6 Zutaten? Aber es sind doch nur 3… Gerste, Wasser und Hefe. Es kommt doch sonst nichts in einen guten (schottischen) Malt Whisky rein. Oder sieht der einfach nur doppelt?
Das sind, zugegeben, berechtigte Fragen. Und nein, ich sehe nicht doppelt. Ich möchte nur die klassische Zutatenliste für Whisky ein wenig erweitern und wenigstens 3 Ingredienzen hinzufügen. Unerlässliche, wie ich meine. Genauso wie hoffentlich auch der geneigte Leser es nach dem Lesen meiner Worte meinen wird.
Malt Whisky herzustellen ist ja im Grunde ziemlich einfach. Gerste wird zu Malz, Malz wird gemahlen und eingeweicht, Hefe dazu, ein paar Mal destillieren und reifen lassen. Gerste, Wasser, Hefe… Whisky fertig.
Gerste, Wasser, Hefe. Da waren sie wieder, die klassischen Zutaten, die alleine aber keinen Whisky machen können. Dazu fehlt noch einiges, wie ich gelegentlich durch Selbstversuche an offenen Flaschen leidvoll erfahren muss.
Ich fange am Besten mit der naheliegendsten fehlenden und vielleicht wichtigsten Zutat an: dem FASS
Das Fass gibt einem guten Whisky während den Jahren seiner Reifung immerhin nicht zu unterschätzende 3/4 seines Geschmacks… so plus-minus. Ich kann nur feststellen, dass ich mich für Whisky nicht interessieren würde, müsste dieser nicht in Eichenholzfässern lagern und reifen. Ein New Make, also das ungelagerte und frische Destillat, der Rohbrand, ist zwar ab und zu ganz spannend, nur für regelmäßig wiederkehrendes Probieren und längeres Schwelgen eben nicht spannend genug.
Man könnte nun argumentieren, dass ein Fass eher ein Hilfsmittel und keine buchstäbliche Zutat sei, weil es dem dem Whisky nicht hinzugegeben wird. Dann würde ich allerdings antworten, dass auch Hefe ein solches Hilfsmittel und keine Zutat ist, da sie in einem Zwischenschritt der Produktion in die Flüssigkeit kommt, jedoch letzten Endes ja nur Zucker in Alkohol umwandelt und nicht im Whisky verbleibt. Sie ist aber genauso wie das Fass ein Geschmacksgeber für den Whisky, denn wie würde wohl destilliertes süßes Wasser schmecken?
Der Rohbrand interagiert während der Lagerung ausgiebig mit dem Holz des Fasses. New Make hat einen sehr harschen Geschmack, oft metallisch, scharf und/oder mit Schwefelnoten. Nach ausreichend langer Reifung in Eichenholz sollten diese Aromen im fertigen Whisky nicht mehr vorkommen. Das liegt an den drei grundlegenden Arten der Wechselwirkung zwischen Flüssigkeit und Eichenholz:
- Additiv
Holz, Kohle und Fassrückstände geben über chemische Verbindungen beispielsweise blumige, fruchtige oder nussige Aromen aber auch Gerbstoffe wie Tannine an den Rohbrand ab - Subtraktiv
dem Rohbrand werden durch den Angel’s Share (Verdunstung durch das Holz), durch Adsorption (Abbau chemischer Verbindungen in der Kohleschicht des Holzes) und durch Masking (Überlagerung von Aromen im Rohbrand durch stärkere aus dem Holz) etliche nicht erwünschte Aromen genommen - Interaktiv
beinhaltet im Wesentlichen den Austausch von Fassinhalt und Luft durch das poröse Holz der Fasswände. Alkohol, Wasser und andere Moleküle verlassen das Fass mit der Zeit, Luft dringt ein, und deren Sauerstoff interagiert wiederum mit dem Destillat
Ausreichend lange Reifung… das bringt mich gleich zur nächsten fehlenden Zutat: ZEIT und ERFAHRUNG
Viele, also wirklich viele, versuchen sich aktuell am Handwerk des Whiskybrennens. Weltweit tauchen in den letzten Jahren neue Brennereien wie Osterglocken aus dem auftauenden Winterboden auf. Einige davon haben qualifiziertes Personal, einige versuchen es allerdings eher nach dem Motto “wird schon klappen, kann ja nicht so schwer sein” (siehe Kurzanleitung weiter oben).
Vielen gemein ist, dass sie keinen Großkonzern wie Diageo im Rücken haben und die Investitionen für ihre Brennausrüstung selber abbezahlen müssen. Produziert man nur Whisky, hat man jedoch erst nach 3 Jahren, also der Mindestlagerzeit von Whisky, eine Einnahmequelle. Darum kommen in den letzten Jahren und in regelmäßigen Abständen Whiskys neuer Brennereien auf den Markt, die nicht viel älter sind als 3 Jahre und damit noch nicht ausreichend Zeit in Eichenholzfässer verbringen konnten. Zutat Zeit.
Zeit spielt natürlich eine nicht weniger große Rolle beim eigentlichen Herstellungsprozess von Whisky. Speziell für größere und bereits seit längerem eingesessene Brennereien gilt, dass dieser Prozess gerne so kurz wie möglich gehalten werden soll, um gerne so viel wie möglich produzieren zu können. Natürlich wird man dabei für ein paar Liter mehr in der Stunde nicht die Qualität des fertigen Produktes und damit seinen Ruf auf’s Spiel setzen, doch Zeit ist heute Geld. Vergleicht man Whisky der Neuzeit mit Whisky, der in den 50ern und 60ern destilliert wurde, kann man sich in vielen Fällen gut vorstellen, was eine längere Fermentationzeit ausmachen kann.
Auf die Zeit oder besser gesagt ein gutes Timing kommt es beispielsweise ebenfalls an, wenn man im Spirit Safe Vorlauf und Nachlauf vom Mittellauf, dem Herz des Rohbrandes, trennt. Fusel will schließlich keiner im Glas haben. Dieses wichtige Timing beruht auf der Erfahrung, die man sich mit der Zeit angeeignet hat.
Erfahrung und Zeit sind auch unerlässlich, wenn es um die schon erwähnte Reifung von Whisky in Fässern geht. Was ist ein gutes Fass? Passt mein Destillat zur Vornutzung des Fasses? Wann ist ein Whisky so weit gereift, dass er abgefüllt werden kann? Wenn er nicht reif genug ist, soll der dann im gleichen Fass liegen bleiben? Wenn ja, wie lange? Und wie wird er sich darin entwickeln? Oder würde ein Finish helfen? Wenn ja, in welchem Fasstyp? Wie soll man das wissen, wenn man nicht auf das Wissen früherer Generationen zurückgreifen kann. Zutat Erfahrung.
Zu guter Letzt die dritte Zutat, die ich unter den klassischen Zutaten vermisse: die AUSRÜSTUNG
Brennblasen für Malt Whisky sind schon ein wenig speziell. Ihre Form, ihre Größe, der Lyne arm, Worm tubs. Damit kann man eben gut Whisky brennen. Klassischen, traditionellen Malt Whisky. Whisky, wie man ihn schon immer gemacht hat und wie man ihn mag. Auf ihre Brennblasen passen die Schotten darum auch gut auf. Einige behaupten sogar, dass schon kleinere Beulen im Kupfermantel der Brennblasen die Aromen im Destillat merkbar beeinflussen würden. Muss mal eine ausgetauscht werden, dann bitte nur, wenn die Neue die gleichen Beulen hat.
Viele deutsche Obstbrenner sind hingegen richtig gute Beispiele dafür, wie man es nicht machen sollte, wenn sie Whisky auf einer Obstbrennblase destillieren. Nur weil man eine Brennblase in der Firma hat, muss man nicht unbedingt guten Whisky damit brennen. Die Brennblasen der Obstbrenner unterscheiden sich nicht nur in Form und Größe von klassischen schottischen Brennblasen, sondern auch im inneren Aufbau. Diese Brennblasen erzeugen genau die fruchtigen Aromen, die man in einem Obstler haben möchte. Brennt man aber Gerstenbier darin, kommen oft Aromen wieder heraus, die man allgemein weniger mit Whisky verbindet.
Nicht wenige – in Schottland sogar nahezu alle – Brennereien, die guten Malt Whisky herstellen möchten, wählen daher auch eine klassische Brennblase, eine Pot Still. Die Schotten wissen schon, wieso sie das tun. Oder um ein altes Sprichwort in ein wenig abgewandelter Form zu verwenden: Brenner, bleib bei deinen Blasen!
Zusammengefasst sind dies also die 6 Zutaten für guten Whisky:
1. Gerste
2. Wasser
3. Hefe
4. Fass
5. Zeit bzw. Erfahrung
6. Ausrüstung
Und damit ist das Brennen von gutem Whisky schon gar nicht mehr so einfach… quod erat demonstrandum.