Der Stil des Hauses

Brennerei Destillerie Springbank Longrow Hazelburn

Lange habe ich darüber nachgedacht, was ich zu diesem Thema schreiben könnte. Der Stil einer Destillerie… was ist das? Wie kann man diesen definieren? Wie beschreibt man sowas? Gibt es überhaupt einen Stil des Hauses, ein Geschmacksprofil? Ändert er sich mit der Zeit? Kann man ihn eventuell auch an der Region festmachen, in der eine Brennerei liegt? Wodurch wird dieser ‚Brennereicharakter‘ beeinflusst? Fragen über Fragen.

Hat eine Brennerei einen bestimmten Stil, kann man das Geschmacksprofil an einigen immer wiederkehrenden Aromen festmachen. Das ist natürlich dann nützlich, wenn abseits von Standardabfüllungen eine neue Flasche auf den Markt kommt und interessant erscheint. Mag man den Stil der Brennerei, kann man die Flasche nahezu bedenkenlos kaufen. Die Voraussetzung hierfür: man muss wissen, wie bevorzugte Aromen in die Flasche kommen und wie Variationen entstehen können. Und ab hier wird es ein wenig komplexer.

Der erste Grund zur Entstehung von Aromen liegt natürlich in den verwendeten Rohstoffen, wobei die Gerste wohl zuerst zu nennen ist. Da gibt es geschmacklich mehr oder weniger vernachlässigbare Einflüsse durch die Gerstenart, von denen einige einfach einen besseren Ertrag bringen als andere. Wichtiger ist hingegen die Art der Trocknung des Malzes. Denn hier wird entschieden, ob ein Whisky am Ende rauchige Aromen hat oder nicht. Das kann jeder leicht riechen, auch ohne große Erfahrung. Ob man rauchige Whiskys auch mag, steht auf einem anderen Blatt. Ein weiterer Punkt ist die Wahl der verwendeten Hefe. Doch auch hier geht es weniger um den Geschmack als um den Ertrag.

Als zweites ist der Produktionsprozess zu nennen. Wie warm ist das Wasser beim Maischen? Wie lange wird fermentiert? Welche Form haben die Brennblasen und wie steil ist der Lyne-Arm? Wie schonend wird destilliert? Wann wird der middle-cut vom Vor- und Nachlauf getrennt? Und noch vieles, vieles mehr. Während der Herstellung des Destillates entstehen die ersten geschmacklichen Variationen in einem späteren Whisky und damit seine aromatischen Grundlagen. Es kann dabei unter anderem in Richtung Frucht oder Malz gehen. Oder ob ein Whisky sich beispielsweise eher ölig in den Mundraum legt oder leicht ist.

Dauben Whiskyfass Rotwein Portwein charred toastedZuletzt der wichtigste Einfluss: das Fass. Das Holz des Fasses interagiert während der Lagerung des Destillates mit diesem. Über diese Interaktion gibt es etliche wissenschaftliche Untersuchungen und noch mehr Meinungen. Reifungsprozesse als solche will ich hier deshalb mal grob außen vor lassen. Relevant ist es eher, ein paar Aromen zu nennen, die ein Whisky während der Lagerung entwickeln kann: Karamell, Vanille, Holz, Würze… und auch hier noch vieles, vieles mehr. Hinzu kommen Aromen, die aus einer möglichen Vorbehandlung (charring, toasting) sowie der Vornutzung des Fasses resultieren. Gängige „Altlasten“ sind Bourbon, Sherry und Portwein wie auch eine Unzahl von selteneren wie Rotwein, Cognac oder Calvados. Am Ende spielt sogar die Lagerstätte der Fässer eine Rolle.

Aus der möglichen Variation dieser Einflussfaktoren entsteht am Ende das, was Whisky im Vergleich zu anderen Spirituosen so interessant macht: eine unerschöpfliche Vielfalt der Aromen.

Doch eben diese Vielfalt macht es so schwierig, einen bleibenden Hausstil zu definieren, zumal man auf zeitliche Veränderungen des Lagerbestandes Rücksicht nehmen muss, wenn man einigermaßen gleich schmeckende Standardabfüllungen kreieren will. Denn auch der Geschmack von Standardabfüllungen ändert sich mit der Zeit. Das ist bestimmt keine leichte Aufgabe, die sehr viel Erfahrung erfordert.

Wie macht sich also solch ein mögliches typisches Aromenprofil bemerkbar? Das möchte ich mit ein paar Beispielen verdeutlichen:

  • Glenfarclas bringt immer wieder hervorragende Abfüllungen heraus, die sich durch die Lagerung des Destillates in alten Sherryfässern auszeichnen. Klassischerweise süß, fruchtig, ölig und mitunter mit deutlichen Sherrynoten eben.
  • Speyburn wird nachgesagt, dass typische Abfüllungen der Brennerei mit Birnenaroma aufwarten.
  • Talisker wirbt mit dem Slogan ‚made by the sea‘ (man mag hinzufügen ‚matured near Glasgow‘). Hier wird man häufig fündig, wenn man nach leicht süßen und zugleich salzigen Aromen sowie dem berühmten Chili-Catch sucht. Allerdings variiert die Stärke dieser Aromen abhängig von der Abfüllung mitunter deutlich.
  • Tomintoul sagt über seine Whiskys, sie sind „gentle drams“. Leichte Kost sollte man meinen, die besonders Einsteigern nur wenige Herausforderungen gibt.
  • Laphroaig am anderen Ende der Skala muss standesgemäß ölig und rauchig sein, mit einer ordentlichen medizinischen Note.
  • Ardbeg bringt in heutiger Zeit deutlich rauchige Whiskys mit mehr oder weniger Zitrusaroma in die Flasche.

Drei Schwierigkeiten lassen sich aus diesen Beispielen aber direkt ableiten:

  1. Geschmack ist sehr subjektiv und nicht jeder muss die Meinung der Mehrheit in seinem Glas wiederfinden können. Ich würde einen Tomintoul beispielsweise nicht unbedingt als leichte Kost ansehen. Da gibt es andere Brennereien, die das besser können.
  2. Der Begriff ‚in heutiger Zeit‘ ist sehr wichtig, da sich der grundlegende Charakter einer Brennerei im Laufe der Zeit deutlich ändern kann. Beispiele hierfür sind Ardbeg oder Macallan, wenngleich die Gründe für geschmackliche Änderungen nicht ungleicher sein könnten. Zudem wurde Whisky in wirklich vergangener Zeit fast ausnahmslos auf Basis von auf Torfrauch gedarrtem Malz gebrannt, was wiederum einen signifikanten Unterschied bringt.
  3. Viele schottische Brennereien fahren mittlerweile nicht mehr eingleisig sondern produzieren sowohl rauchigen als auch nicht rauchigen Whisky. Manche machen sich immerhin die Mühe, seinem zweiten (oder dritten) Gleis einen anderen Namen zu geben, wie z.B. Springbank mit Longrow und Hazelburn, Tobermory mit Ledaig oder Bruichladdich mit Port Charlotte und Octomore.

Ein Hoch auf die Vielfalt also. Nur macht sie es dem Genießer nicht leicht sich zu entscheiden. Aber es wird auch nicht langweilig. Man sollte sich auf jeden Fall einigermaßen in der Materie auskennen, bevor man den Stil des Hauses einordnen kann und wenn man sich nicht auf Standardabfüllungen beschränken möchte. Einfach ins Regal greifen, weil ein bekannter und geschätzter Brennereiname auf der Flasche steht, kann ansonsten zu unliebsamen Überraschungen führen.

Durch den Aspekt der Mehrgleisigkeit macht für mich allerdings die Einteilung der Herkunft von Whiskys in bestimmte Regionen (Highlands, Lowlands, Speyside, Islands, Islay) kaum noch Sinn. Nur weil auf einer Flasche ‚Speyside‚ steht, muss schon seit längerem kein fruchtiger und milder Dram mehr drin sein. Genauso wenig gilt das für Islay, wo mehrere Brennereien sowohl rauchigen als auch nicht rauchigen Whisky produzieren. Und dennoch wird ‚Islay‘ seit je her mit stark rauchigen Whiskys in Verbindung gebracht. Ein Irrglaube – es geht auch dort anders.

Torfstechen auf IslayWarum Destillerien mehrgleisig fahren? Weil sie es können. Und weil sie sich dadurch nicht an den Kundentypen binden müssen, der keinen Rauch mag und sagt, dass Rauch nicht in einen Whisky gehört sondern in den Aschenbecher. Etliche andere mögen rauchige Whiskys, sonst würde man auf der torfreichen Insel Islay aktuell nicht 4 neue Brennereien planen bzw. bauen. Zudem kann man mit der ppm-Angabe für den Phenolgehalt gut werben und sich mit der Konkurrenz vergleichen. Obwohl viele Brennereien bewusst nur eine rauchige Abfüllung in ihrem Portfolio haben (z.B. Scapa Glansa, Glenglassaugh Torfa oder Balvenie Peat Week) müssen manche Brennereien variieren, weil sie zu einem der großen Konzerne gehören und mehrere Geschmacksrichtungen für Blends benötigt werden.

All dies ist jedoch eine Entwicklung der Neuzeit im harten Kampf um Marktanteile.

Der typische Stil einer Brennerei hatte früher seinen Ursprung in wenig variierenden Rohstoffen, einem einheitlichen Produktionsprozess und geringerer Zugänglichkeit zu Fässern für die Lagerung des Destillates. Das ist heute jedoch kaum noch gegeben. Unterschiede beginnen schon mit der Wahl des Rohstoffes (Stichwort: rauchiges Malz), setzen sich in der Nutzung diverser Brennblasen fort (siehe Ailsa Bay oder die Planung für die neue alte Destillerie in Port Ellen) und enden bei der Lagerung in exotischen Fässern (es muss ja nicht unbedingt Hering sein).

Fazit für mich:
Ein typisches Geschmacksprofil oder den Stil des Hauses kann ich nur noch bei wenigen Brennereien finden. Und schon gar nicht darf ich aktuelle Abfüllungen mit denen vergleichen, die vor Jahrzehnten abgefüllt wurden.

Aber was wäre das Leben auch ohne Fortschritt und ohne Erfahrungen, die einen schlauer machen?

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