NAS – Nicht Alles Saufen!

Whisky NAS Abfüllung Talisker StormEntschuldigt bitte die wenig vornehme Überschrift. Ich glaube aber, dass diese Übersetzung der Abkürzung ‚NAS‘ (eigentlich ‚No Age Statement‘) meine Sicht der Dinge ziemlich gut widerspiegelt. No Age Statement Whiskys, also Whiskyabfüllungen ohne Angabe zur Lagerungszeit auf der Flasche, sind zumindest bei den schottischen Herstellern von Whisky so populär wie zuletzt vor 50 Jahren. Viele in der Branche, insbesondere erfahrene Kunden, halten diesen Trend allerdings für problematisch. Manche sehen darin ’nur‘ einen Betrug am Kunden in Sachen Geschmack, andere fürchten gar, dass hieran die gesamte Whiskybranche zu Grunde gehen wird.

Darüber wurde ja in den letzten Wochen schon viel geschrieben. Hier kommen also meine ausführlichen 5 Cent, nachdem ich vor ein paar Wochen schon einmal kurz im Whic Whisky Blog dazu Stellung nehmen durfte.

Dass die Nachfrage nach schottischem Whisky – egal ob Single Malt oder Blend – in den letzten Jahren einen Höhenflug erfahren hat, brauche ich hier kaum zu erwähnen. Dass dieser nun sogar so begehrt ist, dass die über 100 kleineren und größeren Destillerien in Schottland mit ihrer aktuellen Produktion die erwartete Nachfrage an länger gereiften Abfüllungen in ein paar Jahren nicht mehr decken können, wird auch immer wieder berichtet. Die Produzenten müssen also reagieren, um einer Verknappung ihrer Ware zeitnah entgegenwirken zu können. Und ‚zeitnah‘ ist hierbei das Stichwort.

Eine Erweiterung von Brennkapazitäten, wie sie von vielen großen Konzernen im Laufe der letzten Jahre in der Größenordnung von etlichen hundert Millionen Britischen Pfund angekündigt wurde und in den kommenden Jahren durchgeführt wird, ist kaum eine Lösung. Jedenfalls keine, die kurzfristig wirkt. Denn Whisky muss bekanntlich mindestens 3 Jahre in Eichenholzfässern reifen. Experten behaupten sogar, dass Whisky erst nach wenigstens 10 Jahren Lagerung eine akzeptable geschmackliche Mischung aus Brennereicharakter und Fasseinfluss bietet. Legt man diese Zeit mit der Bauzeit der Brennereierweiterungen zusammen, ist das selbst für schottische Verhältnisse schon eher eine Investition in die fernere Zukunft.

Bleibt also eine zweite Möglichkeit: die Umerziehung des Kunden.

Dazu muss man wissen, dass NAS-Abfüllungen keine Erfindung unserer Zeit sind. Bevor man in den 60ern im größeren Stil damit begann, die Zeit eines Whiskys im Fass auf die Flasche zu schreiben, hat sich der geneigte Trinker einen feuchten Kehricht um eine Altersangabe gekümmert. Ok, zugegeben, damals gab es auch noch nicht so viele Whiskytrinker wie heute und als Brenner nahm man eher das Wort ‚Überleben‘ als das Wort ‚Verknappung‘ in den Mund.

Im Laufe der Jahre wurden wir allerdings langsam umerzogen. Lässt man die Maltheads einmal außen vor, ist heute das Alter für den Großteil der Käufer von Single Malt Whiskys ein ausschlaggebendes Qualitätsmerkmal für den Kauf einer Flasche oder auch einer Marke. Wie oft hört man doch stolze Worte von Gelegenheitsgenießern über den Erwerb eines 10-jährigen Glenweissnich? Nur eben mit dieser Einstellung haben die Brennereien, ihre Master-Distiller und ihre Warehause-Manager heute als Folge der gestiegenen Nachfrage zu kämpfen.

Ich will an dieser Stelle gar nicht darauf eingehen, warum man erst heute auf die seit Jahren steigende Nachfrage reagiert. Unzureichendes wirtschaftliches Denken? Vielleicht. Fehlende Weitsicht? Möglich. Mangelhaftes Warehouse-Management? Nicht unwahrscheinlich. Vielmehr soll es hier aber um den Trend zu No Age Statement Whiskys gehen, den viele Brennereien und internationale Konzerne, die in Schottland Whisky produzieren lassen, in den letzten Jahren und Monaten als vermeintliche Lösung für sich entdeckt zu haben scheinen. Welchen Einfluss kann dieser Trend auf das Whiskybusiness haben, kurzfristig und langfristig?

Losgetreten hat die Diskussion zu diesem Thema wohl die Entscheidung von Macallan vor ein wenigen Jahren, wegen des Mangels an alten Fässern nur noch Abfüllungen auf den Markt zu bringen, die keine Altersangabe tragen. Im letzten Jahr folgte dann Diageo bzw. Talisker in kurzem zeitlichen Abstand mit dem Storm, mit dem Port Ruighe und mit dem Dark Storm, die größtenteils von – ich drücke mich jetzt mal vorsichtig aus – ‚wenig aussagekräftiger Qualität‘ waren. Zuvor waren es beispielsweise Bunnahabhain oder Glenmorangie, die entgegen ihrer Traditionen mit Abfüllungen wie dem Toiteach oder dem Lasanta aufwarteten. Mit preislich recht ambitionierten Abfüllungen kamen zuletzt dann wiederum Talisker mit einer Spezialabfüllung für die Friends of Classic Malts (FoCM) aber beispielsweise auch Mortlach in die Schlagzeilen.

Hier zeigt sich ein weiteres Phänomen. Manche Destillerien versuchen die Altersangabe durch phantasievolle, oft gälische Namen zu ersetzen, um damit einen höheren Preis für den Whisky zu rechtfertigen. Wenn eine NAS-Abfüllung mit wohlklingendem und unaussprechlichem Namen für einen Preis angeboten wird, für den man sonst eine 18-jährige Abfüllung bekommt, dann sollte man sich allerdings Gedanken über die Gestaltung dieses Preises machen. Vielleicht hat die Brennerei dort tatsächlich vornehmlich alte und wertvollere Fässer abgefüllt, musste diese aber aus welchen Gründen auch immer mit jungen Fässern vermischen und scheut sich darum, das Alter des jüngsten Fasses auf die Flasche zu schreiben. Vielleicht aber steckt dort auch nur die Hoffnung auf ein schnelles Pfund hinter. Die Wahrheit liegt hier wie so oft wahrscheinlich irgendwo in der Mitte.

Mit diesen Vermutungen komme ich dann wieder zurück zur Überschrift: NAS steht dort für ‚Nicht Alles Saufen‘.

Dies gilt in diesem Zusammenhang zum einen als Hinweis für den Gelegenheitstrinker, dass er sich nicht alles kaufen soll, was ihm in Zukunft meist in den Duty-Free-Shops der Flughäfen dieser Welt mit goldenen Lettern präsentiert wird. Schon gar nicht zu jedem vermeintlich speziellen Travel-Retail-Preis. Das gilt aber auch für den erfahrenen Genießer, der einigermaßen einschätzen kann, wie sich der langjährige Kontakt von Eichenholz auf einen Whisky auswirkt. Dieser wird sich den Kauf einer diesbezüglich unspezifizierten NAS-Abfüllung genauer überlegen und von einem Blindkauf möglicherweise absehen.

NAS-Abfüllungen generell zu verteufeln, halte ich allerdings nicht für richtig oder gerechtfertigt. Dafür gibt es sowohl bei Whiskys mit als auch ohne Altersangabe Beispiele, die rein geschmacklich besser nicht abgefüllt worden wären. Und es gibt auf der anderen Seite in beiden Fällen exzellente Abfüllungen, die jeden Euro wert sind. Im direkten Vergleich kann bei NAS-Abfüllungen allerdings ein hoher Preis problematisch werden, der einen potentiellen Käufer wegen fehlender Transparenz bzw. in Ermangelung bekannter Qualitätsmerkmale (= Altersangabe) von einem Kauf abhält.

Doch auch darin sehe ich keine große Gefahr für den globalen Absatz von Whisky. Eventuell ist eine Versorgung mit schottischem Whisky trotz der recht umfassenden Erweiterungen der Brennereikapazitäten wegen weiter steigender weltweiter Nachfrage gefährdet, aber nicht durch das Weglassen von Altersangaben auf den Flaschen, wie es einige Kenner der Szene befürchten.

Über den Erfolg einer Abfüllung bzw. einer Marke entscheidet am Ende immer noch die Basis, sprich die umsatzstarke Kundengruppe der Gelegenheitsgenießer, denen geringere geschmackliche Veränderungen im Laufe der Zeit kaum auffallen werden. Sollte der Absatz von Whisky aber aufgrund überteuerter Abfüllungen wirklich spürbar zurückgehen, dann werden die Produzenten dieser Abfüllungen darauf reagieren müssen. Und in Anbetracht der zuletzt angedeuteten Preispolitik und den zu vermutenden Margen werden sie es auch ohne größere Schwierigkeiten können.

In diesem Zusammenhang glaube ich auch eher weniger daran, dass die Konzern-Multis ein untergehendes Whiskyschiff einfach weiter sinken lassen werden, um sich auf andere Spirituosen zu konzentrieren. Dafür wurde in den letzten Jahren einfach zu viel Geld in diesen Industriezweig gesteckt. Eventuell werden einzelne, nicht rentabel produzierende Brennereien geschlossen, was sicherlich schade im Sinne der Geschmacksvielfalt wäre. Aber das wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass Brennereien geschlossen werden. Zudem sind bisher auch immer wieder neue entstanden.

Wie gesagt, für mich ist der Trend zu NAS-Abfüllungen in erster Linie der Versuch, den Kunden mittelfristig umzuerziehen, um auch längerfristig gute Gewinne erzielen zu können. Eine Erziehung weg von dem vermeintlichen Qualitätsmerkmal Alter, hin zu einer Einstellung à la ‚Ach-egal-wird-schon-schmecken-ist-ja-von-Glenweissnich‘. Markenbindung in einem diversen Markt wird das in Fachkreisen wohl genannt. Und kann man Markenbindung nicht durch offensives Marketing, durch vermeintliche Innovation oder durch vorgetäuschte Individualität erreichen, gelingt dies manchmal durch Senkung des Preisniveaus.

Die Zeit wird zeigen, welche der Alternativen sich im Sinne einer erfolgreichen Markenbindung durchsetzt.

6 Gedanken zu “NAS – Nicht Alles Saufen!”

  1. Sehr guter Kommentar zum Thema No-Age-Statement. Wir hatten das Thema auch gerade in einem Pro-Contra-Artikel bei uns: http://www.alkoblog.de/no-age-statement-whisky-pro-contra/

    Das Risiko, dass klassische Single Malts mit Altersangabe im Einstiegssegment bald eine Seltenheit werden, sehe ich auch. Erst werden Alternativen zum 10- oder 12-jährigen geschaffen und dann vielleicht in einem zweiten Schritt über den Preis versucht, die NAS an ihre Stelle zu setzen. Und die Single Malts mit Alter sind dann halt teurer. Aktuell ist es ja kurioserweise noch andersherum: Viele NAS-Whiskys sind teurer als ihre Age-Statement-Kompagnons. Als Käufer hat man also keinen echten Vorteil.

    In einigen Fällen könnte es aber natürlich auch andersherum sein: Ich denke manche Destillerien versuchen mit den NAS ihr Sortiment zu vervollständigen und mehr Nischen zu füllen. Da ist eine neue NAS-Abfüllung natürlich schneller auf den Markt gebracht und mit weniger Risiko verbunden, als wenn man den bekannten 12-jährigen im Geschmack anpasst oder ihn in einer Variante auf den Markt bringt. In diesem Sinne wären die NAS vor allem ein Experimentierfeld, mit dem die Destillerien mehr jüngere Käufer gewinnen möchten, die sich noch nicht auf eine Marke und Abfüllung „festgetrunken“ haben.

    Was meinst du dazu?

    1. Mojn Lukas,
      am Gedanken des risikofreien Experimentierens ist bestimmt eine Menge dran. Man kann mal abtasten, welcher Geschmack und vor allem welches Marketing beim Kunden erfolgreich sind. Zudem könnte man über kreative Geschichten und phantastische Namen neue Kunden locken… allerdings nur bei entsprechend niedrigeren Preisen. Andererseits, warum sollten die Unternehmen das tun? Der Markt boomt und Neu-Genießer sind nicht unbedingt vonnöten.
      Aber das liegt alles im Reich der Spekulationen. In ein paar Jahren sind wir schlauer und wissen, wohin uns die Diageos, Pernods, Bacardis und Suntorys führen wollen.
      Gruß, Stefan

  2. Wolf

    Hallo,
    zwar schon ein älterer Artikel, bin aber so wirklich erst jetzt auf diese Thematik gestoßen. Jedenfalls, bin seit vielen Jahren ein Single-Malt-Whisky-Genießer probiere immer wieder gerne etwas Neues aus. Nun, jetzt habe ich am Wochenende das erste Mal den Storm gekostet und ja, ich fand ihn wirklich gut. Offensichtlich als einer der wenigen, denn als ich über den Storm nachgelesen habe, erschien mir, als stünde dieser als Bad-Guy für die gesamte Thematik NAS ( Teer, metallisch ….). Ich will das jetzt gar nicht vertiefen, aber beim weiteren Nachlesen erschien mir, als würden alle NAS-Whiskies querbeet von den Liebhabern eher scheel angesehen und entsprechend bewertet. Dessen ungeachtet ist die Optik imho natürlich schon ein wenig schief: Umsatz durch „schnelle“ Abfüllungen von günstigeren NAS-Whiskies, Verteuerung der „Jahrgangswhiskies“ und ab und an tatsächliche oder gefühlte „Abzocke“ (wobei der Dark Storm, Port Ruighe etc. da schon verdächtiger sind als der relativ günstige Storm). Man wird sehen ….

    1. Hallo Wolf,
      Dem Neuen bin ich auch zugeneigt. Ist dabei eigentlich egal, wie lange die Abfüllung im Fass oder in der Flasche war. Daher habe ich auch nichts gegen NAS – solange das Gegenteil im spezifischen Fall nicht bewiesen ist. Das gleiche gilt aber auch für Abfüllungen mit Altersangabe. Nur beim „Storm“ muss ich der Masse der Recht geben. Der war für mich mit Abstand der Schlechteste aus dem Trio.

      Aber so verschieden sind eben die Geschmäcker… Gott sei Dank. Sonst hätten wir ja nur Einheitsbrei in der Flasche.

  3. Schön geschrieben und voller Denkanstöße. Danke dafür! Darauf einen Gleinweissnich. 😉

    1. Danke für die Blumen… sowie viel Vergnügen mit einem einem Glenweissnich an einem Samstagmorgen 😉

      Und um 5 Jahre nach dem Schreiben des Beitrages ein kleines Fazit zu ziehen: Weder hat sich NAS flächendeckend durchgesetzt, noch wurde Whisky aufgrund (zu) später Produktionserweiterungen knapp. Das sind doch 2 gute Nachrichten, oder?

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