Whisky aus Gletschereis

Isfjord Arctic Single Malt Whisky

Untertitel: “Was es nicht alles gibt?” Oder: “Wie man aus der Not eine Tugend macht.” Und zur Präzisierung der Überschrift: “aus Gletschereis” ist korrekt, “mit Gletschereis” wäre falsch. Es gibt nun wirklich einen Single Malt Whisky, der aus Gletschereis hergestellt wird. Da sind die Schotten alle so stolz auf ihr ach-so-reines Quellwasser, und nun das! Reiner als Gletschereis geht es doch wohl wirklich kaum. Ist das nur ein Spaß oder doch ernst gemeint? Letzteres, so viel kann ich vorweg nehmen.

Ich war letzten Samstag auf einem Tasting mit dem Titel “New Nordics”, bei dem also Whiskys präsentiert wurden, die die nordischen Länder in den letzten Jahren so hervorgebracht haben bzw. noch hervorbringen wollen. Insgeheim hoffte ich ja seit der Anmeldung zum Tasting, dass auch Schottland noch irgendwie als nordisches Land durchgehen würde – im Sinne eines geschmacklich zufriedenstellenden Tastings – aber das sah der Chefgeograph des Tastings anders. Ich wurde dennoch nicht enttäuscht. Im Gegenteil konnten einige Drams gut mit vielen Schotten mithalten. Am Ende des Beitrages gibt es eine Tastingliste des Abends, der Vollständigkeit halber. Jetzt aber zum eigentlichen Thema.

Zwei der Whiskys dieses Abends hatten einen Hintergrund, der ein wenig von den anderen 7 abwich. Der Titel verrät es schon: das Wasser zur Produktion des Whiskys stammt von Gletschern aus Grönland. Rein, reiner, reinst. Wenn man den Machern dieses Whiskys Glauben schenken darf.

Angefangen hatte es 2006 mit der Idee von ein paar Dänen, dass man das sauberste Wasser der Erde doch gewinnbringend als Trinkwasser verkaufen könnte. Luxuswasser lagen stark im Trend, ob aus dem Himalaja oder von sonstwo. Was lag da näher, als Inlandseis der Gletscher in Grönland zu ‘ernten’, zu schmelzen und in Flaschen zu füllen? Bis zu 180.000 Jahre alter, vereister Schnee liegt dort und wandert nach und nach unter anderem in den Ilulissat Fjord. 80 Millionen Tonnen pro Tag. Wahnsinn! Nur ein wenig von diesem Eis sollte von Fischerboten aus eingesammelt werden. Die Erlaubnis der lokalen Behörden lag vor und man begann die Eisernte in kleinem Stil, um zu sehen, wie man daraus ein profitables Geschäft machen konnte.

Konnte man nicht. Der Liter hätte um die 10 Euro kosten müssen, was damals einfach zu viel Geld für sauberes Wasser war. Der Traum drohte zu einem Alptraum zu werden, wenn die Dänen nicht über Alternativen nachgedacht hätten. Zum einen wurden schon kurz nach beinahe-Fiasko in Estland ein paar Biere mit dem Wasser gebraut, unter anderem ein Weizenbier und ein Brown Ale.

Zwei weitere Alternativideen hatte ich also Samstag im Glas. Jahre zuvor hatte Morten Kelsen, Besitzer des Abfüllerlabels ‘Isfjord‘, nach dem Scheitern der Eiswasserpläne Kontakt mit Claus und Morten Braunstein von der damals noch jungen Brennerei gleichen Namens im dänischen Køge aufgenommen. Könnte man dieses extrem saubere Wasser, was nun geschmolzen in Containern vorhanden war, nicht zur Produktion von Spirituosen nutzen? Kelsen hatte gehört, dass Whisky sehr ‘in’ sei und wollte darum gerne auf diese Welle setzen.

Claus Braunstein merkte jedoch korrekterweise an, dass Morten besser ein paar Jahre auf den Whisky warten solle, bevor dieser einen halbwegs akzeptablen Geschmack habe. Das wollte Morten, der durchaus ein paar Kronen in das Eisabenteuer investiert hatte, natürlich nicht. Er entschied sich für den traditionellen Weg so vieler anderen junger Spirituosenhersteller dieser Jahre: Anfangsfinanzierung durch Produktion von Gin und Wodka. Beides wurde unter dem Label ‘Isfjord’ im Laufe der folgenden Jahre vermarktet und ist recht erfolgreich. Weltweit. Es galt nun, den Whisky so lange lagern zu lassen, dass man diesen als genießbares Produkt auf den Markt bringen konnte.

Im Herbst 2016 war es so weit. Claus Braunstein war zufrieden mit der Reifung in den Braunstein’schen Lagerhäusern und der Whisky konnte in Flaschen gefüllt werden. Irgendwas um die 8 Jahre waren seit der Destillation vergangen. Zwei Varianten wurden mit 42% Alkohol abgefüllt. Die #1 lagerte in gebrauchten Oloroso-Sherryfässern und ist ohne Rauch, die #2 ist leicht rauchig, lagerte zuerst in Ex-Bourbonfässern und danach in neuer amerikanischer Eiche. Preislich sind die beiden Eiswhiskys mit ca. 80 bis 90 Euro für den halben Liter trotz guter geschmacklicher Ansätze jedoch zu weit von gleichwertigen schottischen Abfüllungen entfernt.

Laut Morten Kelsen wird die Produktion bei Braunstein kontinuierlich fortgesetzt, so dass man nach den beiden Erstauflagen vom Frühjahr 2017 auch weiterhin Eiswhisky anbieten kann. Die Größe des aktuellen Batches liegt bei 1600 Flaschen. Oder waren es 1800? Na, egal. Es wird bei diesem Preis auf jeden Fall kaum eine Verknappung geben.

Geschmacklich liegen die beiden trotz der unterschiedlichen Herkunft der Fässer auf einer Linie – lässt man den Rauch mal außen vor: mild und fruchtig mit viel Vanille und Karamell. Sehr klassisch. Ob das nun am reinen Wasser liegt, kann ich nicht beurteilen. Ausschließen will ich es allerdings auch nicht. Sauberes Eisbergwasser wird sich bei Destillation und Reifung schon auf den Geschmack auswirken können. Wenn Minerale und ähnliches fehlen, die in Quellwasser sonst vorhanden sind, ändert sich sicherlich der Siedepunkt des Destillates geringfügig und auch die Interaktion mit dem Eichenholz der Fässer sollte unterschiedlich sein. Es sind aber nur 200 ml Eiswasser, die am Ende in einer 700 ml Flasche landen.

Irgendwie fand ich die Drams ja interessant, besonders die rauchige #2. Mal sehen, ob irgendwann noch einmal in den Genuss dieses Eiswhisky kommen werde…

Zum Ende noch die Tastingliste mit allen nordischen “Neuigkeiten”:

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