Jeder Tropfen Whisky, der verkauft werden soll, muss zwangsläufig wenigstens 3 Jahre in Fässern aus Eichenholz reifen. Sonst darf er sich nicht Whisky nennen. Jedenfalls nicht, wenn er aus Schottland oder anderen halbwegs zivilisierten Ländern kommt. Jetzt gibt es aber auch Whiskys, die 40 Jahre und mehr in Eichenholzfässern verbringen. Alles in allem kommt da eine ganz schön große Anzahl an Fässer zusammen, die in den Lagerhäusern der Destillerien unserer Zeit auf ihre Bestimmung warten. Wikipedia gibt dabei eine Gesamtzahl von 18 Millionen Fässern an – bereits im Jahre 2004 und das alleine für Schottland. Heute dürfte diese Zahl in Anbetracht der gestiegenen Nachfrage und der Kapazitätserweiterungen einiger Destillerien bei weit über 20 Millionen Fässern liegen und um ein Vielfaches höher, wenn man sich weltweit umsieht. Doch was macht man mit alten Whiskyfässern?
In dieser Frage zeigen sich die Schotten und Iren im Vergleich zu den Amerikanern wesentlich lösungsorientierter. Die Amerikaner stehen dabei eher für den Ursprung aller sich auf dem Markt befindlichen Fässer. Denn für ihren Bourbon dürfen sie per Gesetz nur neue Eichenholzfässer verwenden, genauer gesagt frische Fässer aus amerikanischer Weißeiche. Einmal gebrauchte Fässer sind nicht mehr für die Lagerung von Whisky zugelassen. Bei der Höhe des Ausstoßes der Destillerien in Kentucky, Tennessee und drumherum sowie einer recht kurzen Lagerzeit, die kaum die 8 Jahre übersteigt, werden hier jährlich Millionen gebrauchte Fässer ‘produziert’.
Doch um diese Fässer kümmern sich die Schotten und die Iren nur allzu gerne. Ein Destillat aus diesen Ländern in ein zuvor ungenutztes Fass aus Eichenholz zu füllen, würde dem frischen Brand schon nach kurzer Lagerzeit viel zu viele Holzaromen verleihen. Daher kauft man unter anderem die Bourbonfässer aus den USA millionenfach auf und nutzt deren Geschmack als Ausgangspunkt für die Lagerung der eigenen Destillate. Man sprich dann von einem First Fill Cask.
Das gleiche machen viele schottische Destillerien mit Fässern, die ehemals zur Reifung von Weinen oder Likörweinen wie Sherry, Port, Madeira oder Muskatel verwendet wurden. Hier ist es oft so, dass der Inhalt aus den ehemaligen Bourbonfässern zur Nachreifung für 6 bis 24 Monate in diese Weinfässer umgefüllt wird. Weniger häufig geschieht es, dass Whisky seinen Reifeprozess in solchen ausgedienten Weinfässern beginnt oder dann auch noch mit Whisky aus Bourbonfässern vermischt wird.
So wäre dann schon einmal der erste Abschnitt im Leben eines Eichenfasses erklärt. Es wird millionenfach zur Lagerung von Whisky aus Schottland und anderen Ländern verwendet. Doch auch ein Single Malt ist nach drei Jahren offiziell fertig gereift und dürfte dann schon mit dem Label ‘Whisky’ verkauft werden. Dieser Whisky wird also nach einigen Jahren aus den Fässern in Flaschen abgefüllt. Und dann? Tja, dann steht da wieder ein altes, ungenutztes Fass.
Die sparsamen Schotten und die noch sparsameren Iren nutzen jedoch auch dieses leere Fass und füllen wieder Whisky zur Reifung hinein. Dann wird aus dem First Fill ein Second Fill bzw. ein First Refill Cask, wie es korrekt heißt. Wenn das Eichenholz des Fasses es hergibt, kann man das Spielchen sogar noch ein drittes Mal treiben.
Das Problem an der Sache ist nur, dass das Eichenholz durch den Kontakt mit der hochprozentigen Spirituose in Inneren des Fasses chemisch reagiert. Durch diese Reaktion gelangen Geschmacksstoffe des Holzes wie zum Beispiel Süße, blumige Noten, Würze, Vanille oder Karamell in den Whisky. Jedoch besitzt das Holz nicht unendliche Mengen dieser chemisch reaktiven Stoffe. Irgendwann – durchschnittlich ungefähr nach 30 Jahren – ist das Eichenholz ausgelaugt und der Whisky im Fass reift dann nicht mehr wie von Kunden gewünscht weiter. Zu diesem Zeitpunkt müssen sich selbst Schotten und Iren von ihren Whiskyfässern aus alternder amerikanischer und europäischer Eiche trennen.
Aber was nun?
Solch ausgediente Fässer, die normalerweise ein Fall für die Deponie wären, gehen heute häufiger mal an den Endverbraucher. Halbierte Whiskyfässer mit Erde zu füllen um sie dann als Blumentöpfe zu nutzen, ist dabei noch eine der einfalls- und harmloseren Möglichkeiten einer Weiterverwendung. Auf seiner Homepage Whiskytastings.com schrieb Ray Pearson neulich (ok, ich sehe gerade, dass er sowas ähnliches schon vor einem Jahr mal auf Justluxe.com geschrieben hatte…) einen sehr interessante Beitrag über die Transformation und die Wiedergeburt von Whiskyfässern, wie er es nannte. Mit diesen Begriffen hat er allerdings nicht so ganz unrecht. Denn wie sich zeigt, lässt die neue Nutzung eine Identifizierung des früheren Whiskyfasses nicht mehr wirklich zu. In diesem Beitrag stellt er zwei Firmen vor, die sich sehr viel intensiver mit dem Thema befassen.
Zum einen ist dort Barrely Made It (BMI) genannt, deren Eigentümer Gustaf Anders Rooth aus den Dauben, Deckeln und eisernen Reifen von alten Weinfässern aus Kalifornien oder Bourbonfässern aus Kentucky Designermöbel fertigt. Die Palette reicht hier von einfacheren Beistelltischen für 420 USD über Bänke und Barhocker bis hin zu einem Liegestuhl mit patentgeschütztem Design für 4985 USD. Die Möbel sehen zwar ausnahmslos genial aus, aber wenn man sich überlegt, wie viele richtig gute und auch seltene Abfüllungen man sich dafür kaufen könnte…
Die andere Firma hat ihren Sitz im schottischen Glasgow, heißt McKay Flooring Ltd. und stellt dem Namen getreu Fußböden her. Aus Hartholz. Als Spezialist auf diesem Gebiet tut man sich natürlich auch leicht, aus sanft gebogenen Fassdauben flache Bretter zu machen, die dann als Fußbodenbelag verkauft werden. Markierung und Markenzeichen, die von den Nutzern des Holzes über die Jahre in das Holz eingebrannt und eingraviert wurden, bleiben dabei erhalten, um dem Fußboden einen möglichst authentischen Eindruck zu geben. Wer sich einen Eindruck darüber machen möchte, der kann ja mal versuchen, einen Blick in den Laird’s Room des Corinthian Club in Glasgow zu werfen. Dort wurden mehrere hundert Meter alter Dauben als Wandvertäfelung verwendet und geben dem Raum einen ganz besonderen Flair. Wer was noch Außergewöhnlicheres an der Wand will, dem schraubt McKay auch die beim Auffrischen bzw. Umbauen der Fässer abgeschnittenen Endstücke der Dauben an die Wand.
Auch in Italien nimmt man sich scheinbar der gebrauchten Fässer an, wie man auf der Page Bleedingwhisky.com erfahren kann. Zwar geht es dort nicht um den großen Umsatz, doch ist die Idee ausgefallen genug, um sie hier zu präsentieren. Im Norden Italiens gibt es den Gitarrenbauer Manne, der aus den beiden Deckeln eines Whiskyfasses von Lagavulin 2 Taos Gitarren und aus den Fassdauben eine Bassgitarre gefertigt hat. Konserviert wurde das Holz für die Gitarren mit einer Mischung aus geruchslosem Öl und der 91er Lagavulin Distillers Edition. Wem bei diesem Duft nicht nicht die Muse peitscht, dem kann wirklich nicht mehr geholfen werden.