wieder nicht… wenn da nicht die anderen 90% der Hersteller wären, die ihre Brennprodukte nur im Inland verkaufen und sich keinen Kopf über gesteigerte Qualitätsansprüche von Europäern machen müssen. Der Großteil dieser Whiskys besteht aus Blends, die aber auch nicht unbedingt viel mit den europäischen Namensvettern gemein haben. Sehr häufig wird hier das Rohdestillat aus fermentierter Melasse hergestellt und nicht auf Basis von gemälztem Getreide – geschweige denn aus Gerste. Hinzugegeben wird dann nur eine kleinere Menge von echtem Malt Whisky. 4% sind die gesetzliche Untergrenze wobei der Durchschnitt irgendwo bei 10% liegen dürfte. Ein Europäer würde eine solche Mischung sicher eher als Rum bezeichnen.

Bei der Namensgebung halten sich die Melassebrenner aber mehr an die schottischen Vorbilder. Abfüllungen mit Namen wie ‚Bagpiper‚, ‚McDowell’s‚ oder ‚100 Pipers‚ gaukeln dem indischen Whiskygenießer eine inhaltliche Nähe zum verkaufsfördernden Original vor. Diese Originale haben auf dem indischen Markt allerdings einen richtig schweren Stand, da ihre Einfuhr an beträchtliche Zölle und Abgaben gekoppelt ist, was von der Scotch Whisky Association – mit Recht – als reiner Protektionismus angesehen wird. Der echte Scotch in Indien hat damit nur einen Marktanteil von ungefähr 1% und ist wegen des hohen Preises ein Getränk für die besser Betuchten.

Witzigerweise beschuldigen die indischen Brenner die EU eine ebensolche Handelsbarriere aufzubauen, da diese keine Whiskys erlaubt, die aus Melasse gebrannt sind. Doch die Gerichte in Indien stehen eher auf Seiten der Europäer und haben ihren Landsleuten die Verwendung des Wortes ‚Scotch‘ in Zusammenhang mit deren Erzeugnissen untersagt.

Eine indische Firma, United Breweries über die Tochter United Spirits Limited (USL), hat unter Vijay Mallya’s Leitung jedoch den wahren Wert des schottischen Whiskys erkannt und investierte in den letzten Jahren in den Kauf und die Erweiterung von Destillerien, hierunter Dalmore, Isle of Jura und Invergordon. Ein wenig des dort produzierten Whiskys wird teilweise in die heimischen Blends gemischt, die auf Melassebasis gebrannt wurden. Darunter fallen unter anderem ‚Antiquity Rare‘ und ‚Antiquity Blue‚, ‚Bagpiper‘ und ‚Bagpiper Gold‘, ‚Director’s Special‘, diverse ‚McDowell’s‘, ‚Royal Challenge‚ sowie ‚Signature‚ und ‚Signature Premier‘.

Produktionstechnisch haben die Inder allerdings mit einigen Herausforderungen zu kämpfen, die man in Schottland nicht kennt. Zu nennen sind das warme Klima und die feuchte Luft in vielen Gegenden des Landes. Hierdurch reift das Destillat in den Fässern um das Dreifache schneller als in Europa. Man könnte auf diese Weise in 3 bis 4 Jahren einen erstklassigen Whisky herstellen, der es gut mit einem 12-Jährigen aus den Highlands aufnehmen kann. Dabei gibt es nur 2 weitere Herausforderungen: Erstens geht die schnelle Reifung mit einem Angel’s Share weit jenseits der 10% pro Jahr einher und zweitens muss man dem europäischen Kunden im Zweifelsfall erstmal davon überzeugen, wie eine 4-jährige Lagerung genauso effektiv (und teuer) sein kann wie eine 12-jährige.

Die neben Amrut bedeutendsten Brennereien in Indien sind wohl Kasauli Distillers, Bharat Distilleries, The Rampur Distillery (Radico Khaitan), Sikkim Distilleries sowie South Seas Distillery. Ein paar kurze Steckbriefe zu diesen Destillerien:

Kasauli Distillers kommt aus dem Himalaya und wurde bereits in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts gegründet. National am Bekanntesten ist wohl ihr ‚Solan No. 1‘, der nach einer Stadt in der Nähe der Brennerei benannt ist. Der Status dieser Abfüllung als Bestseller ging in der 80er Jahren des letzten Jahrhunderts zusammen mit dem Kampf gegen größere Destillerien verloren. Weitere Whiskys sind ‚Diplomat Deluxe‘, ‚Colonel’s Special‘, ‚Black Knight‘ und ‚Summer Hall‘.

Bharat Distilleries liegt in Maharashtra. Golden Chariot Premium dieser Destillerie verkauft sich gut in Indien, was nicht zuletzt an seinem guten Preis-Leistungsverhältnis liegt. Der Remembrance Premium ist eher selten zu finden, wird aber nach einem geheimen Rezept hergestellt. Durch ein hauseigenes Labor kann Bharat dem Kunden immer eine sehr gute Qualität anbieten.

Die Rampur Distillery ist eine der größten indischen Destillerien und stellt eine Vielzahl verschiedener alkoholischer Produkte her. Ihr bekanntester Whisky ist der ‚8PM‘, der 1999 auf den Markt kam und immer noch den Verkaufsrekord mit über 1 Millionen Flaschen im ersten Verkaufsjahr hält. Weitere Abfüllungen sind der ‚Whytehall‘, ‚Contessa Deluxe‘, ‚Radico Gold‘ und der ‚Rampur No1‘.

Sikkim Distilleries hat seinen Sitz in Rangpo und brennt seit 1954 Whisky. Dort finden sich ein paar nette Abfüllungen wie der Sikkim Old Gold Premium Single Malt (ich kann hierzu wirklich nur das Verkostungsvideo auf Youtube von Horst Lüning vom Whisky Store empfehlen!) oder Sikkim Corn, der den amerikanischen Bourbons sehr nahe kommen soll. Hinzu kommen noch andere Whiskymarken wie ‚Sikkim Special‘, ‚Sikkim Shangrila‘ und ‚Red Barrel Noble Malt‘ sowie diverse Rum, Brandys, Gins, Liköre und Wodka – letzterer in Zusammenarbeit mit Jagatjit Industries Ltd.

Die South Seas Distillery mit Sitz in Tardeo in den Bergen von Sahyadri behauptet von sich selbst, die beste Brennerei von Malts und Grains in Indien zu sein. Zwei ihrer Abfüllungen sind der ‚Gold Rush‘ und der ‚Million Dollar‘.

6 Gedanken zu “Whiskywelten: Indien”

  1. Hallo,
    wie bedeutend der asiatische Markt im internationalen Wirtschaftsgefüge momentan ist, zeigt sich ja auch an der Meldung der letzten Tage, dass Diageo groß bei United Spirits eingestiegen ist – obwohl man bei 51% wohl auch schon von einer Übernahme sprechen kann.

    1. … was natürlich auch an einem interessanten Kaufpreis begünstigt durch die finanziellen Schwierigkeiten von Besitzer, Vijay Mallya, liegen kann. Er hat da aber auch ein paar wirklich kostspielige Hobbys!

      Und in China kratzt man mit dem aktuellen Verkaufszahlen von Single Malts aus Europa tatsächlich noch nicht mal an der Oberfläche.

  2. Hallo,
    mich hat die Qualität des indischen Whiskys überrascht. Wir haben kürzlich bei einen Tasting verschiedene Abfüllung von Amrut, Rampur und Paul John verkostet. Am meisten überzeugt hat mich dabei der Raj Igala von Amrut.

    Viele Grüße,
    Torsten

    1. Ganz deiner Meinung!
      Durch das Klima dort kommen ganz oft ziemlich leckere Sachen aus indischen Flaschen. Allerdings auch nur aus den Flaschen, die auf offiziellem Weg nach Europa gelangen. Nationale „Whiskys“ würde ich lieber nicht probieren.

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