Glencadam fällt nun nicht unbedingt in die Kategorie von Destillerien, deren Namen zu aller erst genannt werden, wenn in einem Gespräch das Thema ‚Whisky‘ angeschnitten wird. Hier sind es eher die Glenfiddich’s, die Ardbeg’s oder die Glenlivet’s, von denen man als normalsterblicher Whiskytrinker häufiger mal hört. Auch in den Regalen von Supermärkten oder Flughäfen geht die Präsenz von Abfüllungen der Glencadam Destillerie gegen Null. Doch woran liegt das? Ist es die Verfügbarkeit der Abfüllungen von Glencadam? Sind es vertriebspolitische Gründe? Oder liegt es am Ende gar am Geschmack? Ich habe mich der Sache mal angenommen und am Ende den Selbsttest gewagt: Den 4-fachen Glencadam.
Ein paar Worte zum Hintergrund von Glencadam: Diese Whiskybrennerei liegt am nordöstlichen Ortsrand der alten schottischen Marktstadt Brechin mit seinen knapp 7000 Einwohnern, direkt hinter dem lokalen Fußballstadion und dem lokalen Friedhof. Auf der anderen Seite des Stadions stand bis zu ihrem Abriss im Jahre 1990 die North Port Destillerie, die aber schon seit 1983 keinen Whisky mehr produzierte. All das spielt(e) sich nur etwa 30 km nördlich der Hafenstadt Dundee an der Ostküste Schottlands ab.
Die Destillerie Glencadam wurde wahrscheinlich 1825 gegründet – die Quellen widersprechen sich da – und sollte damit eigentlich schon als etabliert gelten. Es kann also nicht an ihrer Jugend liegen, dass sie eher unbekannt ist. Und selbst wenn Glencadam jung wäre, gäbe es heutzutage wahrscheinlich solch einen Hype um die Neueröffnung, dass die Brennerei auf einen Schlag in aller Munde wäre. Sozusagen.
Wie auch immer, im Laufe der Jahre seit der Gründung durch George Cooper gab einige Besitzerwechsel. Zunächst gab es nur einen Privatverkauf, im Jahre 1891 wurde Glencadam dann aber an einen Blendbrenner aus Glasgow verkauft. Damit war die Richtung der Produktion der Whiskys von Glencadam für die nächsten 100 Jahre schon grob vorgegeben: Single Malt für Blended Whiskys. Auch durch den nächsten Besitzer, Hiram Walker und in der Folge Allied Distillers, änderte sich ab 1954 daran wenig. Die in Glencadam produzierten Whiskys wurden in großen Stil für die Blends ‚Stewart’s Cream of the Barley‘ und Ballantine’s genutzt oder ging zu klein(st)en Teilen an Unabhängige Abfüller wie Gordon & MacPhail.
So weit die Geschichte der Destillerie, bis im Jahre 2000 dort zum letzten Mal die Türen verschlossen wurden. Bis dahin gab es nur eine 15-jährige Originalabfüllung, die auch in nennenswertem Maßstab verfügbar war. Und genau hier liegt der Grund für die geringe Bekanntheit von Glencadam bei den Käufern und Trinkern von Whisky. Die Marke existierte als solche nicht auf dem Whiskymarkt, sondern nur als ungenannter Teil anderer Whiskys.
Das sollte sich erst 2003 ändern, als die Brennerei von Angus Dundee Distillers als neuem Besitzer wiedereröffnet wurde. Mit diesem Besitzerwechsel wurde eine Korrektur der Produktions- und Verkaufsstrategie vorgenommen. Seit 2007 wurde von Glencadam daher wieder eine kleine Reihe von Originalabfüllungen aufgebaut, im Alter beginnend mit einem 10-Jährigen und heute vorläufig endend mit einem 21-Jährigen. Darüber hinaus gibt es einige limitierte Originalabfüllungen im Alter von 25, 30 und 32 Jahren sowie seit 2010 auch einige jüngere Abfüllungen, die in Portweinfässern und Oloroso Sherryfässern nachgereift wurden.
Glencadam produziert unter der Regie von Angus Dundee heute 1,5 Millionen Liter Alkohol im Jahr mit zwei Pot Stills, deren Form sich in all den Jahren nicht änderte. Die Lagerhäuser haben Platz für ungefähr 20.000 Fässer, wobei die ältesten Bestände um die 30 Jahre alt sind. Da zeigt sich wieder einmal, dass ein Blendproduzent nicht unbedingt großen Wert auf alte Lagerbestände legt. Ungewöhnlich für eine Whiskybrennerei ist jedoch die Neigung der Rohre (‚Lyne-Arme‘) am oberen Ende der Brennblasen, die mit 15% nach oben statt nach unten zeigt. Vielleicht hat hier der weiche und cremige Charakter des Whiskys von Glencadam seinen Ursprung, der ihm so gerne nachgesagt wird.
Nachdem der Grund der relativen Unbekanntheit von Glencadam geklärt ist, jetzt aber zum Selbstversuch. Dieser besteht aus der Verkostung von 4 Abfüllungen aus dem Hause Glencadam – eben dem 4-fachen Glencadam. Dazu gehören 3 der neueren Originalabfüllungen (10 yo, 15 yo und 21 yo, besten Dank an Nira für die Samples) sowie eine 17-jährige unabhängige Abfüllung aus der Serie ‚The Cope Stone‘ von A. Dewar Rattray aus dem Jahre 1990 in Fassstärke. Auffällig schon beim ersten Anblick: die nahezu identischen Farben der 4 Abfüllungen, wo die dezenten Unterschiede fast nur vor weißem Hintergrund sichtbar werden.
An dieser Stelle gibt es nur eine kurze Zusammenfassung. Die ausführlichen Beschreibungen gibt es wie immer in der Kategorie Verkostungen hier im Whisky-Journal.
Glencadam 10 yo (46 %)
Kategorie | Colamischung | |
Farbe | Helles Stroh | |
Geruch | Intensiv, Zitrus mit ein wenig Honig, später Eierlikör | |
Geschmack | Frucht, Getreide, ein wenig Salz, recht ausgeglichen | |
Finish | Lang, trocken-malzig, ein wenig Kaffee, ein wenig Menthol, ein wenig Pfeffer |
Eine recht junge und unspektakuläre Abfüllung, die nur im langen Finish auf sich aufmerksam macht. Ansonsten gibt es in der Nase ein ziemliches Chaos aus intensiven Aromen, das sich am Gaumen in die schönste Ordnung mit etwas zu großen Langeweilefaktor wandelt. Hier habe ich schon wesentlich interessante und bessere Jungspunde im Glas gehabt. Ich vermisse die Cremigkeit, die den alten Abfüllungen von Glencadam so oft nachgesagt wird. Dabei sollte es sich noch um solch ein älteres Produkt handeln, das zu Zeiten vor Angus Dundee gebrannt wurde.
Glencadam 15 yo (46 %)
Kategorie | Lustigmacher |
Farbe | Eine Nuance dunkler als helles Stroh |
Geruch | Eher süß-fruchtig als süß-sauer, ein wenig blumig |
Geschmack | Erst weich, dann belebend mit Gerste, Würze und Pfeffer |
Finish | Lang, aber kaum ausgeprägte Noten, ein wenig Malz hier, ein wenig Pfeffer dort |
Man merkt dem 15yo die 5 Jahre mehr im Fass im Vergleich zur 10-jährigen Abfüllung schon an. Er ist weniger wild und kann mit etwas mehr Ausgeglichenheit in der Nase, im Mund und im Hals punkten. Jedoch ist er weit weg von der Klasse eines Dalmore oder eines Glenlivet im gleichen Alter. Was mich auch hier wieder überrascht, sind die pfeffrige Schärfe und das malzig-süße Ende, die scheinbar Konstanten bei Abfüllungen von Glencadam sind.
Glencadam 21 yo (46 %)
Kategorie | Lustigmacher |
Farbe | Geht von Stroh über in Gold |
Geruch | Intensiv, Orange, Honig und Eichenholz |
Geschmack | Zunächst mild mit reifer Frucht und etwas Getreide, dann mit herb-würzigeren Tönen |
Finish | Mittellang, ausgeglichen, mit etwas Malz, etwas Salz und etwas Holz |
Um es kurz zu sagen: Das Alter tut dem Glencadam richtig gut. Dennoch kann mich auch die 21-jährige Abfüllung von Glencadam nicht gänzlich überzeugen. Irgendwo fehlt mir die Linie, der Schwerpunkt, das Charakteristische auch bei diesem Dram. Natürlich sind knapp 70 Euro für einen 21-Jährigen heute keine Unsumme mehr, aber dennoch ist es Geld, dessen Investition gerechtfertigt sein soll. Und wenn mich jemand fragt, ob mir dieser Glencadam nur 30% schlechter schmeckt als der gleichaltrige Glenfiddich, gibt es nur eine Antwort: Nein, lieber den Glenfiddich.
Glencadam The Cope Stone (57,6 %)
Kategorie | Handwerkskunst |
Farbe | Mehr strohgelb als strohgold |
Geruch | Apfelmost, prickelnde Brause, Honig, Alkohol |
Geschmack | Frische, Zitrusfrucht, Salz, Malz, Pfeffer – in dieser Reihenfolge |
Finish | Lang, immer noch frisch und belebend, gar nicht alkoholisch unangenehm |
Dieser Glencadam von A.D Rattray ist für eine Abfüllung in Fassstärke (Cask Strength) ein ausgesprochen bekömmlicher Dram. Er versprüht einen Duft von Traubenmost im Raum, der seines Gleichen sucht. Der Alkohol hält sich nach kurzem aromatischen Aufmucken gut bedeckt und lässt Platz für viele andere interessante Sinneseindrücke. Auch im Finish kann ich kaum Schwächen entdecken, gibt sich der Glencadam hier doch sanft und gleichzeitig lange belebend. Eine gute Mischung aus junger Reife und alternder Wildheit.